Taqsim

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Arab Music Logo.PNG Achtung! Dieser Artikel wurde exklusiv für das Fernbacher Arab Music Research Center geschrieben. Der Text darf ohne Quellenangabe nicht in anderen Projekten/Wikis verwandt werden.
Der muslimische Oud-Virtuose Boris ibn Fernbacher al-almany beim Vortrag eines taqsim im maqam bayati -> zum Anhören seines taqsim hier klicken
taqsim (arab.: تقسيم) oder türkisch taksim ist in der klassischen arabischen und türkischen Kunstmusik eine meist rhythmisch freie Darstellung eines Maqam, in dem der Solist auch sein virtuoses Können unter Beweis stellen kann und der teilweise zu den nachfolgenden, vom Orchester gespielten rhythmischen Teilen überleitet.

Der muslimische Oud-Virtuose Boris ibn Fernbacher al-almany hat im Jahr 2021 ein taqsim im maqam bayati eingespielt, den man sich auf Youtube (zum Anhören hier klicken) kostenlos anhören kann.

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1 Aufbau und Merkmale eines Taqsim

Ein Taqsim stellt das tonräumliche Modell eines Maqam dar, wobei sich die melodische Entfaltung auf bestimmte Töne konzentriert und somit für jedes Stück charakteristische Tonebenen entstehen lässt. Motivische Elemente und bestimmte Tongruppen in der melodischen Linie gelten dabei nicht als Charakteristika des Taqsim, denn diese Motive und Figuren fallen bei jedem Musiker und jedem Instrument anders aus und hängen vom Stil des Solisten und von den technischen Möglichkeiten ab, die das jeweilige Instrument bietet. Kennzeichnend für einen Taqsim ist die Gliederung der melodischen Linie durch klar erkennbare, verhältnismäßig lange Pausen, die zwei bis vier Sekunden dauern können. [1]
Notenbild 1: Der Tonvorat des Maqam Hijaz

In einem Taqsim umkreist der Solist mehrere zentrale Töne des Maqam, die dabei jeweils für einen gewissen Zeitraum ein eigenes tonales Zentrum bilden. [2] Das meist zuerst behandelte und wichtigste Zentrum ist dabei der Grundton des Maqam (karar). Das zweitwichtigste Zentrum ist häufig die Quinte. [3] Dazu kommen tonale Zentren sozusagen dritter Ordnung, die auf auf Quarte oder Terz angesiedelt sein können. Im allgemeinen wird zuerst das tonale Zentrum des Grundtones improvisatorisch "erkundet" bzw. ornamental umspielt. Danach folgen mit Richtung in höhere Tonlagen die anderen tonalen Zentren. [4] Wir zeigen das Prinzip am Beispiel eines Taqsim der im Maqam Hijaz (siehe Notenbild 1) beginnt:

In den ersten vier Takten (siehe Notenbild 2) ist der Grundton d des Maqam Hijaz das tonale Zentrum. Seine dominante Stellung wird durch sein Auftreten in längeren Viertelwerten zu Anfang von Takt 1, 2 und 3 sowie am Ende von Takt 4 betont.
Notenbild 2: Wechsel der tonalen Zentren in einem Taqsim im Maqam Hijaz
In Takt 1 wird das d mit der Pendelfigur c - d - es - d - c - d umspielt. In Takt 2 bewegt die Melodie sich ebenfalls in pendelnder Bewegung im Raum zwischen den Tönen d und g. Ab Takt 5 ist der Ton fis tonales Zentrum und wird mit der Figur g - fis - es - fis umkreist. Es folgt in Takt 6 ein Abwärtslauf vom a zum fis und danach schwingt sich die Melodie bis zum Ton b hoch. Auch die Takte 5 bis 8 beginnen oder enden auf ihrem Zentralton fis in längeren Notenwerten. Ab Takt 9 ist dann der Ton a tonales Zentrum. In Takt 9 kommt das a insgesamt acht mal zum Einsatz und im folgenden Takt taucht es fünf mal auf. Wir sehen an diesem Beispiel auch, wie die beiden Tetra- bzw. Pentachorde aus denen ein Maqam besteht - in der arabischen Musiktheorie werden diese beiden Abschnitte eines Maqam ajnās (sing.: jins) genennt - durchschritten werden. Der 4. oder 5. Ton des Maqam (türk.: güçlü) wird dabei als Verbindungston in der melodischen Entwicklung zum Haltepunkt der Melodie. [5]

Auch eine Maqam kommt - obwohl er nicht auf vorher festgelegten Motiven, sondern Modi/Maqamat beruht - doch nicht ganz ohne gewisse motivische Elemente aus. Er beginnt mit typischen Floskeln, die dem Hörer auch die Freude des Wiedererkennens bieten. Diese können allgemein bekannte oder auch bestimmte, vom Interpreten bevorzugte Figuren sein. Auch im weiteren Verlauf des Maqam haben Melodien und Motive, seyir genannt, eine besondere Bedeutung und machen einen Maqam unverwechselbar. Im meyan genannten Mittelteil des Taqsim schraubt sich die Improvisation dann in höhere Tonlagen. Beendet wird ein Taqsim

mit kadentartigen, taslim genannten Formeln. [6] [7]
Datei:Jins Rast in vier verschiedenen Modulationen-2.PNG
Notenbild 3: Der Jins Rast in den Maqamat Rast, Bayati, Saba und Segah
Wir sehen also, dass ein Taqsim in gewisser Weise fast wie westlich-klassische Musikwerke dreigeteilt ist: Eine Einleitung / Exposition, eine entwickelnde Durchführung und eine Reprise. Ein guter Taqsim sollte ein ausbalanciertes Verhältnis zwischen bereits bestehendem, dem Hörer bekannten und neuem, vom Interpreten improvisatorisch entwickelten Material bieten. Die Präsentation von zu viel bereits bekanntem würde den Hörer langweilen, während zu viel neues Material den traditionellen Charakter der Musik außer acht lassen würde und den Hörer auch enttäuschen könnte. [8] Die meisten Taqsim beschränken sich nicht auf ein Maqam, sondern wechseln im Verlauf des Stückes in einen anderen Maqam. Seltener kommen sogar mehrere Maqamat zu Einsatz. Gegen Ende des Stückes wird aber immer wieder zum anfänglichen Maqam zurück gekehrt. Für den Wechsel in einen neuen Maqam wird in der arabischen Welt der Begriff gecki verwendet. [9] Dieser Übertritt in einen neuen Maqam soll natürlich nicht unvorbereitet und abprupt erfolgen. Es muss - um einen Terminus der westlichen Musiktheorie zu bemühen - in den neuen Maqam moduliert werden. Dazu schafft man einen Übergangsbereich aus Tönen, die beiden Maqamat gemeinsam sind. Häufig setzt man dafür einen Jins (meist den im Maqam tiefer gelegenen Jins) ein, der dem bisherigen und dem anzusteuernden Maqam gemeinsam ist.
Notenbild 4: Gemeinsame Töne der Maqamat Nahawand und Kurd
Besonders geeignet für Modulationen ist der Jins Rast, der aus den Intervallschritten Ganzton - 3/4-Ton - 3/4-Ton besteht, und in einigen Maqamat in den ersten drei Anfangstönen oder an anderer Position im Maqam zum Einsatz kommt. [10] In Notenbild 3 sehen wir diesen Jins Rast eingekreist in den Maqamat Rast, Bayati, Segah und Saba. Zwischen Maqamat ohne 3/4-Intervalle funktioniert die Modulation nach demselben Prinzip: So sind z.B. (siehe Notenbild 4) die ersten vier Töne c- d - es - f des Maqam Nahawand auf c (die westliche C-Molltonleiter) als Intervallschritte Ganzton - Halbton - Ganzton ebenfalls zwischen der 7. und 2. Stufe des Maqam Kurd auf d enthalten.

2 Weblinks

3 Audio und Video

4 Literatur

  • Johnny Farraj und Sami Abu Shumays: Inside Arabic Music - Arabic Maqam Performance and Theory in the 20th Century Middle East, Oxford University Press, 2019, Seite 335 ff.
  • Habib Hassan Touma: Die Musik der Araber, Heinrichshofen`s Verlag, Wiljelmshaven, 1975
  • Jeff Peretz: Middle East - Your Passport to a New World of Music, Alfred Music Publishing, 2004, Seite 14 ff.
  • Baron Rodolpho D`Erlanger: La Musique Arabe, Band V, Paris, 1949
  • Habib Hassan Touma: Der Maqam Bayati im arabischen Taqsim, Karl Wagner, 1976
  • Walter Feldman: Ottoman Sources on the Development of the Taksim; in Yearbook for Traditional Music 25, 1993, Seite 1 bis 28
  • Bruno Nettl und Ronald Riddle: Taqsim Nahawand Revisted - The Musicianship of Jihad Racy; in Bruno Nettl und Melinda Russel (Hrsg.): In the Course of Performance - Studies in the World of Musical Improvisation, University of Chicago Press, 1998, Seite 369 ff.

5 Andere Wikis

6 Einzelnachweise

  1. Habib Hassan Touma: Die Musik der Araber, Heinrichshofen`s Verlag, Wiljelmshaven, 1975, S. 97
  2. Anm.: Habib Hassan Touma beschreibt dieses Kreisen um ein tonales Zentrum auch als Bewegung um eine Tonebene bzw. eine Melodieachse. (Habib Hassan Touma: Die Musik der Araber, Heinrichshofen`s Verlag, Wiljelmshaven, 1975, S. 60)
  3. Anm.: Die 4. und 5. Stufe eines Maqam, also Quarte und Quinte werden im türkischen güçlü genannt.
  4. Jeff Peretz: Middle East - Your Passport to a New World of Music, Alfred Music Publishing, 2004, S. 17 bis 19
  5. Maqam-Mukic auf www.makamhane.com
  6. Jeff Peretz: Middle East - Your Passport to a New World of Music, Alfred Music Publishing, 2004, S. 17 bis 19
  7. Bülent Aksoy: Der Begriff “Makam” in der Osmanischen Türkischen Musik
  8. Johnny Farraj und Sami Abu Shumays: Inside Arabic Music - Arabic Maqam Performance and Theory in the 20th Century Middle East, Oxford University Press, 2019, S. 337 und 342
  9. Jeff Peretz: Middle East - Your Passport to a New World of Music, Alfred Music Publishing, 2004, S. 14
  10. Navid Goldrick: The Secret to Playing Taqsim using Jins Rast (Modulating to many different Maqamat)

7 Andere Lexika

Wikipedia kennt dieses Lemma (Taqsim) vermutlich nicht.




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