Panokratie

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Panokratie (Kompositum aus gr. pan (alles), ana (aufwärts) und kratein (regieren)) ist eine Weiterentwicklung und Konkretisierung der Anarchie. Die Utopie wurde zwischen 1977 und 1988 von Tobias Breiner entwickelt und wurde 1991 in seinem Buch „Panokratie“ erstmals veröffentlicht. Die darin skizzierte komplexe Gesellschaftsform ist rein theoretisch.

Der Begriff hielt Ende der neunziger Jahre durch einen ausgewanderten Panokraten als „panocracy“ auch in den angelsächsischen Sprachraum Einzug. Da die Utopie nur fragmentarisch in englischer Sprache erschien, wird es dort mit veränderter Bedeutung verwendet. [1]

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1 Übersicht

Die Panokratie sieht die Ausprägung gesellschaftlicher Hierarchien zwar als naturgegeben jedoch kontraproduktiv für die Menschheit an. Hierarchisch strukturierte Gesellschaften würden nach einer gewissen Zeit immer wieder zu Kriegen, Umweltkatastrophen oder zu verheerenden Wirtschaftskrisen führen. Geld lehnt die Panokratie in diesem Zusammenhang ebenfalls ab, da es zur Ausbildung und Festigung von Hierarchien beiträgt. Somit sieht die Panokratie die Anarchie in ihrem wörtlichen Sinne als einzigen Ausweg an.

Gemäß der Panokratie kann Anarchie aber nur zeitlich oder lokal begrenzt persistieren, z.B. in Agrargesellschaften oder in kleineren tribalistischen Gruppen, da sich in freien Gesellschaften automatisch Obrigkeiten ausbilden. Auch sei die Existenz eines Zahlungsmittels mit der Anarchie unvereinbar, da Geld ein Hierarchiebildner ist. Daher wird in der Panokratie versucht, die Herrschaftslosigkeit der Anarchie mit Hilfe von speziellen Strukturierungen der Gesellschaft und der Wirtschaft zu stabilisieren.

Panokratie kann daher kurz als „strukturierte Anarchie“ bezeichnet werden.

2 Stabilisierungsfaktoren

Die wichtigste Stabilisierung, welche die Panokratie für die Anarchie vorsieht, ist die parzellierte Subsidiarisierung. Sie stellt eine Gruppierung der Gesellschaft in ineinander geschachtelte Einheiten dar. Die Strukturierung soll selbstbestimmt vom einzelnen Individuum ausgehen, das heißt sich von unten nach oben fortsetzen und setzt somit viel Eigeninitiative voraus. Durch diese Bottom-up-Bevölkerungsstrukturierung sollen sich Hierarchien oder sonstige Fehlentwicklungen immer nur lokal ausbreiten und leicht durch die Nachbargruppierungen bekämpft werden können. Aufbauend auf dieser Subsidiarisierung der Gesellschaft gibt es folgende weitere Stabilisatoren:

  • Eine geldfreie parzellierte Schenkwirtschaft, die nicht mit einer einfachen Tauschwirtschaft zu verwechseln ist.

2.1 Stabilisierungsfaktor Parzellierte Subsidiarität

Die Panokratie sieht vor, dass sich einzelne Individuen zu Einheiten à ca. 25 Personen zusammenfinden. Diese Basiseinheiten werden Moyzellen genannt. 25 dieser Moyzellen schließen sich zur nächsthöheren Einheit, den Poyzellen, zusammen. 25 Poyzellen zur nächstgrößeren Einheit und so weiter. Die Einheiten werden Subsidiarzellen genannt. Je nach Größe dieser Subsidiarzellen finden unterschiedliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Prozesse und Entscheidungsfindungen statt. Die Gliederung soll nicht von oben nach unten organisiert werden, sondern auf freiwilliger Basis bottom-up erfolgen und sich vom Individuum ausgehend nach oben fortpflanzen. Dies setzt ein hohes Maß an Eigeninitiative voraus. Durch die spezielle Schachtelung der Gesellschaft sollen sich Fehlentwicklungen aller Art nur lokal ausbreiten und leicht von der Überzahl der 24 anderen Nachbareinheiten bekämpft werden können. Insbesondere wird die Entwicklung gesellschaftlicher Hierarchien oder die Etablierung von Zahlungsmitteln im Keim bekämpft. Ein bedeutender Aspekt ist, dass Panokratie auch in Hybridrealisierung möglich ist, also ein Aufbau panokratischer Gesellschaftsstrukturen innerhalb der heute bestehenden Gesellschaft prinzipiell möglich und legal ist.

2.2 Stabilisierungsfaktor Parzellierte Schenkwirtschaft

Die Panokratie verzichtet auf Geld oder sonstige Zahlungsmittel. Stattdessen sollen Produkte mit Hilfe eines komplexen Systems erzeugt, verschenkt und konsumiert werden. Die Schenkwirtschaft setzt dabei keinen Altruismus voraus, sondern die Motivation zum Arbeiten und Verschenken beruht auf gegenseitiger Abhängigkeit. Weitere Motivatoren sind der Patriotismus, der Gruppenzusammenhalt und die fehlende Anonymität innerhalb einer Moyzelle. Die Art der Produkte, die erzeugt und verschenkt werden, hängt von der Größe der Einheit ab. Je kleiner die Subsidiarzelle, desto einfacher, elementarer und lebensnotwendiger sind die Produkte, die in ihr gehandelt werden. Auf diese Weise werden Versorgungsengpässe von überlebensnotwendigen Gütern bei Katastrophen verhindert. Auch werden Fehl- und Überproduktionen verhindert und die Logistik minimiert, was zu einer verbesserten Ökobilanz führt.

2.3 Stabilisierungsfaktor Direkte Demokratie

Alle Entscheidungsprozesse innerhalb der Panokratie geschehen direktdemokratisch. Sie können elektronisch unterstützt sein, um Abstimmungen zu beschleunigen. Wichtigstes Element dabei ist der Elementar-Entscheid (Elescheid), in dem zwischen zwei Alternativen gewählt werden kann. Abstimmungen auf höheren Gemeinschaftsebenen geschehen mehrheitlich, sind jedoch für Teilgemeinschaften und Mitglieder mit entgegengesetzten Ansichten nicht bindend. Stehen mehrere Alternativen zur Wahl, wird der Abstimmungsprozesses in mehrere Schritte aufgeteilt, wobei die einzelnen Wahlmöglichkeiten binär gruppiert werden, so dass wieder eine Ja/Nein-Entscheidung möglich ist und absolute Mehrheiten automatisch gebildet werden. Wahlmündig für eine Subsidiarzelle sind alle Bürgerinnen und Bürger, welche die entsprechenden Kompetenzprüfungen auf der Subsidiarzelle erfolgreich bestanden haben. Diese Prüfungen werden dabei so abgehalten, dass jeweils genau die Hälfte der Prüflinge sie besteht und sie beliebig oft wiederholbar sind. Dies soll die Entstehung einer Bildungsminderheit und damit Führungselite verhindern.

2.4 Stabilisierungsfaktor Individualwacht

Die Individualwacht ist eine besondere Form der Direkten Aktion. Sie bezeichnet die Aktivitäten der Mitglieder, die darauf gerichtet sind, sich gegenseitig vor gewaltsamen Übergriffen zu schützen und die Ausbildung neuer Hierarchien im Keim zu unterdrücken. Die Gewaltenteilung wird dabei bis auf einzelne Individuen oder Subsidiarzellen heruntergebrochen. Der Aufbau einer Polizei wird dadurch unnötig.

3 Aktuelle Bezüge

Sowohl auf Seite 186ff des Panokratiebuches als auch in seinem Artikel „Die herannahende Wirtschaftskrise in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts – Computerprognose als Menetekel“ [2] beschreibt Breiner eine Finanzkrise für die letzten Jahre des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrtausend, welche zu einem globalen Wirtschaftscrash führe. Sein Künstlername „Tobi Blubb“ steht dabei für die platzende Spekulations-, Kredit- und Immobilienblase.

Die Klimaerwärmung und Gletscherschmelze wird auf Seite 315ff in für diese Zeit außergewöhnlicher Dramatik beschrieben. Breiner erwähnt in einer Vorversion schon 1985 verschiedene Rückkopplungseffekte, die erst ab 2001 in den öffentlichen Diskurs gelangten.

Auf Seite 174 wird Bilderkennungssoftware zum Tracking von Passanten und Internet- Überwachungssoftware via Neuronaler Netzwerke vorweggenommen. Auch wird vor der Informationsmacht von Suchmaschinen gewarnt.

Auf Seite 108 wird sowohl die Zunahme der Fernsehen- und Computerspielsucht als auch von Amokläufen durch neue Medien wie HDTV und Virtuelle Realitäten angedeutet.

4 Schreibstil

Die Funktionsweise des skizzierten Gesellschaftssystems ist infolge seiner Komplexität und Andersartigkeit für Normalbürger schwer verständlich. Zudem kann die Kenntnis von Einzelkomponenten der Panokratie zu falschen Schlüssen führen. Die Verständnisschwierigkeiten werden nochmals durch den speziellen Schreibstil Breiners in seinen Büchern und Artikeln verstärkt, denn seine Texte sind voller Ironie, Doppeldeutigkeiten, versteckten Hinweisen, Wortspielen und Provokationen. Ein paar Mal wird dem Leser sogar erst am Schluss eines Kapitels verdeutlicht, dass der gesamte Inhalt desselbigen komplett ironisch gemeint war.

In einem Interview betont Breiner, dass er diesen exzentrischen Schreibstil absichtlich verwendet, um beim Leser eine Emotionalisierung und damit eine sublime Aktivierung der rechten Hirnhemisphäre zu bewirken, welche den Leser für neue Ideen öffnen und ihn zu selbstständigen Denken anregen soll. [3]

Die Schwierigkeiten, die Panokratie vollständig und korrekt zu begreifen, erklärt einerseits die mit mehreren hundert Panokraten relativ kleine aktive Anhängerschaft und andererseits die vielen Missverständnisse, die zwischen 1991 und 1996 zu mehreren Anti-Panokratie-Demonstrationen und -Kundgebungen geführt haben. [4]

5 Literatur

  •  Tobias Breiner: Panokratie. Begegnungsstädte für Kunst und Kultur, Darmstadt 1991 (online).

6 Weblinks

7 Einzelnachweise

  1.  O. Bachmann: Panocracy. Liverpool 1999.
  2.  Tobias Breiner: Die herannahende Wirtschaftskrise in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts – Computerprognose als Menetekel. Köln 1999.
  3.  Phillip Hogh: Interview mit Tobi Blubb. Stuttgart 1998.
  4.  Phillip Hogh: Interview mit Tobi Blubb. Stuttgart 1998.



8 Init-Quelle

Entnommen aus der:

Erster Autor: Tom Toro angelegt am 08.10.2008 um 00:15,
Alle Autoren: Sargoth, Achim Jäger, Drahreg01, Feba, Roterraecher, The real Marcoman, FalkJ, L.M. Morgenroth, Tom Toro/Panokratie, Tom Toro


9 Andere Lexika

  • Dieser Artikel wurde in der Wikipedia gelöscht.



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