Schweizer Atombomben-Programm
Das Schweizer Atombomben-Programm waren die in den ersten Jahrzehnten des Kalten Krieges unternommenen Bemühungen der Schweiz, eine eigene Kernwaffe zu entwickeln.
Gemäss einer Studie des Historikers Peter Hug gingen die Anfänge dieser Arbeiten bereits auf die Situation im Zweiten Weltkrieg zurück. An der Universität Basel wurde Isotopentrennungs-Forschung betrieben, mit dem Ziel der Gewinnung spaltbaren Urans. Ein gemeinsames Forschungsprojekt der Uni Basel und der privaten Firma Sulzer war zudem die Schwerwasser-Produktion.
- Ab 1944 wurde die Bundes-Technologieförderung dem Militärdepartement unterstellt, ein klares Indiz der Stossrichtung der Bemühungen. Das ganze Programm war aber damals streng geheim.
- 1945 wurde auf Initiative des schweizerischen Militärdepartements (EMD) die sogenannte «Studienkommission für Atomenergie» (SKA) gegründet. In der SKA waren in der Folge alle namhaften schweizerischen Forschungsinstitute, die sich mit Kernenergie befassten, vertreten.[1]
- 1955 gründete Walter Boveri jun., Präsident von Brown, Boveri & Cie., in Zusammenarbeit mit Wirtschaft und der ETH Zürich in Würenlingen die Reaktor AG. Im gleichen Jahr fand in Genf die erste Genfer Atomkonferenz statt. An der Konferenz präsentierte die amerikanische Atombehörde AEC die Möglichkeiten der Kernenergie an einem eigens dafür gebauten Leichtwasserreaktor. Da der Rücktransport des Versuchsreaktors für die Amerikaner mit einem erheblichen Aufwand verbunden gewesen wäre, konnte die Eidgenossenschaft den Reaktor sehr günstig erwerben und dann an die Reaktor AG weiterverkaufen. Dieser Reaktor, der auf Grund seines blauen Leuchtens den Namen «Saphir» erhalten hatte, bekam seinen neuen Standort in Würenlingen.
- 1946 wurde vom Bundesrat der ebenfalls geheime politische Auftrag zur Entwicklung einer Bombe erteilt. Der damalige Verteidigungsminister Karl Kobelt belog den Ständerat, eine der beiden Kammern des Bundesparlaments, mit der Aussage: Der Bundesrat hat keine Absicht, eine Atombombe zu bauen.
- 1960 wurde der Forschungsreaktor Diorit in Betrieb genommen und zum ersten Mal kritisch. Offiziell diente er der Erforschung der zivilen Kernenergie-Nutzung, inoffiziell war er eine "Dual-use"-Anlage, die sowohl zivilen wie militärischen Zwecken diente. Es handelte es sich um einen Schwerwasserreaktor, der auf den Plänen des Versuchsreaktors der SKA basierte, obwohl man bereits bei der Genfer Atomkonferenz festgestellt hatte, dass das schweizerische Reaktorkonzept längst überholt war.[2] Aber es liess sich mit ihm vor allem Plutonium erzeugen. In der Wiederaufarbeitungsanlage im belgischen Mol, wo damals der Schweizer Rudolf Rometsch als Direktor tätig war, wurde dieses Schweizer Plutonium in den 1960er Jahren sogar eine Zeitlang isoliert.
- 1962 erfolgte der Spatenstich zum Bau des Versuchsatomkraftwerks Lucens.
Die Schweizer Militärs sahen das Land bis in die 1970er Jahre, bis zur Ausserbetriebnahme des Diorit 1977, als sogenannte nukleare Schwellenmacht. 1962 gelangte eine Volksinitiative gegen das mittlerweile öffentlich gewordene Schweizer Bombenprogramm zur Volksabstimmung, wurde aber von der Bevölkerung relativ deutlich verworfen.
1 Literatur
- Tobias Wildi: Der Traum vom eigenen Reaktor. Die schweizerische Atomtechnologieentwicklung 1945–1969. Chronos, Zürich 2003, ISBN 978-3-0340-0594-4.
- Tobias Wildi: Die Reaktor AG: Atomtechnologie zwischen Industrie, Hochschule und Staat. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte. Band 55, 1/2005, S. 70–83 doi:10.5169/seals-81386
2 Andere Lexika
- Hochspringen ↑ Wildi 2003, S. 27–28.
- Hochspringen ↑ Wildi 2005.
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