Amulett MS 5236

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Datei:Amulet MS 5236, Schoyen Collection. Pic 01.jpg
Beschwörung des Gottes Phoebus Apollo auf der altgriechischen Goldfolie MS 5236. Die Inschrift stellt ein sehr frühes Exemplar eines Blockdrucks dar (6. Jahrhundert v. Chr.).

MS 5236 (Inventarnummer der Schøyen Collection) ist ein antikes griechisches Amulett aus dem 6. Jahrhundert v. Chr., das nach derzeitigem Kenntnisstand in zweierlei Hinsicht als einzigartig darsteht: es wurde als einziges bekanntes magisches Amulett jener Zeit gedruckt und nicht beschrieben, und es ist das einzige aus der Gruppe der ephesia grammata erhaltene Stück, das aus Gold angefertigt wurde. Der nur partiell verständliche aufgedruckte Text beinhaltet eine Aufrufung des Gottes Phoebus Apollo. Als mögliche Herkunftsorte der Goldfolie kommen Mittelgriechenland oder Westkleinasien in Frage. Da es sich bei solchen magischen Amuletten um weitverbreitete Massenprodukte handelte, könnte MS 5236 trotz seiner Singularität auf eine gewisse Verbreitung der Blockdrucktechnik im alten Griechenland hinweisen.[1][2]

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1 Beschaffenheit

Die Folie befindet sich heute im Besitz der norwegischen Schøyen Collection, wo sie unter der Inventarnummer MS 5236 katalogisiert ist und vom britischen Altertumswissenschaftler Dominic Montserrat begutachtet wurde.[1] Eine spezielle Untersuchung der Herstellungstechnik der Inschrift hat 2010 der deutsche Typograph Herbert Brekle beigesteuert.[2]

MS 5236 besteht aus einem dünnen, rechteckigen Blatt Gold von 2,8 × 9,0 × 0,1 cm Größe, das einseitig beschriftet ist. Die altgriechische Inschrift umfasst sechs Zeilen, die rechtsläufig abgefasst sind. Der ringsherum vorhandene Rand lässt darauf schließen, dass ihr Inhalt vollständig erhalten ist. Die Oberfläche der Goldfolie ist von zahlreichen kleinen, mitunter zu Rissen ausgewachsenen Falten durchzogen. Anders als spätere Amulette scheint sie zum persönlichen Gebrauch aber weder zusammengerollt noch gefaltet worden zu sein.[3]

2 Herkunft und Datierung

Die paläographische Analyse der Buchstabenformen weist auf eine frühe, archaische Zeitstellung hin. Die verwendete Schrift ist keiner Lokalvariante des griechischen Alphabets eindeutig zuzuordnen: Während gewisse Eigentümlichkeiten in der Formgebung auf eine Herstellung in Attika oder Euböa hindeuten, erinnern andere Buchstaben eher an den im westlichen Kleinasien üblichen Schriftduktus, vor allem den von Knidos. Insgesamt legt der Quervergleich mit anderen frühgriechischen Schriftdenkmälern eine Datierung des Texts in die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. nahe.[3]

3 Inhalt und Gebrauch

Datei:Amulet MS 5236. Transcription 01.jpg
Transkription der Inschrift, deren einleitende Worte lauten: „O Phoebus Apollo, der du herrschst über die Menschen...“

Obgleich die Entzifferung der griechischen Buchstaben im großen und ganzen keine Probleme bereitet (siehe Transkription rechts), ist der Inhalt aufgrund von grammatikalischen und syntaktischen Besonderheiten, wie sie bei solchen Amuletten häufig vorkamen, nur eingeschränkt verständlich; einige Buchstabenfolgen entziehen sich sogar gänzlich einer Deutung. Immerhin kann dem Text entnommen werden, dass es sich um eine Anrufung des Gottes Phoebus Apollo handelt, der seine Waffen gegen irgendjemand oder irgendetwas erheben soll, vermutlich zugunsten des Amulettbesitzers. Der Wortlaut der Inschrift weist keinerlei Übereinstimmung mit anderen epigraphischen oder literarischen Schriftzeugnissen der Antike auf, was zusätzlich für die Authentizität der Goldfolie und gegen eine moderne Fälschung spricht.[1]

Montserrat zufolge entsprechen wesentliche Charakteristika von MS 5236 noch am ehesten dem Typus der ephesia grammata, magischen Amuletten, deren beschwörende Worte angeblich auf dem Kultbildnis der Artemis zu Ephesos schriftlich fixiert wurden und die der Träger zur Abwendung von Unheil am Körper mit sich führte. Da von diesen Metallfolien, die in der griechischen Welt als Massenartikel zirkulierten, ansonsten nur Exemplare aus Blei überdauert haben, steht die Goldfolie unter den ephesia grammata als einzigartig dar.[4]

4 Blockdruck

Die besondere Bedeutung von MS 5236 liegt zweifelsohne in der Herstellungstechnik der Inschrift begründet: Die nähere Begutachtung hat ergeben, dass der griechische Text mittels eines Druckverfahrens auf die Goldfolie gebannt wurde; dies hebt MS 5236 von anderen bekannten Amuletten jener Zeit ab, bei denen die magischen Formeln handschriftlich – etwa durch einen Stylus – in die Metallfolie eingeritzt wurden.[1][2]

Der ganze Druckvorgang lässt sich nach Brekle wie folgt rekonstruieren: Zunächst wurde der Inschriftentext mittels eines Eisengriffels in einen plan gearbeiteten Kupfer- oder Bronzeblock eingeritzt, wobei die Buchstabenformen seitenverkehrt und linksläufig geschrieben wurden. Beiderseits der Buchstabenrillen hob sich das verdrängte Material empor und bildete zwei scharfe, parallele Grate. Im zweiten Schritt, dem eigentlichen Druck, wurde der Stempelblock mit seiner beschrifteten Seite auf die eben aufliegende dünne Folie aus Gold aufgesetzt und mit den Händen oder einem Hammer mit dazwischen liegender Platte ausreichender Druck von oben zur Textübertragung ausgeübt. Druckprägend, also drucktechnisch wirksam, waren hierbei die durch die Materialverdrängung entstandenen Grate, die in der Goldfolie leicht vertiefte Doppellinien hinterließen und so den Text bildeten; die eigentlichen, vertieften Buchstabenlinien wurden dagegen beim Eindrücken des Stempels nicht übertragen, da sie nicht über die Höhe der Goldfolienoberfläche hinausgingen.[5]

Es ist die Existenz dieser feinen Doppelrillen auf der Goldfolie, die das entscheidende Erkennungsmerkmal dafür darstellt, dass MS 5236 nicht geschrieben, sondern gedruckt wurde; denn es ist eine Frage mechanischer Notwendigkeit, dass beim Drucken die eingeritzten Buchstabenlinien mit ihren beidseitigen, erhabenen Verdrängungskanten sich auf dem Bedruckstoff als parallele, vertiefte Linienzüge einprägen, so wie es beim Amulett zu beobachten ist. Drucktechnisch gesehen handelt es sich also um eine Tiefreliefinschrift, die durch einen Tiefreliefstempel erzeugt wurde.[A. 1] Wäre der Text hingegen wie bei anderen Amuletten direkt auf die Folie eingeritzt worden, hätte der Schreibgriffel lediglich einfache Buchstabenstriche hinterlassen können. Brekle zufolge weist das angewendete Druckverfahren Gemeinsamkeiten mit der späteren Technik der Kaltnadelradierung auf, bei der Linienzüge auf eine Kupferplatte eingraviert werden; anders als bei diesem Verfahren wurde aber bei der Goldfolie keine Farbe übertragen, sondern im Blinddruck gearbeitet.[5]

Ein weiteres Indiz für die Anwendung einer Drucktechnik besteht in der unterschiedlich starken Ausprägung der Buchstaben, die darauf schließen lässt, dass die Folienoberfläche bereits beim Drucken nicht völlig plan war. So treten die Umrisse der Buchstaben – wie bei einem Druck zu erwarten ist – in den geringfügig höheren Bereichen der Folie (im Photo dunklere Flächen) stärker und klarer zutage als in den geringfügig tieferen Bereichen (im Photo hell), die nicht von der vollen Kraft des Stempels erfasst wurden. Diese Beobachtung ist besonders gut in den Falten und der letzten Zeile zu machen, wo der Rand anscheinend beim Druck leicht nach unten eingebogen war; hier erscheinen die Eindrücke der Buchstaben deutlich schwächer ausgeprägt. Wäre der Text mit einem Griffel direkt in die Folie eingeritzt worden, hätten diese Unterschiede nicht auftreten können.[6]

Bezüglich der Strichfolge der Buchstabenformen auf dem Stempel lässt sich feststellen, dass die Hasta, der zumeist vertikale Hauptstrich, normalerweise vor den Codafiguren geschrieben wurde (siehe Hasta-Coda-Theorie).[7]

Insgesamt stellt MS 5236 ein außergewöhnlich seltenes und womöglich einzigartiges Druckerzeugnis aus der griechischen Frühzeit dar.[3][7] Gleichwohl deutet der weitverbreitete Gebrauch solcher magischen Amulette darauf hin, dass derartige Blockdrucke – zumindest von dem vorliegenden Original – damals massenhaft hergestellt wurden.[1]

5 Siehe auch

6 Literatur

7 Weblinks

 Commons: Amulett MS 5236 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

8 Anmerkungen

  1. Im Gegensatz dazu interpretiert Montserrat MS 5236 als ein Hochrelief, das durch einen Hochreliefstempel produziert wurde. Diese Annahme weist jedoch – wie Brekle darlegt (S. 2–3) – gravierende Mängel auf, denn es kann unter den technischen Möglichkeiten der damaligen Zeit als ausgeschlossen gelten, dass die äußerst feinen und fragilen Doppellinien auf der Stempeloberfläche im Hochrelief herausgearbeitet wurden. Überdies hätte man dazu den Hochreliefstempel von der Unterseite durch die Goldfolie hindurchdrücken müssen – eine Methode, bei der auf der Oberseite jedoch nur sehr unscharfe Buchstabenabdrücke erschienen wären. Die einzige mögliche Abhilfe, nämlich die Konturierung der Buchstaben durch eine präparierte Druckunterlage aus Tiefreliefformen, die mit dem Hochreliefstempel passgenau korreliert, war damals ebenfalls technisch nicht realisierbar. Damit erweist sich Montserrats Hochdruck-Hypothese als unhaltbar.

9 Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Montserrat: „Report on Early Greek Gold Lamella“, S. 1–2
  2. 2,0 2,1 2,2 Brekle: „Analyse der Herstellungstechnik der Inschrift auf einem Goldamulett in der Schoyen Collection (London/Oslo)“, S. 1–5
  3. 3,0 3,1 3,2 Montserrat, S. 1
  4. Montserrat, S. 2
  5. 5,0 5,1 Brekle, S. 3–4
  6. Brekle, S. 4
  7. 7,0 7,1 Brekle, S. 5
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11 Init-Quelle

Entnommen aus der:

Erster Autor: Holiday angelegt am 16.11.2010 um 00:33,
Alle Autoren: Tusculum, Carbidfischer, Korrekturen, Kpisimon, Frank Winkelmann, RobertLechner, Lipstar, Gudrun Meyer, Holiday, Holiday/Amulett MS 5236


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