Schießscharte
Die Schießscharte ist im Festungswesen eine Öffnung innerhalb der Befestigung, welche dem Schützen den Einsatz einer Fernwaffe bei gleichzeitiger Deckung erlaubt. Schießscharten treten vor allem an spätmittelalterlichen Burgen, Wehrkirchen und neuzeitlichen Festungen in vielfältigen Formen auf, die primär auf die Funktionsweise und Handhabung der jeweiligen Waffe abgestimmt sind.
Inhaltsverzeichnis
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1 Funktionalität und Geschichte
Der Burgenforscher Otto Piper schreibt über die Funktion und funktionell angepasste Gestaltung von Schießscharten:
- "Damit der Verteidiger der Burg bei möglichst vollständiger Deckung des Körpers durch eine Mauer nach außen schießen kann, muss diese mit einer Schießscharte durchbrochen sein. Die letztere hat zweckmäßigerweise, ohne jene Deckung zu beeinträchtigen, dem Schützen hinlänglich freies Umblicken und Zielen nach dem Feinde zu gestatten und ebenso möglichst freie Bewegung mit der Schusswaffe bei tunlichster Annäherung derselben an die äussere Schartenmündung. Zu dem Zwecke ist bei stärkeren Mauern nach innen vor der Schießscharte eine hinlänglich weite und tiefe Nische in der Mauerdicke ausgespart." [1]
Bei der die Mauer verdünnenden Nische ist zwischen zwei Formen zu unterscheiden:
- Bei der ersten Form ist die Nische zumeist bis auf den Fußboden hinabreichend so hoch und weit gestaltet, dass der Schütze selbst in dieselbe eintreten kann. Piper bezeichnet diese Form als Schiesskammer. [2]
- Die zweite, von Piper als Schartennische bezeichnete Form, [3] ist enger umrahmend, und nur dazu geeignet und bestimmt, die Handhabung der Waffe angemessen nahe der Scharte selber zu gestatten.
Die Scharte selbst ist in der Regel entweder in einer die Nische nach außen abschließenden Steinplatte eingemeißelt, oder aber in der Mauer selbst als eine nach außen oder nach innen oder nach beiden Seiten ausgeweiteten Öffnung ausgespart.
Die Form der Scharte hat sich im Lauf der Jahrhunderte verändert. Dieser Wandel ist nachgewiesen für die Zeit des Übergangs von der Armbrust zur Schusswaffen, und möglicherweise auch für den vorhergehenden Wandel vom Bogen zur Armbrust zur Zeit der Kreuzzüge. Im mitteleuropäischen nachrömischen Raum sind Schießscharten in Wehrbauten wohl erst mit Einführung der Armbrust üblich geworden. Aus der Zeit der ersten Burgbauperiode stammende Schießscharten sind bislang nicht nachgewiesen. Dies ist auch funktionell einleuchtend, da der damals durchschnittlich mannshohe Bogen zum Gebrauch hinter Scharten auch bei der damals hoch angebrachten, senkrechten Handhabung des Bogens, für den Schuss nach unten wenig geeignet war. Erst zwischen 1220 und 1230 erscheinen Schießscharten als Wehrelement in Burgen des deutschen Raums - vorher gibt es die ersten Anlagen mit Schießscharten in Frankreich und Großbritannien. [4] Man kann folglich also aus der Gestaltung der Schießscharte Rückschlüsse auf die zur Zeit der Erbauung bzw. Erneuerung und Umgestaltung der Anlage verwendeten Feuerwaffen ziehen. [5]
Armbrustscharten sind, wenn überhaupt, regelmäßig nach außen verengt, seltener nach innen und außen erweitert, so dass die Schartenenge in der Mitte liegt. Die Armbrust wie auch der Bogen eignen sich nach Art und Form nicht dazu, beim Einsatz irgendwo fest aufgelegt zu werden. Wir sehen diese Waffen auf alten Abbildungen auch immer nur im freihändigen Gebrauch. Die Armbrustscharte bestand deshalb zweckmäßigerweise im wesentlichen aus einem senkrechten Schlitz von kaum weniger als 7 Zentimetern Breite. Das war weit genug, um den abgeschossenen Pfeil des Verteidigers leicht und sicher, und bei Bedarf auch in etwas schräg nach links oder rechts geneigter Richtung hinaus zu lassen, andererseits aber nicht zu weit als dass der Verteidiger durch von außen eindringende Pfeile zu sehr gefährdet gewesen wäre. Zur Erweiterung des Schussbereiches konnte man außer einer seitlichen Abschrägung die senkrechten Schlitze am unteren und/oder oberen Ende durch kürzere, waagerechte Schnitze durchschneiden. Ein Beispiel für solch eine Schießscharte bietet der Kirchturm von Allensbach bei Konstanz: Hier ist der senkrechte Schlitz 1 Meter lang und 7 Zentimeter breit und die beiden waagerechten Schlitze sind 45 Zentimeter lang. [6]
Die aufkommenden Feuerwaffen stellten den Burgenbau vor neue Herausforderungen. Die erste Handfeuerwaffe war die Hakenbüchse, die zum Zweck des besseren Zielens und der Hemmung des Rückstoßes an der unteren Seite des Laufes und dessen vorderem Ende einen Haken zum festen Auflegen der Waffe besaß. Sowohl das Gewicht der Waffe wie auch doe noch wenig vollkommene Vorrischtung zur Entzündung der Pulverladung gestatteten wohl nicht ein freihändiges Schießen. Wenn man nun zum Zweck des Zielens die Büchse seitlich um den Auflagepunkt drehen wollte, musste sich der davor befindliche Schießschlitz alsbald als zu eng erweisen. Es war also zum Gebrauch der Handfeuerwaffen eine Verbreiterung der Schießspalte vorzunehmen. [7] Man erweitere dafür die Schießspalte an ihrem unteren Ende und brachte häufig an ihrem unteren Ende eine nach innen davor gelegenes senkrechtes Holzstück an. Diese Merkmale sind ein sicheres Indiz für die historische Bestimmung einer Scharte für Pulvergewehre. [8] Bei dieser Erweiterung begnügte man sich anfänglich bei bereits vorhandenen Armbrustschlitzen in Sandstein hin und wieder darauf, die Scharte mit dem Meißel zu erweitern. Dies Vorgehen ist beispielsweise bei den Armbrustschlitzen der im 13. Jahrhundert erbauten Ortenburg im Wasgau zu sehen. Bei der Herstellung neuer, für Pulverwaffen bestimmter Scharten gab man der Ausweitung meist die Form eines Kreises bzw. Drei- oder Rechtecks. Von diesen Grundformen gibt es auch viele Varianten. Wegen ihrer Ähnlichkeit mit einem umgekehrten Schlüsselloch werden solche Scharten auch Schlüsselscharten genannt. Besonders im süddeutschen Raum des deutschen Sprachgebietes sind für die nachmittelalterliche Zeit zahlreiche Schlüsselscharten vorhanden, welche die Grundformen mitunter in "spielerischer" Art abwandeln. Die Maße der Schlüssellochscharten sind sehr verschieden und reichen in der Höhe von 30 Zentimetern bis über ein Meter. Die Schlitzweite variiert zwischen 2 und 20 Zentimetern und die der Rundung zwischen 15 und 45 Zentimetern.
2 Literatur
- Joachim Zeune: Schießscharte, Schießnische, Schießkammer; in Burgen und Schlösser, Zeitschrift für Burgenforschung und Denkmalpflege, Jahrgang 60, Nr. 1, 2019, Seite 48 bis 51
- Otto Piper: Burgenkunde - Bauwesen und Geschichte der Burgen, R. Piper & Co., 3. Aufl., München, 1912
- Michael Losse: Kleine Burgenkunde, Regionalia, Euskirchen, 2012, Seite 83 und 84
- Joachim Zeune: Burgen - Symbole der Macht / Ein neues Bild der mittelalterlichen Burg, Verlag F. Pustet, 1996
- August von Cohausen: Die Befestigungsweisen der Vorzeit und des Mittelalters, Creative Media Partners, 2019
3 Weblinks
- Rüdiger Bernges: Nutzbarkeit von Schießscharten in hochmittelalterlichen Burgen unter besonderer Berücksichtigung der Armbrust - Ergebnisse einer praktischen Studie
- Wilfried Pfefferkorn: Schiessscharten an der Burg Rechberg; in Burgen und Schlösser - Zeitschrift für Burgenforschung und Denkmalpflege, Band 52 Nr. 1, 2011, Seite 38 bis 54
4 Einzelnachweise
- ↑ Otto Piper: Burgenkunde - Bauwesen und Geschichte der Burgen, R. Piper & Co., 3. Aufl., München, 1912, Seite 335
- ↑ Otto Piper: Burgenkunde - Bauwesen und Geschichte der Burgen, R. Piper & Co., 3. Aufl., München, 1912, Seite 336 und 337
- ↑ Otto Piper: Burgenkunde - Bauwesen und Geschichte der Burgen, R. Piper & Co., 3. Aufl., München, 1912, Seite 336 und 337
- ↑ Rüdiger Bernges: Nutzbarkeit von Schießscharten in hochmittelalterlichen Burgen unter besonderer Berücksichtigung der Armbrust - Ergebnisse einer praktischen Studie
- ↑ Joachim Zeune: Burgen - Symbole der Macht / Ein neues Bild der mittelalterlichen Burg, Verlag F. Pustet, 1996, Seite 102
- ↑ Otto Piper: Burgenkunde - Bauwesen und Geschichte der Burgen, R. Piper & Co., 3. Aufl., München, 1912, Seite 337 und 338
- ↑ Otto Piper: Burgenkunde - Bauwesen und Geschichte der Burgen, R. Piper & Co., 3. Aufl., München, 1912, Seite 340 und 341
- ↑ Joachim Zeune: Burgen - Symbole der Macht / Ein neues Bild der mittelalterlichen Burg, Verlag F. Pustet, 1996, Seite 102
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