Saudades do Brasil
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Die Saudades do Brasil, op. 67, sind eine im Jahr 1922 veröffentlichte Suite aus zwölf Tänzen für Klavier zu zwei Händen des französisch-jüdischen Komponisten Darius Milhaud. Wie der Titel schon andeutet, sind sie von südamerikanischen Rhythmen beeinflusst. Ein Jahr später wurde eine von Milhaud orchestrierte Version unter der Verzeichnisnummer 67b herausgegeben.
Inhaltsverzeichnis
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1 Entstehung
Es wurde von Musikwissenschaftlern vermutet, dass Milhaud mit der Arbeit an dem Werk im Jahr 1918 begann, während er in Brasilien als Sekretär für den französischen Botschafter Paul Claudel arbeitete. [1] Nach Milhauds eigenen Worten begann er mit der Arbeit an der Suite aber erst im im Sommer des Jahres 1920 in Dänemark. Die Saudades do Brasil wurden im Jahr 1922 von Max Esching herausgegeben.
2 Musikalische Merkmale
Das Werk ist neben der südamerikanischen Polyrhthmik außerdem von typischen Elementen der Musik des 20. Jahrhunderts, wie Bi- und Polytonalität, starken Dissonanzreibungen, vereinzelten Clusterbildungen und der teilweisen Behandlung des Klaviers als Perkussionsinstrument geprägt.
2.1 Brasilianische Einflüsse
Dass sich Milhaud bei der Komposition von brasilianischer Musik beeinflussen ließ, ist unüberhörbar. In seiner Autobiographie Notes sans musique beschreibt er die Faszination, welche die ungewohnten Rhythmen auf ihn ausübten:
- "In der Synkopierung war eine nonchalante Art des Atemholens, ein kaum wahrnehmbarer Hiatus, den ich schwer verstand. So kaufte ich mir eine Reihe von Maxixes und Tangos und versuchte, sie ihrem synkopischen Rhythmus gemäß zu spielen, der von einer Hand zur anderen überging. Schließlich wurden meine Bemühungen belohnt, und ich konnte diese so typisch brasilianische Weise sowohl spielen als auch analysieren. Einer der besten Komponisten dieser Art Klaviermusik, Ernesto Nazareth, pflegte vor dem Kino in der Avenida Rio Branco seine unfassbaren, flüssigen und traurigen Melodien zu spielen, die es mir ermöglichten, einen tieferen Einblick in die brasilianische Seele zu tun." [2]
Die einzelnen Titel der Saudades do Brasil sind Ortsbezeichnungen aus Rio de Janeiro:
- Das Werk beginnt mit dem nach einer Straße im Stadtteil Botafogo benannten Titel Sorocaba.
- Es folgt das Stück Botafago, welches nach dem gleichnamigen Stadtteil benannt ist.
- Das dritte Stück ist nach dem Stadtteil Leme bezeichnet.
- Die Titel Nummer Vier und Fünf thematisieren die weltbekannten Strände Copacabana und Ipanema.
- Das sechste Stück, Gávea, ist dem gleichnamigen Stadtteil im Süden Rios gewidmet.
- Der Titel Corocovado ist nach dem Berg dieses Namens in Rio, auf dem das Wahrzeichen der Stadt, die mit Sockel 38 m hohe Christus-Statue Cristo Redentor steht, benannt.
- Die nächsten beiden Werke, Tijuca und Sumaré, behandeln den Wald Tijuca (heute ist die Gegend besiedelt) im Norden Rios und den nahegelegenen Gipfel Alto do Sumaré.
- Im 10. Titel steigt man über die Paineiras genannten Hänge in den im 11. Titel charakterisierten Stadtteil Laranjeiras hinab.
- Das Gesamtwerk schließt ab mit dem Titel Paysandú in der Rua Paysandú im Stadtteil Flamengo, in der sich die französische Botschaft (Rua Paysandú No. 12) befindet. [3]
2.2 Dissonanzreibungen
An vielen Stellen des Werkes treten Dissonanzreibungen aus großen und sogar kleinen Sekunden auf, welche typisch für die Musik des 20. Jahrhunderts sind, und die noch um 1900 als musikalisch undenkbar und verpönt galten.So ist im Titel Copacobana schon in den ersten fünf Takten fünf mal das extrem dissonante und spannungsreiche Intervall der kleinen Sekunde auf rhythmischen Taktschwerpunkten anzutreffen. Dazu kommt noch das aus den Tönen d und e bestehende Intervall der großen Sekunde in Takt zwei. In Takt zwei treten innerhalb des kurzen Zeitwertes einer Viertelnote zum kleinen Sekundintervall aus c und cis im kurzen 16-tel-Abstand die Noten dis, d und e, sowie zu Anfang des Taktes drei die Töne f und fis hinzu. Dadurch ergibt sich die Klangwirkung eines aus den Halbtönen c, cis, d, dis, e, f und fis bestehenden Clusters. Ein aus drei Halbtönen (c, cis und d) bestehender Clustertritt dann auch auf dem zweiten Viertel von Takt vier auf. Extrem dissonant wirken dann die "Akkorde" in Takt 44 und 45 mit doppelten kleinen Sekunden (c und g und des und ges in der anderen Hand)
Auch im Titel Botafago sind viele Sekundreibungen zu konstatieren. Zu Beginn des vierten Taktes treffen unerwartet die Töne g und fis hart aufeinander, und in Takt sechs kollidieren ein b und h auf dem zweiten Viertel.
2.3 Polytonalität
Bi- bzw. Polytonalität bestimmt viele Stücke der Saudades do Brasil. Dabei ist nicht immer eine klare Bi- bzw. Polytonalität im Sinne der Etablierung zweier tonaler Zentren festzustellen. So laufen die ersten Takte des fünften Titels mit dem Namen Ipanema vornehmlich über die abwechselnd sich in der linken und rechten Hand gegenüberstehenden, im Quintenzirkel weit entfernten Akkorde F-Dur und Es-Moll, ohne das jede Hand für sich ein wirkliches tonales Zentrum im Sinne echter Bitonalität etabliert. Ab Takt 35 ff. werden dann allerdings mit Ges-Dur in der linken und C-Dur in der rechten Hand wirklich unterschiedliche bitonale Zentren errichtet. [4]3 Einzelnachweise
- ↑ Darius Milhaud und Maurice Hinson: Saudades do Brazil, Alfred Music, S. 3
- ↑ Darius Milhaud: Noten ohne Musik - Eine Autobiographie, Verlag Prestel, 1962, S. 62
- ↑ Tobias Faßhauer: Milhaud: Saudades do Brasil
- ↑ Richard Taruskin: Music in the early twentienth century, Oxford University Press, 2005, S. 582
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