Hämolytisch urämisches Syndrom

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Klassifikation nach ICD-10
D59.3 Hämolytisch-urämisches Syndrom
ICD-10-GM Version 2020

Das hämolytisch-urämische Syndrom (Abkürzung HUS), auch Gasser-Syndrom, ist ein seltenes Syndrom, das hauptsächlich Kleinkinder und Säuglinge betrifft. Dabei werden durch verschiedene Ursachen, meist Bakteriengifte, Blutzellen zerstört und die Nierenfunktion geschädigt. Es gibt komplette und inkomplette Formen:

Nach Infektionsschutzgesetz ist das Syndrom meldepflichtig.

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1 Ursachen

Der häufigste krankmachende Faktor ist Vero-Toxin, ein bakterielles Gift (Toxin), das vorwiegend von enterohämorrhagischen E. coli (kurz EHEC), aber auch von anderen darmschädigenden (enteropathogenen) Keimen gebildet wird. Keimreservoir sind meist Rinder.

Nicht-infektiöse Ursachen sind relativ selten. In Frage kommen z. B. Medikamente (Ticlopidin, Clopidogrel, Chinin, Mitomycin C, Ciclosporin A, Pentostatin u. a.) oder die Schwangerschaftskomplikation HELLP-Syndrom sowie das familiäre HUS mit Komplementaktivierung (Faktor-H-Störung).

2 Pathophysiologie

Beim HUS entsteht durch unterschiedliche Ursachen eine Schädigung der inneren Gefäßwand (Endothelschädigung). In den Arteriolen der Nieren kommt es zu einem Verbrauch von Gerinnungsfaktoren, woraus eine übermäßige Blutungsneigung resultiert (Disseminierte intravasale Gerinnung). Im Darm bewirkt diese Blutungsneigung blutigen Durchfall. Damit einher gehen eine mikroangiopathische hämolytische Anämie mit Auftreten sogenannter Fragmentozyten im Blut, ein Blutplättchenmangel (Thrombozytopenie) und ein akutes Nierenversagen mit einem erhöhten Spiegel an harnpflichtigen Substanzen im Blut (Urämie).

Im Frühstadium stehen histologisch Mikrothromben im Vordergrund. Im fortgeschrittenen Stadium der thrombotischen Mikroangiopathie finden sich arterioläre und glomeruläre Sklerosen, eine stenosierende Fibroelastose in Interlobulararterien sowie eine Tubulusatrophie und interstitielle Fibrose.

Bei vergleichbaren mikroangiopathischen Erkrankungen - insbesondere der Präeklampsie - wird eine Beteiligung von sog. Neutrophil extracellular traps diskutiert. Dies sind aus zersetzten Neutrophilen Granulozyten hervorgebrachte DNA-Knäuel, welche z.B. Bakterien umschlingen sollen. Sie lassen sich therapeutisch mit einem Bakterienferment, der DNase/Streptodornase/Deoxyribunuclease/Dornase, auflösen. (Das Medikament ist als Inhalativum bei der Zystischen Fibrose etabliert). Es ist heute absolut keine Evidenz diesbezüglich beim HUS publiziert, wenngleich es als add-on Therapieansatz beurteilt werden muß. [1][2][3][4]

3 Klinik

Drei bis zehn Tage nach einer blutigen (hämorrhagischen) Gastroenteritis mit Erbrechen, Bauchkrämpfen und blutigen Durchfällen oder nach einer Atemwegsinfektion durch Pneumokokken kommt es zu zunehmender Blässe und zum Rückgang bzw. Sistieren der Urinproduktion. Eintrübung oder Krampfanfälle zeigen eine Beteiligung des Gehirns auf, die prognostisch ungünstig ist. Diese können aber bei hohen Harnstoffspiegeln und Elektrolytentgleisungen auch Folge der Urämie sein und bilden sich dann unter der Dialysebehandlung rasch zurück. Ein schwerer Bluthochdruck ist ebenfalls prognostisch ungünstig, bei Erkrankung im Säuglingsalter jedoch selten.

4 Diagnostik

4.1 Blut

Neben der Anämie (Verlust roter Blutkörperchen) finden sich als Zeichen der Hämolyse (Zerstörung roter Blutkörperchen) im Serum freies Hämoglobin (Blutfarbstoff), ein verminderter Spiegel vom Haptoglobin und erhöhte LDH-Werte. Charakteristisch sind zerstörte, eierschalenförmige rote Blutkörperchen (Fragmentozyten) und eine oft erhebliche Thrombozytopenie (Blutplättchenmangel). Häufig besteht eine Leukozytose (Vermehrung weißer Blutkörperchen).

Je nach Ausmaß der Nierenschädigung finden sich erhöhte Kreatinin- und Harnstoffwerte im Blut, eine Hypokalzämie (Kalziummangel) und Hyperphosphatämie (Phosphatüberschuss) und bereits im Frühstadium der Erkrankung eine ausgeprägte Hyperkaliämie (Kaliumüberschuss) infolge der Hämolyse.

4.2 Urin

Die Urinanalyse zeigt eine Hämaturie (Blut im Urin; je nach Schweregrad Mikro- oder Makrohämaturie), Hämoglobinurie (roter Blutfarbstoff im Urin) und Proteinurie (Eiweis im Urin).

5 Therapie

Die Therapie erfolgt symptomatisch. Bei Hypovolämie und mäßiger Niereninsuffizienz kann durch Infusionstherapie und Gabe des Diuretikums (harntreibendes Medikament) Furosemid die Urinproduktion evtl. wieder in Gang gebracht werden. Bei Versagen dieser Therapie sollte frühzeitig eine Dialysebehandlung begonnen werden. Bluttransfusionen sollten nur bei vitaler Indikation gegeben werden, da sie den Krankheitsprozess reaktivieren können und außerdem eine starke Kaliumbelastung darstellen. Bei prognostisch ungünstigen Fällen und bei TTP kommt eine Plasmapherese (Blutplasmaaustausch bei Beibehaltung der Blutkörperchen) in Betracht.

Bei einer EHEC-Infektion werden keine Antibiotika verabreicht, da diese nicht gegen das Bakteriengift wirken, andererseits aber Hinweise bestehen, dass unter Behandlung mit Antibiotika die Entwicklung eines HUS, wahrscheinlich aufgrund verstärkter Toxinfreisetzung, gefördert werden kann.[5][6] Auch werden keine Medikamente gegen Durchfall (Antidiarrhoika) wie zum Beispiel Loperamid verwendet, um die Ausscheidung der krankheitsauslösenden Erreger nicht zu verzögern.

6 Prognose

Im Säuglingsalter ist die Prognose gut, meist kommt es auch nach länger anhaltender Anurie zu einer vollständigen Genesung. Bei einem Teil der Fälle kann jedoch noch nach Jahren trotz anfänglicher Normalisierung der Nierenfunktion eine Niereninsuffizienz auftreten. Das Mortalitätsrisiko der akuten Phase konnte durch frühzeitige Dialyse auf unter 5 % gesenkt werden. Bei sehr hohem Bluthochdruck (maligne arterielle Hypertonie) entwickelt sich oft rasch eine terminale Niereninsuffizienz, welche eine dauerhafte Dialyse oder eine Nierentransplantation erforderlich macht.

7 Prophylaxe

Der Genuss von rohem Rindfleisch und unpasteurisierter Milch sollte vermieden werden.

8 Gehäuftes Auftreten

Im Mai 2011 kam es in Deutschland nach Infektionen mit EHEC-Bakterien zu gehäuftem Auftreten des HUS; bis zum 27. Mai wurden dem Robert Koch-Institut 276 HUS-Fälle, darunter 2 Todesfälle, gemeldet. Auffällig im Gegensatz zu früheren Ausbrüchen war die Tatsache, dass hauptsächlich Erwachsene, vor allem Frauen, betroffen waren. Auch die große Zahl der schweren Krankheitsverläufe in kurzer Zeit war ungewöhnlich.[7]

9 Literatur

  • Friedrich Carl Sitzmann: Pädiatrie. 300 Tabellen. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Thieme, Stuttgart 2007, ISBN 3-13-125333-9, (Duale Reihe), (Das duale Lehrbuch).
  • Gerd Herold und Mitarbeiter: Innere Medizin. Eine vorlesungsorientierte Darstellung unter Berücksichtigung des Gegenstandskataloges für die ärztliche Prüfung. Mit ICD 10-Schlüssel im Text und Stichwortverzeichnis . Selbstverlag, Köln 2007.
  • W. Böcker, H. Denk, Ph. U. Heitz (Hrsg.): Pathologie. 3. völlig überarbeitete Auflage. Urban & Fischer, München u. a. 2004, ISBN 3-437-42381-9.
  • S. Razzaq: Hemolytic uremic syndrome. An emerging health risk. Am Fam Physician. 2006 Sep 15;74(6):991-6. Review. PMID 17002034
  • M. Noris, G. Remuzzi: Hemolytic uremic syndrome. J Am Soc Nephrol. 2005 Apr;16(4):1035-50. Review. PMID 15728781

10 Einzelnachweise

  1. Activated endothelial cells induce neutrophil extracellular traps and are susceptible to NETosis-mediated cell death. FEBS Lett 584(14):3193-7 (2010) PMID 20541553
  2. Induction of neutrophil extracellular DNA lattices by placental microparticles and IL-8 and their presence in preeclampsia. Hum Immunol 66(11):1146-54 (2005) PMID 16571415
  3. Neutrophil NETs: a novel contributor to preeclampsia-associated placental hypoxia? Semin Immunopathol 29(2):163-7 (2007) PMID 17621701
  4. Disturbances in placental immunology: ready for therapeutic interventions? Springer Semin Immunopathol 27(4):477-93 (2006) PMID 16738957
  5.  Franz Daschner, Uwe Frank: Antibiotika am Krankenbett, S.140. Springer, Berlin, Heidelberg 2004, ISBN 9783540408468. Online: Fehler im Ausdruck: Nicht erkanntes Satzzeichen „{“#v=onepage eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche{{#invoke:TemplatePar|check |all= |opt= Suchbegriff= BuchID= Seite= Band= SeitenID= Hervorhebung= Linktext= Land= KeinText= |cat= Wikipedia:Vorlagenfehler/Vorlage:Google Buch |template= Vorlage:Google Buch |format= }}
  6.  Dieter Adam: Die Infektiologie, S. 1032 f.. Springer, Berlin, Heidelberg 2003, ISBN 9783540000754. Online: Fehler im Ausdruck: Nicht erkanntes Satzzeichen „{“#v=onepage eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche{{#invoke:TemplatePar|check |all= |opt= Suchbegriff= BuchID= Seite= Band= SeitenID= Hervorhebung= Linktext= Land= KeinText= |cat= Wikipedia:Vorlagenfehler/Vorlage:Google Buch |template= Vorlage:Google Buch |format= }}
  7. Robert Koch-Institut. Informationen zum EHEC/HUS-Ausbruchsgeschehen (HTML). Abgerufen am 27. Mai 2011.

11 Freie Übersichtsartikel

[1][2][3][4][5][6][7][8][9][10][11][12][13][14][15][16][17]

12 Bibliographie

  1. Complement factor H and the hemolytic uremic syndrome. J Exp Med 204(6):1245-8 (2007) PMID 17548524
  2. Heterogeneity of atypical haemolytic uraemic syndromes. Arch Dis Child 76(6):518-21 (1997) PMID 9245850
  3. Sequelae of haemolytic uraemic syndrome. Arch Dis Child 67(7):930-4 (1992) PMID 1519959
  4. New insights into the haemolytic uraemic syndromes. Arch Dis Child 65(7):713-5 (1990) PMID 2201260
  5. Hemolytic-uremic syndrome. Can Med Assoc J 117(11):1246-7 (1977) PMID 562706
  6. Outcome of renal transplantation in patients with non-Shiga toxin-associated hemolytic uremic syndrome: prognostic significance of genetic background. Clin J Am Soc Nephrol 1(1):88-99 (2006) PMID 17699195
  7. Hemolytic uremic syndrome. J Am Soc Nephrol 16(4):1035-50 (2005) PMID 15728781
  8. Role of the coagulation/fibrinolysis system in fibrin-associated glomerular injury. J Am Soc Nephrol 15(4):844-53 (2004) PMID 15034086
  9. The pathogenesis and treatment of hemolytic uremic syndrome. J Am Soc Nephrol 9(6):1126-33 (1998) PMID 9621299
  10. Bilateral renal corticol necrosis associated with calcification: report of a case and a review of aetiology. J Clin Pathol 15():31-5 (1962) PMID 14486248
  11. Long-term renal prognosis of diarrhea-associated hemolytic uremic syndrome: a systematic review, meta-analysis, and meta-regression. JAMA 290(10):1360-70 (2003) PMID 12966129
  12. The molecular biology of thrombotic microangiopathy. Kidney Int 70(1):16-23 (2006) PMID 16760911
  13. Shiga toxin-induced tubular injury in hemolytic uremic syndrome. Kidney Int 54(2):648-9 (1998) PMID 9690234
  14. Specialty conference: Hemolytic-uremic syndrome. West J Med 123(6):459-66 (1975) PMID 1199101
  15. Epidemic hemolytic-uremic syndrome in children. Kidney Int 52(6):1708-19 (1997) PMID 9407523
  16. The hemolytic uremic syndrome. Kidney Int 48(1):2-19 (1995) PMID 7564079
  17. HUS and TTP: variable expression of a single entity. Kidney Int 32(2):292-308 (1987) PMID 3309432

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