Diskurs

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Der Begriff Diskurs (von lateinisch discursus umherlaufen) wurde ursprünglich in der Bedeutung „erörternder Vortrag“ oder „hin und her gehendes Gespräch“ verwendet. Diskurs ist manchmal auch Synonym für ein Gespräch oder eine Diskussion; er unterscheidet sich von diesen aber darin, dass er auch ohne Gesprächsteilnehmer oder unabhängig von diesen vollzogen werden kann. Historische Beispiele sind der Diskurs über die Methode (Originaltitel Discours de la méthode) von Descartes oder Machiavellis Abhandlungen über die ersten zehn Bücher des Titus Livius (meist nur kurz Discorsi genannt. Seit den 1960er Jahren wird der Begriff zunehmend in Theoriediskussionen verwendet.

Einige Kritiker bezeichnen den Begriff als „hochgestochenes Wort“ und seine Verwendung als „Geschwätz, das bestimmte Tatsachen von vornherein als politisch unkorrekt ausklammert.“[1][2] Dennoch wird der Begriff oft von denselben Kritikern auch selbst verwendet, wie folgende Zitate zeigen:

  • «Ein wesentlicher Teilbereich der ideologischen Herrschafts­ausübung ist die Begriffs­hoheit und damit die Regelung der öffentlichen Sprache in Verbindung mit der Vergabe von Teilnahme­rechten und Zugangschancen in Bezug auf den öffentlichen Diskurs. ... Das Anheften von Etiketten ohne rational überzeugende Begründung ist untrennbarer Bestandteil von Diskurs­herrschaft - auch in nicht­totalitären Herrschafts­systemen wie dem post­demokratischen Kapitalismus. "Politische Korrektheit" im Allgemeinen ist demnach sprachlich domestizierte und öffentlich ausgedrückte Herrschafts­konformität via Diskurs­anpassung.»[3]
  • «Die (extreme) Linke war schon immer Meister im Besetzen der Begriffe und damit der Köpfe - beginnend mit Marx und Lenin. (...) Es ist ihnen gelungen, den eigenen politischen Standpunkt und Willen als den allein "demokratischen" auszugeben und die Gegner mit den Begriffs-Keulen "Faschismus", "Rassismus", "Fremden­feindlichkeit" etc. zu belegen und damit a priori aus dem politischen Diskurs auszuschalten.»[4]
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1 Praktische Diskurse

Die Themen von praxisbezogenen Diskursen betreffen nahezu alle Gebiete der Ethik. Schwerpunkte sind Fragen der Medizinethik, der Wirtschaftsethik, der Umweltethik, der Euthanasie, der Genetik, Fragen, wie soziale Gerechtigkeit zu bestimmen ist, wie Generationengerechtigkeit oder ein interkultureller Dialog angemessen hergestellt werden können. Praktische Diskurse sind oft auf einen bestimmten Erkenntnisstand oder eine gesellschaftliche Situation bezogen, die vorgebrachten Argumente können sich im Laufe der Zeit ändern, die Ergebnisse müssen deshalb offen für Revisionen bleiben. Als Verfahrensethik kann die Diskursethik zu diesen Themen keinen inhaltlichen Beitrag leisten. Sie kann nur Stellung nehmen, ob der Diskurs so geführt wird, dass er dem Ideal einer freien, rationalen Argumentationsgemeinschaft möglichst nahekommt, und was möglicherweise getan werden kann, die Diskursbedingungen zu verbessern.

„Der weiteste Rahmen für die Diskursethik, verstanden als kritische Theorie der Ethik in der Gesellschaft, ist vielleicht durch die Aufgabe bezeichnet, eine normative Theorie derjenigen sozialen Rationalität zu entwickeln, die ‚für einen rationalen Diskurs über Ordnungen des menschlichen Zusammenlebens‘ (Rainer Lepsius) maßgeblich sind.“[5] Philosophen ist es nicht untersagt, an praktischen Diskursen teilzunehmen. Dies geschieht auf vielfältige Weise. Und dies haben auch Apel und Habermas immer wieder getan. Es gilt nur zu kennzeichnen und deutlich zu machen, dass ihre Stellungnahmen zur Lebenspraxis ein Teil des Diskurses sind und nicht Bestandteil der übergeordneten Verfahrensethik.

Ein typisches Beispiel für einen praktischen Diskurs ist die Wirtschaftsethik, in der die Theoretiker darüber streiten, auf welche Art und Weise ethische Maßstäbe in der Sphäre der Wirtschaft wirksam werden sollen.[6] Das Spektrum reicht von Karl Homann, der dafür plädiert, der Wirtschaft einen politischen Rahmen zu setzen und im Weiteren den wirtschaftenden Subjekten zuzugestehen, dass sie sich innerhalb dieses Rahmens nach dem Prinzip der Rationalität bewegen dürfen, bis zu Peter Ulrich, der in seiner integrativen Wirtschaftsethik für jedes wirtschaftliche Handeln die Berücksichtigung ethischer Maßstäbe fordert und versucht, dies diskursethisch zu begründen.

2 Literatur

  • Karl-Otto Apel: Diskurs und Verantwortung. Das Problem des Übergangs zur postkonventionellen Moral. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1988.

3 Siehe auch

4 Weblinks

5 Andere Lexika





6 Einzelnachweise

  1. Josef Joffe, Dirk Maxeiner, Michael Miersch, Henryk M. Broder: Schöner Denken. Wie man politisch unkorrekt ist. Piper Verlag 2008, ISBN 3-492-2536-4, S. 51-52
  2. Volkmar Weiss: Der Totalitätsanspruch der Gleichheitsideologie in der Wikipedia: Der exemplarische Fall Andreas Kemper alias Schwarze Feder, online 22. Mai 2009, Zuletzt bearbeitet: 5. März 2011
  3. Hartmut Krauss über Political correctness, postmodernen Feminismus und die die Errichtung wahrheits­widriger Tabuzonen. Teil 1, Heise/Telepolis am 7. April 2012
  4. Klaus Hornung: Begriffshoheit, Kolumne in Junge Freiheit am 13. Oktober 2000
  5. Matthias Kettner: Über einige Dilemmata angewandter Ethik. In: Karl-Otto Apel, Matthias Kettner (Hrsg.): Zur Anwendung der Diskursethik in Politik, Recht und Wissenschaft. Suhrkamp, Frankfurt 1992, S. 9–28, 20.
  6. Matthias König: Das Drei-Schritt-Modell der Unternehmensethik am Beispiel der Diskursethik. (Archivversion vom 13. April 2013) (PDF; 185 kB)In: zfwu, 2/2 (2001), S. 155–180.

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