Burnout-Syndrom bei Kindern

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Klassifikation nach ICD-10
F93.9 Sonstige emotionale Störung des Kindesalters
ICD-10-GM Version 2020

Das Burnout-Syndrom bei Kindern (engl. ausgebrannt sein) ist ein nichtanerkanntes psychologisches Syndrom. Es soll laut Medienberichten zeigen, dass Probleme bei der Anpassung an belastende Lebensumstände nicht nur bei Erwachsenen auftreten. Das Phänomen des Burnout-Syndroms stellt aufgrund seiner Schlüsselrolle zwischen Gesundheit und Krankheit ein ernstzunehmendes Stress-Syndrom dar. Der Begriff Burnout stellt noch keine Krankheitsdiagnose an sich dar, aber er enthält eine klinische Komponente mit einer Reihe pathologischer Symptome, die sich in einer psychosomatischen Erkrankung oder psychischen Störung manifestieren können. Schwere Verläufe mit starker sozialer Desintegration können zu einem Pervasive Refusal-Syndrom (PRS – Verweigerungssyndrom) führen.

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1 Ursachen

Pathogene Lebensumstände können das Auftreten eines Burnout-Syndroms bewirken. Auch leistungsfähige Kinder in geordneten Verhältnissen können betroffen sein. Burnout entsteht durch eine Wechselwirkung sozial desintegrativer Faktoren, welche zu Resignation und Verminderung der Leistungsfähigkeit führen. Durch wiederholte Misserfolgserlebnisse bei Anstrengungen sinkt die Motivation, was zu einem Burnout führen kann. Kinder und Jugendliche finden solche ungünstigen Lebensbedingungen vor allem in der Schule. Häufig kommen zusätzlich Konflikte mit Gleichaltrigen, Mobbingsituationen oder familiäre Belastungen hinzu.

2 Begriffsabgrenzungen

Der inflationäre Gebrauch des Begriffs Burnout ist auf die populärwissenschaftlichen Medien zurückzuführen.[1][2][3] Durch die Vielzahl an „pseudowissenschaftlichen“, mehr auf dramatische Effekte ausgelegten Veröffentlichungen wurde die Akzeptanz des Phänomens sowie dessen wissenschaftliche Erforschung erschwert.[4]

Burnout ist eine phänomenologische Beschreibung einer psychischen Dysfunktion. Der Begriff Burnout ist sehr eng mit der sozialen Funktion des Individuums verwoben, denn es ist das Kernmerkmal des Burnouts, dass die zugewiesene soziale Funktion nicht mehr erfüllt werden kann. Der Begriff bezeichnet im öffentlichen und medialen Diskurs eine durch Umstände erklärbare Störung, welche nicht direkt mit den Begriffen Störung oder Krankheit im Zusammenhang steht. Der aus dem medialen Diskurs und dem Bereich der Arbeitsmedizin stammende Burnout-Begriff findet nun immer mehr in der allgemeinen medizinischen, psychiatrischen und psychologischen Nomenklatur Verwendung, womit vor allem das Bedürfnis der Gesellschaft, einen modernen, politisch korrekten Begriff als Ersatz für den stigmatisierten Begriff psychische Störungen zu finden, befriedigt wird. Burnout kann als Oberbegriff verschiedene psychiatrische Diagnosen beinhalten: So kann eine Depression ebenso einem Burnout entsprechen, wie eine Angststörung oder andere Störungsbilder. Burnout bei Kindern und Jugendlichen hängt vor allem mit den gesellschaftlichen Bildungsanforderungen und -bedingungen zusammen.

3 Untersuchungsmethoden

Eine psychiatrische Untersuchung durch einen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, mit körperlicher Untersuchung, ausführlicher Anamnese und Funktionsanalyse können durch psychometrische Verfahren ergänzt werden. Idealerweise erfolgt eine interdisziplinäre Befunddiskussion, bevor die deskriptive Diagnose Burnout bei Kindern und Jugendlichen gestellt wird. Zur Abschätzung einer möglichen Leistungsüberforderung ist die testpsychologische Ermittlung des kognitiven Leistungsvermögens und des Standes der schulischen Fertigkeiten unerlässlich. Selbstauskunfts-Testverfahren wie YSR, Harter-Skalen, PHOKI, Hamster-Test, Rosenzweig-Test und andere können Aufschluss über die Ausprägung der Burnout-Störung geben oder ein Burnout ausschliessen, zum Beispiel wenn körperliche oder anlagebedingte, konstitutionelle Faktoren im Vordergrund stehen. Bisher existieren weder eine verbindliche Definition noch ein valides, allgemeingültiges differenzialdiagnostisches Instrument für das Burnout-Syndrom. Die Symptomatik lässt sich den Dimensionen emotionale Erschöpfung, Depersonalisation und reduzierte Leistungsbereitschaft beziehungsweise -fähigkeit zuordnen. Vorliegende Studien zur Epidemiologie und Differenzialdiagnostik sind überwiegend von geringer Evidenz. Kontrollierte Therapiestudien fehlen.[5] Das Maslach Burnout Inventory (MBI) wurde 1981 von Christina Maslach und Susan E. Jackson entwickelt und ist das bis heute gängigste Messinstrument zur Erfassung des Burnout-Syndroms.[6]

4 Behandlung

Burnout kann mit multimodaler Kindertherapie in einem interdisziplinären kinderpsychologischen Zentrum behandelt werden. Dabei werden die verschiedenen therapeutischen Ansätze miteinander kombiniert, um das Kind wieder belastungsfähiger werden zu lassen oder um es zu befähigen, sich besser vor Überlastungen zu schützen. Verschiedene psychotherapeutische Methoden werden dabei gleichzeitig angewandt. Günstig sind Verknüpungen einzeltherapeutischer Module mit gruppentherapeutischen Modulen, weil Kinder und Jugendliche vor allem durch die Resonanz Gleichaltriger Kraft schöpfen. Wenn das rein psychotherapeutische Hilfsangebot nicht ausreichend schnell zur Verbesserung der sozialen Funktion führt, können zusätzlich auch Psychopharmaka angezeigt sein. Wirkstoffgruppen wie Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder andere Antidepressiva können innerhalb einiger Wochen die Funktion stabilisieren und die Wirkung psychotherapeutischer Prozesse beschleunigen. Es ist systematische Therapieforschung zu leisten, die zu evidenzbasierten Bewertungen einzelner Therapieverfahren und deren Effektstärken führt.[5] Mehrere Studien belegen eine Wirksamkeit für die kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Für andere Therapien wie Musiktherapie, Physiotherapie oder Stressmanagement fehlen jedoch eindeutige Belege.[7]

5 Nomenklatur der klinischen Erscheinungsformen

Der Begriff Burnout bei Kindern ist nicht als ICD-10 Diagnose definiert. Bei entsprechender Diagnose werden die verschiedenen Erkrankungen, die unter dem eher populären Begriff Burnout verwendet werden folgenden ICD-Schlüsseln zugeordnet:

  • F32.1 Mittelgradige depressive Episode
  • F93.- Emotionale Störungen des Kindesalters
  • F44.2 Dissoziativer Stupor
  • F90.8 Sonstige hyperkinetische Störungen
  • F44.82 Transistorische dissoziative Störungen [Konversionsstörungen] in Kindheit und Jugend
  • F45. Somatoforme Störungen
  • F40.1 Soziale Phobien
  • F93.9 Emotionale Störung des Kindesalters, nicht näher bezeichnet

6 Vorbeugung

Vorbeugung von Burnout bei Kindern erfordert vor allem ein gut organisiertes und durchdachtes Schulwesen. Nicht nur soziale Trainingsmaßnahmen und Anti-Mobbing-Aufklärung der Schüler, sondern vor allem strukturelle Veränderunegen, die den Bildungsbetrieb besser den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen anpassen, sind erforderlich. Klassen mit mehr als 20 Schülern sind nicht geeignet, um zeitgemässen Lernanforderungen gerecht zu werden. Regelmäßige fachkundige obligatorische externe Supervision der Lehrkräfte ist ein notwendiges Instrument, um die Lernbedingungen von Schülern verbessern zu können. Bei Leistungsproblemen sollte eine unmittelbare Schnelldiagnostik vor Ort und die umgehende Einleitung von geeigneten Fördermassnahmen und angemessenem Nachteilsausgleich erfolgen. Hier müssen Hürden, wie die Notwendigkeit schulexterne fachdiagnostische Dienste hinzuzuziehen, die einer schnellen Hilfe bei Überfoderung im Wege stehen, dringend abgebaut werden. Wettbewerb der Schulen untereinander um die besten Schüler sollte verhindert werden, weil dies zur Herausbildung von Verliererschulen führt, an denen die Strukturen zusammenbrechen und Anarchie herrscht. An solchen Schulen wird die Entwicklung von Burnout-Störungen bei Schülern befördert. Eine allgemeine, transparente und straff organisierte Qualitätskontrolle sollte für gleichmäßig gute Lernbedingungen an allen Schulen sorgen.

7 Geschichte und kulturelle Aspekte

Im deutschsprachigen Raum wurde der Begriff Burnout bis zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts nicht in der breiten medialen Öffentlichkeit verwandt, sondern vor allem in arbeitsmedizinischen Zusammenhängen. Über die Rehabilitationsmedizin und Allgemeinmedizin hielt der Begriff Burnout in den letzten Jahren immer mehr Einzug in den medizinischen Fachdiskurs und stellt nun eine neue umfassende Entität psychischer Störungen dar. Burnout kommt aus dem angelsächsischen Raum, wo der Begriff mittlerweile breit verwendet wird und eine nicht stigmatisierte Form zur Beschreibung psychischer Störungen darstellt. Der zunächst im erwachsenenmedizinischen Bereich angesiedelte Begriff Burnout trifft auch auf Kinder und Jugendliche zu, denen damit eine Möglichkeit eröffnet wird, einen Namen für ihr Problem zu finden, wodurch sie ihre Problematik besser begreifen können.

8 Einzelnachweise

  1. SZ, Burnout bei Kindern
  2. Die Welt, Jugendliche leiden unter Burnout-Syndrom
  3. D-Radio, Burnout bei Kindern
  4. C. Cherniss, Professional Burnout: Theory to Practice. In: J.W. Jones (Ed.). The Burnout Syndrome. Current Research, Theory, Interventions (172-176). Park Ridge: London House Press
  5. 5,0 5,1 W. P. Kaschka, Korczak D, Broich K: Burnout—a fashionable diagnosis. (Modediagnose Burn-out) Dtsch Arztebl Int 2011; 108(46): 781–7. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0781
  6. Maslach, Christina und Susan E.Jackson. 1981. 'The Measurement of Experienced Burnout'. In: Journal of Occupational Behavior. 2: 99-113
  7. DIMDI, Burnout: HTA-Bericht bemängelt Therapieversorgung (2012) abgerufen am 20. Mai 2013
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