Ökonomie der Ökosysteme

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Die Ökonomie der Ökosysteme bezeichnet die theoretischen Ansätze zur wirtschaftlichen (ökonomischen) Bewertung von Ökosystemen. Die Leistungen dieser Systeme für den Menschen werden als Ökosystemdienstleistungen (Ecosystem Services)[1] bezeichnet. Der ökonomische Ansatz soll in die Diskussionen zur weltweiten Erhaltung der biologischen Vielfalt und in die politischen Verhandlungen zur Durchsetzung entsprechender Ziele einfließen.

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1 Theorie

Die Theorie geht von der Annahme aus, dass der Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt gesamtwirtschaftlich und unternehmerisch sinnvoll sind.[Anmerkung 1] Dies wird um so deutlicher, wenn man in Rechnung stellt, dass gemäß der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen (FAO) davon auszugehen ist, dass rund 40% der Weltwirtschaft direkt von biologischen Ressourcen abhängig sind.[2] Die Wirtschaft ist auf die biologische Vielfalt (Biodiversität) und verschiedenste Ökosystemdienstleistungen – u.a. Nahrungsmittel, Brenn- und Rohstoffe, Wasser und Vorbilder für innovative Technologien – angewiesen; in der jüngsten Vergangenheit hat sie jedoch durch Übernutzung und Zerstörung von Arten und Lebensräumen erheblich zum Biodiversitätsverlust beigetragen.[3] Die Risiken, die vom Biodiversitätsverlust herrühren, umfassen Ressourcenknappheit und Instabilitäten der Biosphäre; zu letzterem gehören etwa solche Phänomene wie Bodenerosion oder auch Schädlingsbefall.

Vor diesem Hintergrund ist das Thema Biodiversität im Rahmen von Umwelt- und Naturschutz-Bestrebungen seit längerem Gegenstand politischer Anstrengungen geworden. [Anmerkung 2]. Eine zentrale Rolle nimmt dabei das internationale „Übereinkommen über die biologische Vielfalt“ (engl. ‚Convention on biological diversity‘, CBD) ein, welches 1992 im Rahmen der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung verabschiedet wurde. Die Vertragsstaaten der Konvention forderten zuerst bei ihrer 8. Konferenz 2006 in Brasilien in einem Beschluss, die Wirtschaft stärker in die Zielerreichung der Konvention einzubinden. Als Gastgeber der 9. Vertragsstaatenkonferenz 2008 rief Deutschland daraufhin eine Business and Biodiversity Initiative mit dem Namen ‚Biodiversity in Good Company‘ ins Leben, die den Anstoß zu praktischer Auseinandersetzung der Wirtschaft mit dem Thema Biodiversität geben sollte.

Aufgrund der These dass Umwelt- und Naturschutz durch die Wirtschaft nur dann erfolgreich sein kann, wenn die Anstrengungen auf gesicherten ökonomischen Erkenntnissen beruhen und ökonomisch sinnvoll sind, gaben die G8+5 Staaten jüngst eine Studie in Auftrag, die Biodiversität ökonomisch in-Wert-setzen sollte.

2 Die Studie "The Economics of Ecosystems and Biodiversity"

"The Economics of Ecosystems and Biodiversity" (TEEB) [4] ist eine Studie der Biodiversitätskonvention, welche einen Überblick über bestehende Ansätze zur ökonomischen Bewertung von biologischer Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen aufzeigt. [5] Ziel der Ausarbeitung war es, den ökonomischen Wert der Dienstleistung von Ökosystemen und der Biodiversität erfassbar zu machen, mit dem Ziel diese effektiver vor Zerstörung und Raubbau zu schützen.

Laut TEEB versorgen die rund 100.000 Schutzgebiete der Erde die Menschen mit Ökosystemdienstleistungen im Wert von 4,4 bis 5,2 Milliarden US-Dollar pro Jahr. [5] Diese Summe übertrifft die Umsätze des weltweiten Automobilsektors, Stahlsektors und IT-Dienstleistungssektors. In dem Bericht wird ein Rechenmodell aufgestellt, nach welchem die Investitionen abgeschätzt werden, die notwendig sind, um die Leistungen der Natur eines "idealen" weltweiten Schutzgebietsnetzes (mit 15 Prozent der terrestrischen Fläche und 30 Prozent der maritimen Fläche) umzusetzen. Diesen geschützten Systemen wird ein Wert von 5.000 Milliarden US-Dollar zugeschrieben. Jährlich seien etwa 45 Milliarden US-Dollar notwendig, um diese Systeme aufrecht zu erhalten; und damit ergäbe sich ein errechnetes Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1:100.

3 Einschätzung von Naturschutzorganisationen

Naturschützer fürchten, dass diese Theorie zu einer „Privatisierung“ des Biodiversitätsschutzes führt und dadurch sich staatliche Akteure aus ihrer politischen und finanziellen Verantwortung zurückziehen könnten. Dann würden marktwirtschaftliche Kriterien über die Schutzwürdigkeit von Natur entscheiden. Der BUND erklärte im August 2010: „Stand innerhalb der internationalen Schutzbemühungen der UNO-Biodiversitätskonvention (CBD) bisher die Generierung finanzieller Ressourcen durch fondsgestützte, staatliche Mittel für Schutzgebiete im Fokus der internationalen Aktivitäten, so verfolgt TEEB eine Finanzierung durch Marktmechanismen.“[6] Er sieht vor allem zwei Schwachpunkte und Risiken:

Das Konzept der „Dienstleistungen der Natur“ greife zu kurz, da zum einen vorrangig der funktionale Aspekt, der Natur als „Dienstleisterin“ der menschlichen Gesellschaft betont würde. Jedoch würden unter diesem Blickwinkel wichtige Aspekte der Natur entweder vernachlässigt oder sogar als ‚nutzlos‘ für den Menschen (und deshalb als nicht weiter schützenswert) eingestuft. Zum anderen sei aus Sicht des Naturschutzes und der biologischen Vielfalt eine Ausweitung begrenzter Schutzgebietkonzepte überfällig. Doch könne der Biodiversitätsschutz nicht durch eine reduktive Auffassung von Natur erreicht werden; vielmehr sei ein „Naturschutz in der Fläche“ das Gebot der Stunde.

NABU-Präsident Olaf Tschimpke befürwortete dagegen grundsätzlich die Bewertung von Ökosystemen: „Die Gratis-Dienstleistungen der Natur müssen sich endlich als Faktor in ökonomische Bilanzen wiederfinden. Die Erde darf nicht länger ein frei verfügbares Rohstofflager für die Konzerne dieser Welt sein“[7]

4 Perspektiven

In absehbarer Zeit in der Zukunft könnten unter Zuhilfenahme dieser Theorie die Modelle zur Berechnung von Technikfolgekosten, insbesondere von den Kosten technischer Prozesse für die Umwelt, verbessert werden. Darin würden dann jedoch nicht die monetären Werte der Ökosysteme an sich berechnet werden, sondern vielmehr die vom Menschen verursachte Schädigung der Ökosysteme in Geldbeträgen quantifiziert werden können. Dies wäre dann ein signifikanter Fortschritt für die Technikfolgenabschätzung, die dann nicht nur zu qualitativen, sondern auch zu quantitativen Aussagen befähigt werden würde.

5 Anmerkungen

  1. Siehe u.a. die Erklärung der Potsdam Initiative zur biologischen Vielfalt 2010 (PDF) der Umweltminister der G8-Staaten von 2007. Weitere Informationen zur Umweltpolitik der G8-Staaten unter http://www.bmu.de/int_umweltpolitik/g8/kurzinfo/doc/37893.php
  2. Das internationale "Übereinkommen über die biologische Vielfalt" wurde 1992 verabschiedet; und Vorbereitungen zum Übereinkommen begannen bereits in den 1980er Jahren.

6 Einzelnachweise

  1. Ecosystem Services and Economics, United Nations Environment Program (UNEP), Rubrik "Ecosystem Management" (Vorlage:ES)
  2. The future of agriculture depends on biodiversity. Food and Agriculture Organization of the United Nations, Oktober 2004 (in englischer Sprache), abgerufen am 18. August 2011.
  3. Bruno Streit: Was ist Biodiversität? Erforschung, Schutz und Wert biologischer Vielfalt. Verlag C.H. Beck, München 2007, S. 23f.
  4. Pavan Sukhdev et al.: The Economics of Ecosystems and Biodiversity (Die Ökonomie von Ökosystemen und Biodiversität): Die ökonomische Bedeutung der Natur in Entscheidungsprozesse integrieren. Übers. ins Deutsche v. Klaus Sticker; Redaktionelle Bearb. v. Burkhard Schweppe-Kraft et al. (Bundesamt f. Naturschutz u.a.) United Nations Environment Programme 2010 ("TEEB-Abschlussbericht", deutschsprachige Fassung) (PDF)
  5. 5,0 5,1 Studie "Die Ökonomie von Ökosystemen und der Biodiversität" Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Stand: August 2010 (Die TEEB-Studie besteht aus mehreren Teilen. Sämtliche Teile bis auf den TEEB-Abschlussbericht sind von dieser Website aus abrufbar.)
  6. Zur internationalen Diskussion um eine Ökonomie der Ökosysteme und der Biologischen Vielfalt – TEEB (The Economics of Ecosystems and Biodiversity) Positionspapier des BUND, Stand: August 2010 (PDF)
  7. Stabile Entwicklung trotz Wirtschaftskrise: Der NABU stellt seinen Jahresbericht 2009 vor Naturschutzbund Deutschland e.V., Rubrik "Naturschutz aktuell - NABU-Pressedienst", 10. August 2010

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