Rhizommetapher
Die Rhizommetapher stammt aus der Philosophie von Gilles Deleuze und Félix Guattari, entwickelt in den 1970er Jahren.
Der Begriff ist von der Bezeichnung für Wurzelgeflechte (Rhizome, von griechisch ῥίζωμα rhizoma ‚Wurzel‘ ) von Pflanzen abgeleitet. Bei Deleuze und Guattari dient er als Metapher für ein postmodernes beziehungsweise poststrukturalistisches Modell der Wissensorganisation und Weltbeschreibung. Diese Metapher ersetzt die ältere Darstellung durch eine Baum-Metapher. Das philosophische Konzept der Rhizomatik stieß auf großes Interesse in der Wissenschaftstheorie, der Medienphilosophie und den Kulturwissenschaften.
Inhaltsverzeichnis
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1 Rhizom und Baummodell
Die von Deleuze und Guattari vorgeschlagene, metaphorische Verwendung des botanischen Begriffs Rhizom charakterisiert zunächst ihre eigene Schreibweise, die Hierarchien ablehnt und nicht entsprechend der traditionellen Form des Baums des Wissens konzipiert ist. Der Wissensbaum ist ein Ordnungsmodell, das Hierarchien des Wissens und der Wissenschaften beschreibbar machen soll und dessen Tradition in die griechische Antike verweist. Baummodelle sind sowohl hierarchisch als auch dichotomisch orientiert, das heißt: Jedes Element befindet sich auf einer (und nur einer) Ordnungsebene, ist einer höheren Ebene untergeordnet und kann einem oder mehreren Elementen übergeordnet sein. Es gibt keine Querverbindungen, die Hierarchieebenen überspringen oder Elemente verbinden, die zwei unterschiedlichen höheren Elementen übergeordnet sind. Bereits Diderot und d'Alembert hatten in ihrem Discours préliminaire de l'Encyclopédie (1749) die Schwachstellen des Baummodells erkannt und versucht, diese dadurch zu korrigieren, dass Querverweise unter den Lemmata auf andere Beiträge und Wissensbereiche verwiesen.
Neben der Ersetzung der Metapher des Baum des Wissens durch die Metapher des Rhizoms für ihre eigene Schreibweise halten Deleuze und Guattari das Baum-Modell auch in einem allgemeineren Sinne für epistemologisch nicht mehr angemessen, weil es nicht offen ist für Veränderungsmöglichkeiten, die sich etwa in Paradigmenwechseln in der Forschungs- und Verstehensperspektive niederschlagen können. In hierarchisch strukturierten Ordnungsmodellen gibt es keine Kreuzungen oder Überschneidungen. Weder kann ein Element mehreren Ordnungsebenen angehören, noch sind Querverbindungen zu Elementen anderer „Äste“ erlaubt. Genau dies aber erscheint in der postmodernen Wissenswelt unbedingt notwendig. In politischer Hinsicht erachteten die Autoren das Baum-Modell auch für gesellschaftlich problematisch, da ihrer Ansicht nach Diktaturen auf analoge Weise ihre Unterdrückungsregimes gestalteten.
Als Ersatz für das Baum-Modell und wiederum in Abgrenzung zu einer weiteren Ordnungsmetapher, der des Netzes, ziehen Deleuze und Guattari rhizomatische Pflanzenstrukturen heran. Weitere Beispiele sind die Bauten von Ameisen und Ratten, die für sie gleichfalls als „Rhizome“ anzusehen sind. So bleiben die Autoren im Bereich botanischer Metaphorik, finden aber eine Metapher, die ihrer Vorstellung von einer vielfach verflochtenen Struktur entspricht:
2 Rezeption
Vor allem in der Philosophie der Postmoderne und der Medientheorie wird die „Rhizomatik“ diskutiert, weil der Begriff für viele Probleme der Orientierung innerhalb moderner Wissenswelten, die nicht nach dem Baummodell geordnet und kategorisiert werden können, einen Ansatzpunkt zu bieten scheint. Zwar können bestimmte Ordnungsstrukturen geschaffen werden, diese werden jedoch von internen Verknüpfungen und Verbindungslinien wieder untergraben.
Aus der Perspektive jeder wissenschaftlichen Disziplin sowie jeder neuen Herangehensweise bauen sich das System und die Ordnung des bestehenden Wissens in eigener Weise auf. „In einem Rhizom gibt es keine Punkte oder Positionen wie etwa in einer Struktur, einem Baum oder einer Wurzel. Es gibt nichts als Linien.“[1] Vielen modernen Medientheoretikern scheint die Metapher des Rhizoms daher geeignet, um Strukturen von Hypertexten, sozialen Netzwerken oder Computernetzen wie dem Internet zu beschreiben.
3 Literatur
- Gilles Deleuze, Félix Guattari: Rhizom. Aus dem Französischen übersetzt von Dagmar Berger. Merve Verlag, Berlin 1977, ISBN 3-920986-83-0.
- Gilles Deleuze, Félix Guattari: Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie. Merve, Berlin 1992, ISBN 3-88396-094-2 und ISBN 3-88396-087-X.
- Gilles Deleuze, Michel Foucault: Der Faden ist gerissen (Internationale marxistische Diskussion; 68). Merve, Berlin 1977, ISBN 3-920986-84-9.
- Gilles Deleuze, Arnauld Villani, Antonio Negri, Clemens-Carl Härle (Herausgeber): Karten zu Tausend Plateaus. Merve, Berlin 1993, ISBN 3-88396-100-0.
- Umberto Eco: Im Labyrinth der Vernunft. Texte über Kunst und Zeichen. Reclam, Leipzig 1989, ISBN 3-379-00452-9.
- Stefan Heyer: Deleuzes & Guattaris Kunstkonzept: ein Wegweiser durch tausend Plateaus. Passagen, Wien 2001, ISBN 3-85165-494-3.
- Frank Hartmann: Medienphilosophie. Wien 2000
- Kurt Röttgers: Rhizom. In: Lexikon der Raumphilosophie. Hg. v. Stephan Günzel. Darmstadt 2012, S. 344
4 Weblinks
5 Vergleich zu Wikipedia
6 Einzelnachweise
- ↑ DG 1977, S. 14
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