Negativismus (Psychiatrie)

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Negativismus ist eine von Karl Ludwig Kahlbaum 1884 geprägte, systematisierende Bezeichnung für ein Verhalten bei psychisch Kranken, die sich in der Untersuchungssituation ohne einen unmittelbar einleuchtenden Grund auf einen Außenreiz hin weigern, aktiv oder passiv in adäquater Weise zu reagieren. Oftmals wird gerade das Gegenteil von dem getan, wozu der Untersuchte aufgefordert wurde. Wird er dazu aufgefordert, die Augen weit zu öffnen, so schließt er sie gerade besonders fest.^[1] Es handelt sich demnach bei dem genannten Beispiel um eine Störung der sog. Reaktivbewegungen, nicht der Initiativbewegungen. Bei letzteren ergreift der Untersuchte selbst aktiv die Initiative zu einer Bewegung. Er führt z.B. seine Tasse aus eigener Initiative aktiv zum Mund. Beide Arten von Bewegung (Reaktiv- und Initiativbewegungen) können im Falle der Schizophrenie und besonders im Falle der Katatonie negativistisch beeinträchtigt sein. Im Falle der Katatonie ist ein Reagieren oft im letzten Moment - etwa beim Herausgehen aus der Tür - typisch. Anstelle der rein gegensätzlichen Bewegungen können auch ganz beliebige andere Handlungen ausgeführt werden (Parakinesen). Auch hier ist von Negativismus zu sprechen, da nicht adäquat entsprechend der Aufforderung gehandelt wird. Der Begriff des Negativismus ist hauptsächlich beschreibend, obwohl stillschweigend ein genaues Erkennen der Aufforderung beim Untersuchten vorausgesetzt wird, da sonst eine „gegenteilige Handlung“ auch nicht ausgeführt werden könnte.^[2]

1 Zur Systematik motorischer Symtomatik

Die psychopathologische Systematik besteht darin, dass es sich um eine Willensbekundung und nicht um eine Störung der Motilität i.e.S. handelt. Erst in einem zweiten Schritt des Verstehens kann versucht werden, die Ursachen der negativistischen Einstellung bzw. der Gegenmotivation zu ergründen. Die systematische Einteilung in Hyperkinesen („zu viel“), Akinesen („zu wenig“), und Parakinesen („anders“) erfolgte durch Carl Wernicke (1848-1905), der die psychiatrischen Erscheinungen der Motorik als neurologisch ausgelöst zu interpretieren versuchte, siehe die von ihm geprägte, heute eher widersprüchlich klingende Bezeichnung Motilitätspsychose. Sie ist jedoch durch das damals vorherrschende naturwisenschaftliche Verständnis psychischer Erkrankungen nachvollziehbar. - Die psychologische Deutung der motorischen negativistischen Symptome in Vorstellung und Gegenvorstellung hat Emil Kraepelin (1856-1926) abgegeben. Im Falle der Katatonie sprach er von Sperrung.^[2]

2 Einzelnachweise

↑ Peters, Uwe Henrik: Wörterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie. Urban & Schwarzenberg, München ³1984; Seite 366 fernladbaer Text der 6. Auflage, Elsevier-Verlag, München 2007
↑ ^2,0 ^2,1 Jaspers, Karl: Allgemeine Psychopathologie. Springer, Berlin ⁹1973, ISBN 3-540-03340-8, 1. Teil: Die Einzeltatbestände des Seelenlebens, 2. Kap.: Die objektiven Leistungen des Seelenlebens (Leistungspsychologie) 1. Abschnitt: Die einzelnen Leistungen § 4 Motorik, Seite 152 ff.; 4. Kap. Die sinnhaften objektiven Tatbestände. 1. Abschnitt Ausdruck der Seele in Leib und Bewegungen (Ausdruckspsychologie): a) Körperliche Begleiterscheinungen und Seelischer Ausdruck b) Das Verstehen des Ausdrucks, Seite 214 f.; 2. Teil: Die verständlichen Zusammenhänge (verstehende Psychologie), § 3 Grundformen der Verstehbarkeit, Seite 286.