Johann Wiese

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Johann Wiese (* Anfang März 1761 in Ketelsbüttel,[1] † 12. November 1796) war ein deutscher Mann in Dithmarschen, der Ende des 18. Jahrhunderts wegen Mordes verurteilt und hingerichtet wurde.

Pastor Dietrich Stein erzählt in einem Buch, gestützt von historischen Dokumenten verschiedener Schleswig-Holsteiner Archiven, in packender Weise das Leben des Ketelsbüttler Johann Wiese. Begonnen hat es mit dem Auffinden eines alten Andachtsbuches, geschrieben vom Meldorfer Probst Jacob Jochim. Ein christliches Andachts und Erbauungsbuch von 1788. Es wurde damals sehr gerne gelesen und war weit über Dithmarschen hinaus bekannt. Dietrich Stein fand dort eine Widmung: "Für Johann Wiese vomn Triencke Margaretha Jochims, in Liebe - Ketelsbüttel 1790".

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1 Kindheit und Jugend

Am 7. Oktober 1765 starb Johann Wieses Vater am "hitzigen" Fieber. Sechs Tage später wurde er auf dem Meldorfer Friedhof, direkt neben dem Meldorfer Dom, beigesetzt. Es war ein Armenbegräbnis, ganz ohne besondere Feierlichkeiten und Reden. Der Meldorfer Pastor Wilckens sprach am Grab ein gebet und segnte Johann Wiese, den Vater, aus.

Ab dem Frühjahr 1776 besuchte Johann mit anderen Mädchen und Jungen aus Ketelsbüttel und den umliegenden Dörfern den Konfirmandenunterricht bei Pastor Nicolaus von Ancken in Meldorf. Durch den Konfirmationsunterricht kam Johann öfter nach Meldorf als früher, wo er noch Kind war. Konfirmiert wurde Johann Wiese am 30. November 1776 in Meldorf.

2 Der Diebstahl

Zum ersten Male straffällig wurde Johann im Jahre 1783 als er auf dem Meldorfer Markt für seine Jugendliebe ein rotes Halstuch stahl.
Im Bürgergewahrsam, dem Meldorfer Ortsgefängniss, versuchte Johann sich aus Scham das Leben zu nehmen. Bei dem örtlichen Landvogt Heinrich Christian Boie, er nahm zugleich das Richteramt wahr, fand er Gehör und Gnade.
Boie verurteilte ihn zu offenem Arrest im Bürgergewahrsam und zwei Mark Brüche. Durch Vermittlung des Landvogt bekam Johann bei seinem Konfirmandenvater von Ancken Arbeit um seine Strafe zahlen zu können.
Nachdem er seine Strafe abgearbeitet hatte blieb Johann weiter als Hausknecht in den Diensten des Pastors.

3 Bei den Soldaten und die Heirat mit Trienke Jochims

Im Februar 1784 traf Johann auf Claus Bruuns, einen Musketier aus der Garnisonsstadt Rendsburg. Er lässt sich als Soldat von ihm in das Lollandsche Infantrieregiment anwerben. Ab Januar 1791 lässt sich Johann als Leneweber ausbilden. Am 5. Oktober 1793 waren die 8 Jahre Soldatenzeit vorrüber. Er kehrte nach Dithmarschen zurück, um dort an verschiedenen Stellen als Leineweber zu arbeiten.
1794 heiratete Johann seine Jugendliebe Trienke Jochims. Sie bezogen die kleine Kate von Trienkes Vater in Burg. Da Vater Jochims Schulden hatte und nicht mehr arbeiten konnte, mussten Johann und Trienke von morgens bis abends arbeiten. Die Schulden wurden trotzdem immer belastender.
Am 28. August 1795 gebar Triencke Wiese ihre Tochter Margaretha, die an darauffolgenden Sonntag in der Burger Kirche getauft wurde.

4 Als Tagelöhner unterwegs

Einige Wochen später macht sich Johann auf nach Ketelsbüttel um dort eine Arbeit aufzunehmen. Der Bauer Karsten Karstens nahm ihn als Dreschhelfer für den Zeitraum für eine Woche an. Anschließend fand er eine Tagelöhnerarbeit in Wall bei Wöhrden. Dann wanderte Joahnn weiter nach Braacken zum Bauern Detlef Strufe um sich dort zu verdingen.
Anfang Oktober gab es dort auch nichts mehr zu tun. Johann sprach bei Johann Gravert vor. Dort war Triencke vor der Heirat in Stellung. Für einige Zeit hatte er dort Arbeit bekommen, zusätzlich arbeitete er stundenweise als Leineweber auf dem Kanzelyhof. Ende Oktober traf er seinen Bruder Hinrich , der ihn für eine acht Tage dauernde Drescharbeit nach Poppenhusen vermittelte.

Am 8. November, es war ein Sonntag, wanderte Johann den Kirchweg in Richtung Meldorf. Er überschlug sein Verdienst, den er in seinem Beutel hatte: Einige zwanzig Mark. Sie reichten für die fälligen Wechsel, die zu zahlende Kopfsteuer und die übrigen Schulden nicht aus.

5 Johann fasst einen Plan

In Meldorf begegnete er auf Claus Bruuns, den er von seiner Soldatenzeit her kannte. Bruuns versuchte Johann zur Aufnahme eines Wucherkredits zu überreden. In letzter Sekunde überlegte Johann es sich anders. Wütend bemerkte Claus Bruuns, das Johann sich dann halt das Geld zusammenstehlen müsse.
Stehlen - das war der einzige Ausweg, den Johann Wiese sah. Ihm fiel ein, daß der Bauer Claus Hinrichs, hundertvierzig Mark in seiner Truhe hatte. Johann brauchte das Geld.
In der Nacht kam er in Ketelsbüttel an. Alles schlief. Vorsichtig schlich er um Hinrichs Haus und suchte sich eine Wagenrunge als Schlagwaffe, falls er entdeckt würde.
Plötzlich kamen ihm Zweifel. Er warf die Wagenrunge weg, nahm seinen Wanderbeutel wieder auf und traf noch vor dem Morgengrauen weider in Meldorf ein.
Dort traf er wieder auf Claus Bruuns der Johann wieder verspottete.
Wütend ging Johann weiter nach Burg zu seiner Frau.
Dort wieder eine Hiobsbotschaft: Der Webstuhl den er auf Kredit gekauft hatte, war weg.
Was sollte er tun?

6 Die Tat

Am nächsten Morgen ließ er den größten Teil seines verdienten Geldes bei seiner Frau und schlich sich aus dem Hause. Es war schon Nacht, als er in Ketelsbüttel eintraf.
Wieder schlich er sich auf den Hof von Claus Hinrichs und brach durch eine Nebentüre ein. Er machte vorsichtig Licht und suchte die Geldtruhe. Ein Geräusch erschrack ihn: Claus Hinrichs, im Nachthemd, kam auf ihn zu. Hinrichs war der Meinung, Johann wolle zu seiner Tochter Wiebe. Er packte Johann Wiese und holte aus, um ihn ins Gesicht zu schlagen. Johann fiel hin. Zufällig fand er die Wagenrunge wieder, die er tags zuvor hatte fallen lassen.
Er nahm sie, holte weit aus und haute sie dem Bauern zweimal mit voller Wucht auf den Kopf. Und noch ein drittes Mal. Claus Hinrichs ging zu Boden.
Johann wandte sich zur Wohnstube, wo ihm die Tochter des Bauern, Wiebe Hinrichs, entgegenkam. Auch sie schlug er mit der Wagenrunge ohnmächtig. Hinter sich hörte er ein Geräusch. Es war der Bauer, der sich wieder aufgerafft hatte. Benommen von den drei Schlägen taumelte er mehr als er lief.
Johann Wiese griff zu seinem Messer, stach auf Claus Hinrichs ein bis er tot war. Voller Entsetzen begriff Johann erst dann, was er getan hatte: Das bluttreifende Messer, die verschmierte Wagenrunge, das im Kampf zersplitterte Tongeschirr.
Und er sah Claus Hinrichs: Mit zerschmettertem Schädel, zerschnittenem Gesicht und einem fast abgetrenntem Kopf.
Wiebe Hinrichs war inzwischen wieder zur Besinnung gekommen und hatte sich auf die Strasse geschlichen. Dort rief sie um Hilfe.
Johann lief hinterher und stach auch auf sie ein. Er richtete sich übel im Gesicht und an einer Hand zu.
Die Nachbarn sind durch Wiebes Hilfeschreibe wach geworden und kamen auf die Strasse.
Johann ließ von Wiebe ab und flüchtete.
Diese Blutnacht vom 11. auf den 12. November 1795 haben die Ketelsbüttler bis heute nicht vergessen.

7 Die Flucht

Johann Wiese irrte die ganze Nacht umher. Schließlich konnte er wieder klar denken und er spürte, daß er etwas entsetzliches getan hatte.

Er erinnerte sich:
Schulden haben ihn zu sehr gedrückt. Er hatte sich wirklich Mühe gegeben, um das nötige Geld zu verdienen. Bei Bauern hat er sich als Tagelöhner verdingt, weil er als Leineweber kaum Aufträge bekam.
Sein Einsatz war vergebens. Er bekam das Geld nicht zusammen. Und dann hatte er Claus Bruuns getroffen.
Er hatte sich wieder von ihm fast beschwatzen lassen. Warum hatte Bruuns ihn so verspottet!
Er hatte das erste Mal versucht, bei Claus Hinrichs einzubrechen, doch er kehrte nach Burg zurück.
Seiner Frau Trienke hatte er verschwiegen, wie es ihm ging.
Er griff nach dem Messer mit dem er Hinrichs erstochen hatte. Er fand Blut an seiner Kleidung und an seinen Händen. Er reinigte sich im Bach und versteckte sich wieder den ganzen Tag.
Er machte sich auf und lief in Richtung Heide. Dort fiel ihm ein, daß der Bauer Strufe aus Hemmingstedt seine Hochzeit feierte. So mischte er sich unter die Gäste. Während der Feier hörte er, wie einige Gäste sich über den Mord in Ketelsbüttel unterhielten.
Von ihm jedoch war keine Rede.
An Abend jedoch belauschte er heimlich ein weiteres Gespräch. Er hörte, daß die Tat von einem einzelnen Täter verübt wurde und es bereits mehrere Verhöre in Ketelsbüttel gegeben habe.
Leise schlich sich Johann Wiese davon und wanderte in Richtung Odderade weiter. Sein Ziel war wieder Rendsburg. Er wollte sich wieder bei der Garnison einschreiben lassen und Triencke später schreiben sie solle hiemlich nachkommen. So wollte er es machen, denn bei den Soldaten war er vor der Dithmarscher Gerichtsbarkeit sicher. So schrieb er sich am 17. November 1795 unter der Nummer 293 wieder in das Stammbuch des Regiments in Rendsburg ein.

8 Die Ermittlungen beginnen - Festnahme

Als oberster Richter in Süderdithmarschen war Landvogt Heinrich Christian Boie mit der Aufklärung des Falles in Ketelsbüttel befasst.
Recht schnell begriff er, daß hinter dem Verbrechen eine menschliche Tragödie steckte.
Er besprach sich bis spät in die Nacht mit seinen Amtmännern. Anhand des Verhörprotokolls von Wiebe Hinrichs fanden sie den Namen des möglichen Täters heraus: "Johann Wiese".
Er gab in Auftrag Triencke Wiese in Burg über den Aufenthaltsort ihres Mannes zu befragen. Doch auch sie wußte nichts, denn Johann war weit fort. In Rendsburg.

Einige Wochen sind ins Land gegangen, als an der Meldorfer Landvogtei ein Musketier aus Rendsburg klopfte und dem Landvogt-Sekretär Krück mitteilte, das Johann Wiese in Rendsburg zu finden sei.

Bereits am folgenden Tag empfing der Gouverneur von Rendsburg, Graf Moltke ein Schreiben des Landvogts Boie. Stunden später wurde Johann von einem Offizier und zwei Musketiere festgenommen.
Während des Verhörs wurde Johann mit dem Brief Boies konfrontiert. Er wurde in Arrest genommen. Am darauffolgenden Montag dann wurde er von zwei Gerichtsdienern des Landvogts Boie abgeholt und nach Meldorf gebracht. Dort wurde er ins Kriminalgefängniss geworfen.

9 Das erste Verhör

Am Morgen nach seiner Einlieferung, es war noch dunkel, wurde er von den zwei Gerichtsdienern aufgesucht. Sie schlossen seine Hände in Ketten und brachten ihn zu einem ersten Verhör in den Gerichtssaal der Landvogtei. Kurze Zeit später trat der Boie mit seinem Gerichtssekretär ein.
Er eröffnete Wiese, daß er unter schwerem Verdacht stehe und ließ sich von ihm die Ereignisse der letzten Jahre schildern. Nach einer Stunde setzte Boie, wegen anderer wichtiger Amtsgeschäfte, das Verhör aus um es am frühen Nachmittag wieder aufzunehmen.
Auf die Frage, warum er sich in Rendsburg wieder bei seinem alten Regiment eingeschrieben hatte, antwortete Johann Wiese, daß er wegen seiner Schulden unter Schutz stehen wollte und auch von der Bezahlung der Kopfsteuer befreit sein wollte. Er stehe unter Schulden wegen dem Weberstuhl in Burg und er habe 5 Mark Steuerschuld. Sechs Mark im Jahr sei einfach für ihn und seine Frau zuviel.
Boie fragte seinen Sekretät, wie hoch die Schulden für den Weberstuhl seineen. "Achtundzwanzig Mark", war die Antwort. Boie ging auf den Gefangenen zu und sagte, daß er galube, er sein nach Rendsburg gegangen, um sich zu verstecken. Er habe das Verbrechen in Ketelsbüttel ausgeübt. Johann bestritt dieses, doch Boie wies auf Zeugenaussagen von Bauern hin, die Wiese einen Tag vor der Tat gesehen haben.
Damit endete das erste Verhör.
Wieder in der Zelle hatte Johann Zeit, an die letzten Jahre zurückzudenken. Das rote Halstuch - damit hat es angefangen. Er ließ sich ein Blatt Papier, Feder und ein Tintenfass geben.
Er zeichnete ein Männlein auf das Papier, rechts und links daneben hohe dunkle Wälle. "Dunkles Tal", schrieb er. Und unter dem Männlein: "Ich".
Johann stand auf und rief den Zellenwärter und bat ihn, dem Landvogt Boie mitzuteilen, daß er Claus Hinrichs ermordet habe.

10 Das Geständniss

Am nächsten Tag wurde Johann wieder in die Gerichtsstube gebracht. Noch bevor Boie beginnen konnte, ergriff Johann das Wort und sagte, daß er Hinrichs ermordet habe. Er wolle für seine Tat einstehen und er möchte auch, das Wiebe Hinrichs ihm gegenübergestellt würde. Auch ihr wolle er seine Tat bekennen. Boie ließ Johann das Geständniss unterschreiben und ihn wieder in das Gefängniss zurückbringen.
In den folgenden Tagen und Wochen blieb Johann allein in seiner Zelle. Er hatte viel Zeit nachzudenken, zu schreiben seinen Weg durch die Finsterniss zu gehen. Er dachte an die schöne aber auch beschwerliche Zeit mit seiner Frau Triencke Jochims.

Die Zeit zog sich hin. Erst im Februar 1796 ging es zügiger. Schließlich kam es zu der Begegnung zwischen Wiebe Hinrichs und Johann Wiese. Wiebe identifizierte ihn als den Täter.

11 Triencke kommt zu Besuch

Im März, es war wenige Tage nach Ostern, konnten die Untersuchungen abgeschlossen werden. und die Vorbereitungen zum Gerichtsprozeß vorbereitet werden.
In diesen Tagen bekam Johann im Gefängniss Besuch. Seine Frau Triencke. Als Thies Albers, der Wärter, die Zelle aufschloß, lag Johann auf seinem Bett und schlief. Triencke kamen die Tränen. Der Wärter ließ den beiden den ganzen Tag Zeit, sich auszusprechen. Bevor Triencke ging, gab sie Johann ein Buch. Er erkannte es sofort. Es war das Andachtsbuch von Probst Jochim, welches Triencke ihm damals geschenkt hatte.
Als Johann wieder alleine war schlug er das Buch auf und las die Widmung: "Für Johann Wiese von Triencke Margaretha Jochims, in Liebe - Ketelsbüttel 1790". Wahllos blätterte er in dem Buch und fand ein Zitat aus dem Johannesevangelium:
"Ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wieder sehen, und eurer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen."

12 Der Prozeß und das Urteil

Am Dienstag, den 28. Juni des Jahres 1796 begann der Prozeß gegen Johann Wiese. Johann bat den Landvogt, daß er nicht vor Gericht erscheinen müsse.
Am darauffolgenden Tag ging es um das Strafmaß. Schließlich notierte der Gerichtssekretär die Urteilsempfehlung, denn bei schweren Verbrechen entschied nicht nur die lokale Gerichtsbarkeit, sondern auch das Obercriminalgericht in Glückstadt, sowie die deutsche Kanzley in Kopenhagen (Dithmarschen stand zu dieser Zeit unter der Herrschaft des dänsichen Königs Christian VII.), und, nicht zuletzt, auch dem König selbst:

"Der Inquisit ist mit dem Beil zu enthaupten, ihm ist darauf die rechte Hand abzuhauen, sein Leichnam sodann auf das Rad zu legen, nach zweyen tagen aber durch Henkersknechte herunterzunehmen und auf der Gerichtsstätte zu verscharren, der Kopf nebst der Hand an einem Pfahl zu befestigen, auch ist der Inquisit in die Untersuchungskosten zu verurtheilen."

Am 11. August 1796 bestätigte das Holsteinische Obercriminalgericht in Glückstadt das Urteil.

Johann bekam in seiner Zelle Besuch von seinem alten Pastor Christian Nicolaus von Ancken.
Sie redeten sehr lange miteinander. Sie sprachen die ganze Nacht, bis zum Morgengrauen, miteinander und feierten, auf Wunsch Johanns, das christliche Abendmahl.

13 Hinrichtung

Pferd-Meldorf-PlusPedia.jpg

Es war am 12. November 1796 ein trübes Wetter als Johann Wiese seinen letzten Gang antreten musste.
Gegen zehn Uhr vormittags war Meldorf von Menschen schier überflutet. Tausende Menschen strömten durch die Stadt.
Ein letztes Mal wurde Johann in die Landvogtei geführt. Dort wurde ihm nochmals die Entscheidung des Obercriminalgerichts verlesen.
Gegen elf Uhr stieg Johann auf den bereitgestellten Leiterwagen. Sie fuhren durch die Zingelstrasse. Johann entdeckte im Hausgiebel eines Hauses das springende Pferd, dessen Geschichte er sich, als Konfirmand, hatte erzählen lassen.
Schließlich trafen sie am Galgenberg ein. Es war ein Grabhügel aus uralten Vorzeiten.
Johann stieg mit den beiden Pastoren, die ihn begleitet haben, vom Wagen und ging zum Galgenberg.
"Ich möchte noch ein paar Worte sagen.",
äußerte er sich gegenüber dem Landvogt Boie, der dem Wunsche stattgab.
"Ich möchte alle Menschen hier um Verzeihung bitten, ich bereue es von ganzem Herzen, daß Claus Hinrichs durch meine Hand gestorben ist.
Die Ketelsbüttler bitte ich, meiner Familie und meinen Verwandten meine böse Tat nicht anzurechnen.
Die Einwohner von Burg bitte ich, meine Frau und mein Kind..."

Er stockte...
"Bitte, laßt sie nicht verkommen. Sie haben keine Schuld. Und ich kann nichts mehr für sie tun."
Er fuhr, nachdem er sich beruhigt hatte, fort:
"Alle Menschen ermahne ich, niemals, in keinem Fall, Hand an einen Menschen zu legen. Der Mensch darf kein Menschenblut vergießen. Kains Fluch darf nicht noch mehr anwachsen."

In der Menge kam Unruhe. Das Gemurmel wurde immer lauter. Viele die Johann kannten fanden das Urteil zu hart.
Boie wollte, um nicht noch mehr Unruhe aufkommen zu lassen, den Verlauf nicht noch länger verzögern.
Er gab dem Scharfrichter einen Wink, damit er das Urteil ausführen sollte.
Es wurde still um den Galgenberg. Für einen Augenblick ließ sich die Sonne sehen. Wiese schaute in die Sonne.

Dann ein Schlag...

14 Ein Plädoyer gegen die Todesstrafe

An Sonntag nach der Hinrichtung stand der oberste Richter und Landvogt Boie früh auf um in dienstlichen Angelegenheiten nach Itzehoe zu fahren.
Er ließ anspannen und sich kutschieren.
Derselbe Weg, den Tags zuvor Johann Wiese hatte antreten müssen.
Nach einigen Minuten waren sie auf der Höhe des Galgenberges angekommen.
Dort lag Johann Wiese auf ein Rad geflochten, den Kopf auf einem Pfahl daneben aufgespießt, darunter die rechte Hand angenagelt.
Boie war es ungemütlich, ihn ihm arbeitete es: War es richtig gewesen, Johann zum Tode zu verurteilen? Immer wieder kamen ihm diese dunklen Gedanken. Schon in der Nacht hatten sie ihn kaum schlafen lassen.

Nach den Amtsgeschäften in Itzehoe war Boie zu einem gemütlichen Abend bei Bekannten eingeladen.
Wie konnte es anders sein, das Thema drehte sich um Johann Wiese und seine Gräultat.
Es waren Christen, die einerseits jeden Sonntag den evangelischen Gottesdienst feierten und hier aber andererseits die Todesstrafe aussprachen und auch ausführten.
Boie sah das Gebot "Du sollst nicht töten!" Rechtfertigte ein Mord tatsächlich einen weiteren Mord - in diesem Falle an Johann Wiese?
"Wenn die Obrigkeit selbst das Töten anordnet, auf Grund bestimmte Rechte, dann ächtet sie damit nicht das Töten. Und das Töten müssen wir ächten und auch das, was zum Töten führt. Wir müssen - gerade als Obrigkeit - verhindern, daß Menschen das Töten für einen gangbaren Weg halten. Unsere Gesellschaft muß verhindern, daß der Mensch den Menschen tötet. Ein Schritt dazu wäre die Abschaffung der Todesstrafe."

Tatsächlich hat Landvogt Heinrich Christian Boie es bei seiner Gerichtsobrigkeit durchsetzen können, daß die Hinrichtung Johann Wieses am 12.11.1796 die letzte Hinrichtung in Dithmarschen war.



15 Literatur

  • Dietrich Stein: Das Leben des Tagelöhners Johann Wiese - Eine Geschichte aus Landvogt Boies Zeit, Westholsteinische Verlagsanstalt Boyens & Co., ISBN 3-8042-0610-7

16 Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Zitat aus dem alten Taufregister der Wöhrdener Kirche: "1761, den 4. Martius lassen Johann Wiese aus Ketelsbüttel und seine Frau Margaretha einen Sohn taufen und Johann nennen."

17 Andere Lexika

Wikipedia kennt dieses Lemma (Johann Wiese) vermutlich nicht.

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