Hermann Günther

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😃 Profil: Guenther, Hermann
Beruf deutscher Bergmann und Betriebsratschef
Persönliche Daten
6. Juli 1902
Bochum
1974
Witten


Hermann Günther (* 6. Juli 1902 in Langendreer (Krone), gestorben 1974 in Witten) war ein deutscher Bergmann, Arbeiter-Interessenvertreter und Betriebsrat in Bochum sowie AG-Aufsichtsrat.

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1 Leben und Arbeiten

1.1 Angelernt ohne Schulabschluss

Hermann Günther ging sechs Jahre lang in eine Volksschule zu Witten-Krone. Danach half der Zwölfjährige zur Ernährung der achtköpfigen Familie dem Großvater morgens vor 6 Uhr im Einzelhandel als Milchbauer-Helfer - die Milch wurde mit Pferdewagen zu den Kunden gefahren. Sein Vater, der am Tag nach seiner Goldenen Hochzeit 1950 starb, war als Bergmann tätig und seine Mutter Dorothea war Hausfrau und hatte sieben Kinder.

Zwischen dem 14. und 21. Lebensjahr arbeitete Günther als Fabrikarbeiter bei Luhnsmühle-Seifenindustrie, in den IMI-Chemie-Werke Annen, als Starkstromelektrikerhelfer, Bauhelfer, in einer Windenfabrik und in der Spirituosenbrennerei Sonnenschein in Herbede. Noch vor Beginn seiner Volljährigkeit machte er sich mit einem Freund zu Fuß auf nach Italien, ganz im Sinn der Wandervogelbewegung. Zurück in Deutschland stand er den radikalen Sozialisten nahe und trat als 26-Jähriger in die SPD ein. Er blieb Hilfsarbeiter.

1925 trat er seine erste Stelle im Steinkohle-Bergwerk Zeche Siebenplaneten in Langendreerholz. Er begann unter Tage als Knappe. Er wurde Mitglied des freigewerkschaftlichen Verbands der Bergarbeiter Deutschlands und wechselte intern zur Zeche Contanze.

1.2 Hauer auf Zeche Mansfeld

1927 ging er zur Zeche Mansfeld in Bochum-Langendreer, wo die Familie bis 1947 auch wohnte und in der er 32 Jahre lang arbeitete. Er wurde Lehrhauer und nach Anlernabschluss Hauer. Mit Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft und der Zerschlagung der Gewerkschaften wurde der bodenständige Sozialdemokrat Günther weder verfolgt oder entlassen, noch zur Wehrmacht eingezogen: jede Arbeitskraft im Bergbau wurde insbesondere mit dem Kriegsausbruch im Ruhrgebiet benötigt. Schon vor der Nazi-Zeit hatte er einen Schrebergarten gepachtet. Günther unterstützte so nach Aussagen von Zeitzeugen in unmittelbarer Nachbarschaft verfolgte Juden, ohne entdeckt zu werden. Der Alltag war allerdings geprägt von 54 Wochenarbeitsstunden im „Pütt“ unter der Erde und vom Schutz seiner nun 5-köpfigen Familie vor Bombenangriffen, die massiv gerade auf Bochum herab kamen.

1.3 Betriebsratsvorsitz

Hermann Günther, Betriebsrat, 1951

Hermann Günther wurde noch im Zuge des Kontrollratsgesetzes 22 der Alliierten 1946 frei gewählter erster Betriebsratsvorsitzender seiner Zeche mit damals 2400 Mitarbeitern. Der Betriebsrat bestand aus 9 Personen, darunter Günther als Freigestellter. Bergwerksdirketor war Wilhelm Millemann. Bereits im Mai 1945 fanden auch unter seiner Beteiligung erste Gespräche zur Wiedergründung freier Gewerkschaften in Bochum statt. Hermann Günther wurde und blieb gewerkschaftlicher Vertrauensmann ebendort. Er gründete im Winter 1946/47 den Industrieverband IV Bergbau britische Zone mit, aus der später die IG Bergbau hervorging. In den Folgejahren - nun auf einer IG-BE-Liste - wurde Günther immer wiedergewählt, sein Stimmenanteil stieg an und er blieb 15 Jahre im Ehrenamt eines Arbeiter-Obmanns unter Fortzahlung des Hauer-Lohns. Die Zeche hatte zeitweise 2900 Kumpel und die IG-BE hatte 1953 etwa 650.000 Mitglieder. Im gleichen Jahr wurde der 7,5-Stunden-Tag erkämpft und die 5,5-Tage-Woche. Günther stimmte sich ab mit den damaligen Wortführern August Schmidt und Heinrich Gutermuth. In dieser Zeit -Sozialisierungsforderung waren abgeschmettert, die Wirtschaft im "Pott" boomte - verdiente ein Bergman bereits etwa 600 DM pro Monat, mehr als ein Grundschullehrer.

1.4 Arbeitermitbestimmung in der Montanunion

Nach einer massiven Streikandrohung kam es zur Paritätischen Mitbestimmung: Aufsichtsräte in Betrieben mit über 1000 Beschäftigten wurden gem. Montanmitbestimmung gleichbereichtigt mit Arbeitnehmervertretern besetzt.[1] Denn 1951 wurde für 50 Jahre die europäische Montanunion gegründet. Dadurch bekam das Ruhrgebiet, das damals unter britischer Besatzung stand und dessen Anlagen bis 1949 zum Teil demontiert worden waren, eine besondere Wachstumschance. Insbesondere Deutschland und Frankreich harmonisierten ihre Gesetze und beschlossen weiter reichende Mitbestimmungsregeln für die Industrie, als sie später das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 festschreiben sollte. Auch im Bochumer Montanbereich wurden daraufhin Weichen gestellt, was die Beförderung ausgewählter Arbeiter anging. Hermann Günther musste sich 1954, nachdem er zum 3. Mal zum Vorsitzenden des Großbetriebs geworden war, mit der Frage auseinandersetzen, ob er trotz "erworbener" Rechtschreibschwäche u.U. für die Position des Arbeitsdirektors (den Posten bekam Pittlick) geeignet wäre, oder ob er wenigstens der Nominierung für den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft Salzdetfurth (heute K+S AG) im Fall seiner Wahl Folge leisten könne. Er entschied sich wg. der seiner mangelhaften Schulbildung für die Aufsichtsratsfunktion, die er in den kommenden Jahren neben seiner Betriebsratstätigkeit regelmäßig am Konzernsitz in Hannover ausübte.

Den Vertretern der Arbeiterschaft wurden bekanntlich großzügige Privilegien zuteil und der führerscheinlose Günther wurde immer öfter mit Chauffeur kutschiert, den ihm der Technische Direktor und spätere Konzernchef Heinrich Wisselmann überließ;[2] er bekam auch viele Jahre lang kostenlos die FAZ ins Haus geschickt. Trotz schwelender Korrumpierbarkeits-Gefahr galt er stets als unbestechlicher Kämpfer für den Erhalt des Bergbaus und seiner Arbeitsplätze in Bochum und Umgebung und für die Entwicklung der Rechte, des Arbeitsschutzes und der Gesundheit seiner Kollegen. Eine Form des „Umverteilens“ von Prämien waren Mitte bis Ende der 1950er Jahre dreimal wöchentlich stattfindende Trinkgelage in den Kneipen der Bergleute, die er grundsätzlich finanzierte.

Zu den Aufgaben des Betriebsratschefs gehörte auch das Anwerben und Sichten neuer Arbeitskräfte, was jährlich auch im Aussiedler-Lager Friedland erfolgte. In der Bochumer Zeche organisierte er nach 1956 die ersten Erholungsreisen für Bergbaubeschäftigte: Wer wollte konnte sehr günstig im Sommer für 14 Tage mit der Bahn nach Oberbayern fahren. Aber nach 1957 wurde die Lage im Bergbau schwieriger.[3]. Natürlich konnten auch die gewerkschaftlich organisierten Kollegen das Bergbausterben in der Region nicht aufhalten, zumal ihnen mit der Neuansiedlung von drei Opel-Standorten Vollbeschäftigung versprochen worden war. Günther ging vorausschauend in Frührente, bevor seine Zeche 1963 geschlossen wurde.

Bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 1959 wegen gesundheitlicher Probleme (Bergunfall: 70% Silikose) blieb er Obmann und erster Sprecher der Kollegen. Er wurde Unfallrentner der Bergbau-Berufsgenossenschaft und Knappschaftsrentner.

1.5 Auszeichnungen

Im Laufe der Jahre erhielt Günther Ehrungen, goldene und silbene Nadeln sowie Urkunden sowohl von der Gewerkschaftsseite, als auch von der Konzernspitze.

1.6 Familie

Hermann Günther heiratete 1931 seine Frau Änne und hatte mit ihr vier Kinder. Dem Trauermarsch anlässlich seiner Beisetzung 1974 auf dem Hevener Friedhof folgten über 800 Verwandte, Nachbarn, Kollegen und Freunde.

2 Sonstiges

  • Schon 1942 hatte Günther in Langendreer die Siedlergemeinschaft "Am Steinberg" im Deutschen Siedlerbund gegründet mit dem Ziel, nach dem Ansparen von Mindestmitteln drei Straßenzeilen mit 36 Eigenheimen in Witten-Heven zu gestalten. Die Westfälische Heimstätte hatte 1928 das Gelände als Vorratsland gekauft. [4] Er organisierte das erfolgreich von 1946-1951. 1947 baute er als erster das Haus für seine Familie, heute würde man so etwas "Pilotprojekt" nennen. Bis 1959 war Hermann Günther Vorsitzender dieser Siedlergemeinschaft in Witten-Heven. Viele weitere ihm angetragene Ämter in Partei und/oder Gewerkschaft lehnte er als Gegner der Ämterhäufung ab.
  • Als 1968 die Notstandgesetze von seiner Partei mitgetragen wurden, trat er aus der SPD aus.

3 Literatur

  • Norbert Meier und Hans-Jürgen Lewer: Zeche Mansfeld (Hrsg. "Förderverein Bergbauhistorischer Stätten Ruhrrevier e. V.") Bochum 2012
  • Joachim Huske: Die Steinkohlenzechen im Ruhrrevier. (3.), Selbstverlag des Deutschen Bergbau-Museums, Bochum 2006, ISBN 3-937203-24-9
  • Gustav Adolf Wüstenfeld: Auf den Spuren des Kohlenbergbaus Wetter 1985

4 Belege

  1. vgl. "Zeche Mansfeld", S. 205
  2. vgl. Rudolf Reuter: Chronik der Zeche Mansfeld, ergänzt und herausgegeben von Heinrich F. Wisselmann, Bochum 1991
  3. Im Oktober 1957 berichtete der Spiegel ausführlich über die Sorgen des Unternehmensverbands-Chefs Ruhrbergbau Alfred Wimmelmann
  4. vgl. "Chronik Siedlung 'Am Steinberg'" (40 Jahre) Hrsg. v. Joachim Lahme 1982

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