Brutbiologie des Wanderfalken

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1 Revierverhalten

Wanderfalken-Brutplatz Bruchhauser Steine in Nordrhein Westfalen

Wanderfalken betrachten die direkte Umgebung um ihren Brutplatz als Revier. Die Brutplätze der Wanderfalken liegen in Deutschland meist in Felsen und Steinbrüchen. Seit 1980 wird zunehmend auch an Bauwerken wie Kraftwerken, Brücken und Kirchen gebrütet. Vor allem in Ostdeutschland brüten Wanderfalken auch in Horsten anderer Vögel und Nisthilfen in Bäumen. An der Nordsee brüten einzelne Paare auch auf kleinen Inseln am Boden.

Ist ein revierhaltendes Männchen (auch Terzel genannt) des Wanderfalken im Revier, verjagt es alle anderen vorbeikommenden Männchen. Falls es sein Revier nicht verteidigen kann, wird es selbst vertrieben. Ein analoges Verhalten ist beim Weibchen zu beobachten. Bei gut eingespielten Paaren vertreiben beide Partner gemeinsam alle Fremdfalken. Das gelegentliche Auftauchen von Rivalen oder Konkurrenten im Horstrevier gehört zu einer gesunden Population. In einem Extremfall in Baden-Württemberg wurden an einem Felsen in einem Frühjahr sieben verschiedene Wanderfalken beobachtet. In einem anderen Fall kämpften drei verschiedene Paare um einen Felsen. Diese Extremsituationen gibt es nur in Gebieten mit hohem Populationsdruck.

Die Revierkämpfe können von Anfang Januar bis Anfang Mai andauern. Beim Auftauchen eines Fremdfalken oder ausnahmsweise eines Fremdpaares reagiert das revierhaltende Paar, falls es eingespielt und stabil ist, mit der Vertreibung des oder der Eindringlinge. Dabei gibt es eine beträchtliche Variationsbreite in der Reaktion der Revierfalken. Sie richtet sich nach dem Alter der Eindringlinge, dem Stand im Brutzyklus und in der Distanz zum Horst. Anscheinend sind Revierpaare viel toleranter gegenüber bekannten Falken von Nachbarpaaren als gegenüber ihnen unbekannten Falken. Sobald ein oder mehrere Eindringlinge in der Luft gesichtet werden, werden zunächst Rufe von einem oder beiden Partnern hervorgebracht. Dies reicht häufig aus, um den oder die Fremden zum Abdrehen zu veranlassen. Wenn nur ein Partner des Revierpaares im engeren Horstbereich anwesend ist, bewirken die Rufe gewöhnlich die Benachrichtigung des anderen Partners. Falls der zweite Partner in Hörweite ist, eilt er sofort herbei. Als Rufe sind ein rauher Rassellaut "cäck-cäck-cäck" oder ein langgezogenes, schrilles "käa-ää-äck" zu hören. Die Anwesenheit von Fremdfalken wird darüber hinaus häufig durch Achterflug angezeigt.

Wenn notwendig, attackiert das Revierpaar gemeinsam den oder die Eindringlinge. Oft genügt ein revierabsegelnder Imponierflug oder Scheinattacken. Die Rolle der Geschlechter bei der aktiven Revierverteidigung hängt vom Stand des Brutgeschäftes ab. Der eindringende Falke interessiert sich natürlicherweise für den andersgeschlechtlichen Falken des Revierpaares, während es vor allem mit dem gleichgeschlechtlichen zum Kampf kommt. Ist der Eindringling ein Männchen, so können sich erbitterte Kämpfe entwickeln, die in Einzelfällen sogar zum Tod des unterliegenden Männchen führen können. Die einleitende Attacke des revierbesitzenden Männchens besteht gewöhnlich aus dem Übersteigen des Eindringlings durch immer höheres Kreisen und anschließendes Herunterstoßen auf den Eindringling. Schlagen (Töten) kommt gelegentlich vor, aber der Angegriffene kann meist durch schnelle Seitwärtsmanöver oder durch Luftrollen mit Vorstrecken der Fänge entkommen. Gestoßen wird auch auf sitzende Fremdmännchen. Wenn der Fremdfalke immer noch nicht flieht, attackiert einer der Revierfalken diesen von unten und ergreift durch auf den Rücken-Rollen dessen Fänge. So trudeln sie zusammen herunter dem Erdboden entgegen. In der Regel legt der Revierfalke den Fremdfalken auf den Rücken, um ihn kurz über dem Erdboden wieder los zu lassen, so dass dieser auf die Erde stürzt. Oft sind die Kämpfe ungemein heftig, ernsthafte Verletzungen aber selten.

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Bornstein der Bruchhauser Steine, wo meist das Wanderfalkenpaar an den Bruchhauser Steinen brütet

Häufiger dringen Weibchen im Jugendkleid in bestehende Paarbindungen ein. Während das Männchen sich oft neutral verhält, verprügeln sich die Weibchen bei Luftkämpfen und stürzen manchmal sogar ineinander verkrallt laut schreiend auf die Erde. Die Auseinandersetzungen können sich über mehrere Tage hinziehen. Siegerin wird das lebenskräftigere Weibchen, während das unterlegende Weibchen im weiteren Horstbereich gelegentlich geduldet wird, selbst wenn das neuformierte Paar bereits mit der Brut begonnen hat.

Durch die Revierkämpfe wird in einer dichten Population wie in Teilen von Baden-Württemberg jeder momentan nicht im Vollbesitz seiner Kräfte befindliche Falke sofort verdrängt und von der Fortpflanzung ausgeschlossen. Nur gesunde und kräftige Vögel können sich reproduzieren. So waren 1982 und 1983 jeweils 20 % der Brutpaare in Baden-Württemberg von Revierkämpfen betroffen, die zur Verdrängung eines oder beider Partner des Revierpaares führten. Die umverpaarten Paare blieben dadurch ohne oder mit nur geringem Nachwuchs. 1985 gab es dagegen nur noch eine Verdrängung mit anschließender Umpaarung. Die Wanderfalken-Population in Baden-Württemberg hatte sich 1985 so gut regeneriert, dass bis auf ein Brutpaar sich alle anderen Brutpaare gegenüber der Konkurrenz behaupten konnten.

2 Revierverteidigung gegenüber anderen Arten

Die Verteidigung des Horstreviers gegenüber anderen Arten ist unterschiedlich. Das Revier wird vor allem gegenüber anderen Greifvogelarten und Krähenvögeln verteidigt. Am heftigsten wird das Revier von den Wanderfalken in der Balzphase bis zur Bebrütung der Eier verteidigt. Nach dem Schlupf der Jungen wird die Revierverteidigung im Mai wieder heftiger. Das Revier wird anfangs von beiden Partnern, während der Bebrütung vom Männchen, später vom Weibchen verteidigt. Die Variationsbreite im Verhalten gegenüber anderen Arten ist groß.

An den „Bruchhauser Steinen“ im Hochsauerland (NRW) zeigte das Weibchen gegenüber Turmfalken meist überhaupt keine Reaktion. Vom Männchen werden die Turmfalken wie auch andere Greifvögel nur direkt über und vor der Brutwand vertrieben. Die Reaktionen von Wanderfalken gegenüber anderen Arten können auch von Paar zu Paar verschieden sein. So wurde in der Balzphase friedliches Kreisen des Paares mit sechs Mäusebussarden und einem Rotmilan in Hochsauerland beobachtet. Erst als ein Mäusebussard sich auf knapp zehn Meter dem Weibchen näherte, wurde der Bussard vom Männchen, welches höher kreiste, attackiert. Der Mäusebussard wehrte den Angriff durch eine Luftrolle (auf-den-Rücken-Legen) ab. Der Bussard begann in knapp 40 m Entfernung wieder zu kreisen und wurde nicht wieder angegriffen. Ein weiteres Mal wurde trotz regen Greifvogeltreibens (meist Mäusebussarde) über der Horstwand während der Brutphase keine Reaktion gezeigt. Während der Aufzuchtphase konnte ein Mäusebussard durch einen Überraschungsangriff das schwer an einer Haustaube tragende Weibchen zum Fallenlassen der Beute veranlassen. Auch zahlreiche Sturzflüge des Weibchens auf den am Boden über der Beute mantelnden und fressenden Mäusebussard blieben ohne Erfolg. Interessanterweise wurde eine in einem Baum am Felsrand sitzende Ringeltaube durch einen Sturzflug vertrieben. Andere Ringeltauben wie auch Graureiher konnten den Steinbruch dagegen friedlich überqueren. Ein adulter Schwarzstorch, der ein Tal durchflog und die in einiger Entfernung kreisende Wanderfalkenfamilie (Weibchen mit drei Jungvögeln) nicht beachtete, wurde vom Weibchen hart attackiert. Dabei folgten zwei der Jungfalken dem Weibchen.

3 Balz

Wanderfalken-Brutplatz Fernmeldeturm Hunau (Sauerland)

Bei den Wanderfalkenpaaren ist Paarbildungsverhalten oft schon im Spätherbst nach Abzug der Jungvögel über das Winterhalbjahr hindurch zu beobachten. Wanderfalken sind in Europa meist Standvögel oder verlassen das Brutrevier nur kurzzeitig bei schlechter Witterung. Ab Januar, meist aber erst im Februar zeigt das Revierpaar Balzflüge. Sie beschränken sich auf das Horstterritorium und seine unmittelbare Umgebung. Diese Balzflüge werden von beiden Geschlechtern gezeigt, meist intensiver vom Männchen. Es werden folgende Bewegungsabläufe gezeigt: hohes Kreisen (meist beide Partner), Wellen- und Achterflüge (meist Männchen). Beim hohen Kreisen kommt es zu Flugspielen: Sturzflüge des einen Falken zum anderen Falken, wobei sich die Greife fast berühren, gefolgt vom hohen Steigen (dies wird auch im Wechsel ausgeführt), sich einander jagen, Luftrollen, direktes Zufliegen auf den anderen, meist mit Abdrehen, aber auch Berühren kommt vor (Ineinandergreifen der Fänge, Brust an Brust oder Schnabel an Schnabel, "Luftküsse"). Häufig ist in dieser Phase von beiden das schlecht wiederzugebende Lahnen zu hören. Lahnen ist ein Aufforderungs- und Bettellaut des Wanderfalken in der Paarungszeit, Erregungslaut bei Störungen, Betteln der flüggen Jungen. Lahnen kann klagend, ein zum Schluß merklich ansteigendes »whetwhetwhet« oder ein langgezogenes gepreßtes »gääää« sein.

Nach einiger Zeit reagiert das Männchen bei Anwesenheit des Weibchens mit Horstnischenzeigen, wobei das Männchen die potentielle Horstnische am Felsen zeigt. Dabei kommt es zu »akzick«-Rufen. Dieser »akzick«-Ruf ist auch bei der Beuteübergabe, vor der Brutablösung und bei der Kopula zu hören. In dieser Zeit erfolgen oft gemeinsame Jagdausflüge. Dabei jagen beide Falken gelegentlich gemeinsam (Kompanie-Jagd). Nach einiger Zeit bleibt das Weibchen als Wache am Felsen zurück. Das Weibchen fordert das Männchen zum Bringen von Beute auf. Die Beuteübergabe des Männchens an das Weibchen kann bereits sechs Wochen vor Legebeginn erfolgen. Teilweise legt der Falke die Beute direkt auf einen Kröpfplatz. Oft kommt es zu Beuteübergaben in der Luft. Entweder lässt das Männchen die Beute einfach fallen, wenn das Weibchen unter ihm fliegt, oder das Weibchen wirft sich auf den Rücken und nimmt die Beute aus den Fängen des Männchens. Während der Beuteübergabe ist häufig Bettellahnen zu hören.

Es kommt zu gemeinsamen Schlafen am Fels, teilweise schon in der Horstnische. Später schlafen sie gemeinsam in der Horstnische bis zur Gelegebebrütung. Das Männchen hat schon mehrere Wochen vor der Eiablage in potentiellen Horstnischen Mulden für das Gelege gedreht und gescharrt.

Beide zeigen am Felsen eine Art Paarbegrüßungszeremonie. Beide stehen sich mit gesenkten Kopf gegenüber und stoßen »akzick«-Rufe aus. Es kommt im Horst zum Balzfüttern, wobei das Männchen die Beute in der Nische übergibt. Nun wird drei Wochen die Paarungszeremonie (Kopula) gezeigt. Die Flugaktivität des Weibchens läßt nach, es steht meist lethargisch (dösend) in der späteren Horstnische und ist nicht zu sehen. Zwei Wochen vor Eiablage kommt es in den Aktivitätsphasen der Falken zu 2 bis 3 Kopulationen pro Stunde. Die Häufigkeit steigt in der Woche der Eiablage auf 3 bis 4 Kopulationen pro Stunde mit der absoluten Spitze am Tag, an welchem das zweite Ei gelegt wird, gewöhnlich fällt die Kopulationshäufigkeit nach Ablage des dritten Eis abrupt ab.

Kopulationen finden zu jeder Tageszeit statt, sind aber nach Sonnenaufgang und gegen Mittag am häufigsten. Sie finden in diesen Zeiten auch mehrfach in Kurzer Folge statt. Die Kopulationen dauern nur 8 bis 15 Sekunden, häufig von »gägägä« und »gigigi«-Rufen begleitet. Häufig gehen Balzflug und Balzfüttern in Kopulation über. Die Kopulationen enden kurz nach Ablegen des letzten Eis. Falls das Gelege kurz nach Beginn der Bebrütung verloren geht, kann es erneuten Balz und einem Nachgelege kommen.

4 Brut

Wanderfalkenei in Nisthilfe (Hundekorb mit Splitt) auf einer Autobahnbrücke in Ostwestfalen (NRW).

Das Gelege von meist 3 bis 4 Eiern, selten auch 1 oder 5 Eier wird im Abstand von 3 bis 4 Tagen (meist vormittags) gelegt. Der Legeakt dauert knapp 45 Minuten. Bei schlechter Witterung können Pausen von bis zu einer Woche zwischen zwei Eiablagen liegen. Der Brutbeginn erfolgt ab dem ersten oder zweiten Ei. Deshalb kann es zu beträchtlichen Größenunterschieden zwischen den Jungen kommen. Drei oder weniger Eier werden meist von jüngeren Weibchen oder bei Störungen gelegt. Geht das Gelege am Anfang der Brutzeit verloren, wird meist nach knapp 15 Tagen mit der Ablage eines Nachgeleges begonnen. In einigen Fällen wurden auch Drittgelege nachgewiesen. Die Nachgelege sind zahlenmäßig meist kleiner und die Anzahl der unbefruchteten Eier ist größer als bei Erstgelegen. Für Nachgelege wird meist eine andere Nische, teilweise sogar andere Felsen ausgewählt.

Gelege werden normalerweise von Anfang März bis Mitte April gezeitigt. Es gibt ausgesprochene Frühbruten (Ende Februar) sowie Spät- und Nachgelege (Mitte April bis Mitte Mai). Mit zunehmenden Alter verschieben die Weibchen den Brutbeginn um eine gute Woche nach vorne. Noch ab der zweiten Märzhälfte versuchen Weibchen im Jugendkleid ein Brutrevier zu finden. Bei Weibchen im Jugendkleid entwickelt sich eine auffallend lange Balzzeit. Sie führt aber nur bei wenigen Paaren zu einem Gelege. Erfolgreiche Bruten von Männchen im Jugendkleid wurden in Deutschland bisher nur selten sicher nachgewiesen.

Als Brutzeit pro Ei werden 29 bis 32 Tage angegeben, sie kann durch häufige Störungen bedingt um 2 bis 3 Tage verlängert ausfallen. In der Natur kann der Beginn der Brutzeit nur als Zeitpunkt festgestellt werden, ab den (meist) das Weibchen fest auf dem Gelege brütet und regelmäßige Brutablösungen zu beobachten sind. In der Regel brütet das Weibchen in drei bis vier Perioden des Tages und die ganze Nacht (nur ausnahmsweise brütet das Männchen auch nachts). Die Brutablösung kann schnell und stumm sein, wenn der Falke keine Beute bringt, aber auch lärmend, falls das Männchen Beute bringt. Die Falken äußern dann »akzick«-Rufe, speziell wenn der sitzende Falke das Gelege nicht räumen will. Wenn das Männchen brütet, räumt es das Gelege meist sofort, wenn das Weibchen erscheint. Falls das Weibchen brütet, ist es in Abhängigkeit vom Hunger, oft weniger geneigt, sich vom Gelege zu entfernen. Das Männchen muss oft rufen (kann sich wie Gezeter anhören). Der ablösende Falke besetzt entweder sofort oder innerhalb weniger Minuten das Gelege. Manchmal kann es auch während der Brut zur Beuteübergabe in der Luft kommen.

Schon in der Morgendämmerung fliegt das Männchen zur Jagd. Je nach Jagderfolg kommt er nach kurzer Zeit oder erst nach Stunden zurück. Sein Lahnen ist das Signal für das brütende Weibchen für die bevorstehende Beuteübergabe. Das Weibchen antwortet meist mit »akzick«-Rufen. Das Männchen fliegt lahnend zum Rupfplatz, wo es die Beute, die meist schon ohne Kopf ist, rupft. Auf das Locklahnen des Männchens fliegt das Weibchen "akzickend" zum Rupf- oder Übergabeplatz, wo beide Falken die Rollen tauschen. Das abgelöste Weibchen kann nun die Beute verzehren, Koten und ausgiebig Gefiederpflege betreiben. Bevor es wieder die Bebrütung übernimmt, folgt meist noch ein Bewegungsflug, der durchaus auch weiter vom Horst weg führen kann. An den Horst zurückgekehrt drängt es das Weibchen auf die Eier. Das Männchen wird oft unter Gezeter regelrecht vom Gelege geschubst.

Während der Bebrütungszeit jagen die Männchen fast die gesamte Beute (Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel). Während der letzten Brutwoche bringt das Männchen die Beute meist an den Horstrand, um dann das Weibchen aus der Brutmulde heraus zu komplementieren. In diesem Brutstadium ist es möglich, daß das Weibchen schon nach 10 Minuten mit der halbgekröpften Beute zurückkommt und das Männchen vom Gelege wegscheucht. Es kröpft dann im Horst weiter.

Von dieser Normalverteilung der Geschlechter kann es erhebliche Abweichungen geben. Bei jungen Weibchen kann das Männchen auch den Hauptteil der Bebrütung übernehmen. Gar nicht selten, besonders bei schlechter Witterung, kommt es während der Brutzeit vor, daß keine rechtzeitige Brutablösung erfolgt, weil der Partner ausbleibt. Der nichtabgelöste Falke wird unruhig und lahnt nach Futter und Ablösung. Nach einiger Zeit verläßt er das Gelege, um Nahrung aus dem Depot zu holen oder gar selbst zu jagen. An Tagen mit überschüssiger Beute wird diese im Felsen deponiert. Diese Depots können im gleichen Felsen liegen, aber auch in einiger Entfernung in anderen Felsen. Falls der fehlende Falke am nächsten Tag wieder erscheint, wird dies in der Regel ohne Schaden überstanden.

5 Schlupf und Aufzucht der Jungvögel

Nach 29 bis 32 Tagen schlüpfen die Jungvögel. Die Jungvögel tschirpen vor dem Schlupf aus dem Ei. Dieses Tschirpen oder »jäk-jäk« wird bis zu 48 Stunden vor dem Schlupf, beim Schlupfvorgang und auch noch nach dem Schlupf beim Trocknen der Dunen vom Jungvogel geäußert. Harte Rufe wie »chup«, auch gut mit »klock« beschrieben, werden vom Weibchen geäußert, um die kleinen Jungvögel zum Sperren des Schnabels zu veranlassen. Später äußert das Weibchen hallende und nasale Klapplaute wie »jäch« oder »hiak«, wenn sie den Jungen Futter präsentiert. Die Jungen lassen später Bettelrufe wie »jiü« vernehmen. Wenn die Jungvögel älter werden, verändert sich der Bettelruf in »wääik«. An den Bruchhauser Steinen kann man die Lautäußerungen der Falken mit dem Richtmikrophon gut hören.

Junge Wanderfalken nach der Beringung auf einer Autobahnbrücke in Ostwestfalen (NRW).

In den ersten 8 bis 10 Tagen nach dem Schlupf werden die Jungvögel vom Weibchen gehudert. Das Weibchen ist in dieser Zeit ständig im Horst. Das Männchen bringt nur Beute. Vom 10 bis 20ten Tag schließt sich die Zeit an, in der das Weibchen die Jungen bewacht. In dieser Zeit können die Jungvögel im Horst herumlaufen, sofern dieser groß genug ist. Bei großen Horsten wie an den Bruchhauser Steinen kommen die Jungen noch nicht an den Horstrand und sind deshalb nicht zu sehen. Auch in dieser Zeit bringt das Männchen nur Beute. Nach 21 Tagen beginnen die Jungen selbst zu kröpfen. Sie werden aber meist noch gefüttert. Hudern und Füttern der Jungvögel ist in dieser Zeit auch von dem Männchen möglich. Vom 21 bis 30ten Tag wechseln sich Männchen und Weibchen beim Jagen, Bewachen und Füttern der Jungvögel ab. Die Jungvögel beginnen aus der Horstmulde zu wandern. Nach etwa 30 Tagen beginnen die Jungen mit Flugübungen. Die Bewachung wird jetzt überwiegend vom Männchen übernommen oder bereits ganz eingestellt. Das Männchen schlägt Beute jetzt nur noch im engeren Horstumfeld. Die Jagd wird also jetzt überwiegend vom Weibchen übernommen.

Es erfolgt nach 35 bis 52 Tagen (Durchschnittswert ca. 42 Tage), der Jungfernflug der Jungfalken, der sich infolge unterschiedlich langer Nestlingszeiten über mehrere Tage hinziehen kann. Meist haben Einzeljungvögel eine längere, 3 bis 4 Junge eine kürzere Nestlingszeit. Einzelnen Jungen steht ein Überangebot von Nahrung zur Verfügung und können so etwas wie Babyspeck ansetzen, sie haben es deshalb mit dem Flugtraining und Ausfliegen nicht so eilig. Zuweilen ist es sogar notwendig, daß die Altfalken den Jungvogel auf Diät setzen müssen, um ihn zum Ausfliegen zu motivieren. Dagegen müssen mehrere Junge um die Nahrung konkurrieren und beginnen deshalb sehr viel früher mit dem Flugtraining. Aber auch bei mehreren Jungvögeln füttern die Altfalken zum Ende der Nestlingszeit deutlich weniger. Der Start ins neue Leben darf nicht durch Übergewicht behindert werden. Beim Ausfliegen können noch unsichere Jungfalken die Landung auf dem Felsen verpassen und vor dem Felsen landen. Falls der Jungfalke den Wiederstart nicht bis zur Dämmerung schafft, kann es kritisch werden. Dies kann vor allem bei Regen vorkommen, wenn der Jungfalke keine Deckung findet und das Gefieder durchnäßt wird. Der Jungfalke könnte in der Nacht Opfer von Prädatoren (v. a. Fuchs und Marder) werden. In diesen Fällen wird der Jungfalke am besten in menschliche Obhut genommen und am nächsten Morgen auf den Felsen zurückgebracht, da nachts Fuß und Krone des Horstfelsens von Prädatoren nach Beuteresten abgesucht werden. Bei Kontrollen unterhalb des Brutfelsens an den Bruchhauser Steinen (Bornstein) konnte wiederholt Fuchskot nachgewiesen werden.

Zwei ca. 33 Tage alte Wanderfalken vor der Beringung auf einem Fernmeldeturm im Sauerland (NRW).

Während der Aufzuchtzeit wurden die frühesten Fütterungen zwischen 4 und 5 Uhr beobachtet. Sie können abends auch in tiefer Dämmerung stattfinden. Die durchschnittliche Fütterungsfrequenz scheint sich während der Aufzucht nicht wesentlich zu ändern. Es wird 3 bis 6 mal täglich gefüttert. Später werden die Fütterungen nicht häufiger, die gebrachte Beute aber größer. Nach dem Ausfliegen wird die Beute auch zum Training der Jungen genutzt. Es kommen mehrere Varianten vor. Zum einen setzt sich der Altfalke mit der Beute in einiger Entfernung auf den Felsen, so daß die Jungfalken erst fliegen müssen, um ihre Nahrung zu erhalten. Der adulte Falke muß sich vor den oft heftig attackierenden Jungen regelrecht schützen. Im zweiten Fall fliegt der Altfalke mit der Beute heran, ruft die Jungen, rollt sich zur Seite und übergibt die Beute von Fang zu Fang, oder aber er läßt die Beute fallen, und der Jungfalke muß sie auffangen. Wenn der Jungfalke die Beute verfehlt, ergreift einer der beiden Altfalken die Beute wieder und das Spiel beginnt von neuen. Bei einer dritten Variante fliegt der beutetragenden Altfalke vor den Jungfalken her, so dass diese folgen müssen. Noch lebende, meist in Horstumgebung gegriffenen Beute, wird vor den Jungfalken freigelassen und die Jungfalken müssen versuchen, diese zu schlagen. Es ist unklar, ob dieses in "bewußter" Absicht geschieht.

Erst 7 bis 8 Wochen nach dem Ausfliegen können die Jungfalken selbständig Beute schlagen (einzelne Jungfalken können bereits kurz nach dem Ausfliegen selbständig Beute greifen). Die Jungfalken zeigen in dieser Zeit im Horstumfeld herrliche Flugspiele. Häufig versuchen sie sich spielerisch zu jagen. Nach und nach wird das Aktivitätsraum der Jungfalken größer. Von Mitte Juli bis Mitte September löst sich der Familienverband langsam auf. Die Jungfalken verlassen das Brutrevier. Die bevorzugte Zugrichtung ist Südwest, aber auch aus allen anderen Himmelsrichtungen liegen Ringfunde von beringten Jungfalken vor. Nachdem die Jungalken das Brutrevier verlassen haben, beginnt der Zyklus mit den ersten Balzspielen von neuen.

6 Quellen

Cramp, S. & K. E. L. Simmons (Hrsg.) (1980): Handbook of the Birds of Europe, the Middle East and North Africa II., Oxford Univ. Press., Oxford.

Fischer, W. (1973): Der Wanderfalk. Neue Brehm Bücherei, Ziemsen Verlag, Wittenberg.

Glutz v. Blotzheim, U. N., K. M. Bauer & E. Bezzel (1971): Handbuch der Vögel Mitteleuropas 4: Falconiformes. Akadem. Verl. Ges., Frankfurt a. M.

Hepp, K., F. Schilling & P. Wegener (Hrsg.) (1995): Schutz dem Wanderfalken. 30 Jahre Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz (AGW) - eine Dokumentation. Beih. Veröff. Naturschutz u. Landschaftpflege Bad.-Württ. 82.

Ratcliffe, D. (1993): The Peregrine Falcon. Poyser, London.

Schilling, F. & P. Rockenbauch (1985): Der Wanderfalke in Baden-Württemberg - gerettet!. Beih. Veröff. Naturschutz u. Landschaftpflege Bad.-Württ. 46, 7-78.

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