Asperger-Syndrom
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Klassifikation nach ICD-10 | ||
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F84.5 | Asperger-Syndrom | |
ICD-10-GM Version 2020 |
Das Asperger-Syndrom (AS) ist eine Variante des Autismus und wurde bisher zu den Störungen der neuronalen und mentalen Entwicklung[1] gerechnet. Von anderen Autismusformen unterscheidet Asperger sich vor allem dadurch, dass im Regelfall eine unbeeinträchtigte Sprachentwicklung und keine Intelligenzminderung vorliegt.[2]
Inhaltsverzeichnis
- 1 Geschichte
- 2 Merkmale der Autismusspektrums-Störung
- 3 Erstmaliges Auftreten
- 4 Typische soziale Beeinträchtigungen
- 5 Typische sprachliche Schwierigkeiten
- 6 Weitere Auffälligkeiten
- 7 Häufigkeit und Ursachen
- 8 Diagnostik
- 9 Arbeiten von Tony Attwood
- 10 Spezielle intellektuelle Fähigkeiten
- 11 Positive soziale Eigenschaften
- 12 Autismus als Behinderung
- 13 Prognose
- 14 Autismus und psychische Krankheit
- 15 Literatur
- 16 Weblinks
- 17 Andere Lexika
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1 Geschichte
Der Begriff Autismus wurde vom Schweizer Psychiater Eugen Bleuler 1911 erstmals zur Beschreibung einer Zurückgezogenheit in die innere Gedankenwelt bei an Schizophrenie erkrankten Personen verwendet. Hans Asperger, ein österreichischer Kinderarzt, berichtete im Jahre 1944 erstmals von einer Autismusstörung, die nach ihm benannt wurde. Diese beiden Autismusformen unterscheiden sich in ihrem Schweregrad und den damit verbundenen Problemen für die Betroffenen und ihr Umfeld. Gleichwohl wurde das Asperger-Syndrom ebenso wie andere Erscheinungsformen zunächst weniger beobachtet, da diese erst in einem späteren Lebensalter auftreten.
2 Merkmale der Autismusspektrums-Störung
Kinder und Erwachsene mit einer dem Autismusspektrum zuzurechnenden Störung können genauso wie nicht davon betroffene Menschen sehr unterschiedliche intellektuelle Fähigkeiten besitzen. Die Art der Informationsverarbeitung ist jedoch anders als bei den in der Gesellschaft allgemein als normal angesehenen, sogenannten neurotypischen Personen (NT). Der Hauptunterschied dazu ist bei autistischen Personen eine schwächere bzw. vom üblichen abweichende Verbindung zwischen der Sinneswahrnehmung und dem Intellekt, so dass Situationen anders wahrgenommen bzw. eingeschätzt werden und Betroffene sich der Umwelt gegenüber nur eingeschränkt mitteilen können. Außerdem erfolgt die Sinneswahrnehmung weniger selektiv. Infolgedessen werden diverse von den Sinnesorganen aufgenommene Informationen zeitgleich mit nahezu gleicher Intensität verabeitet. Betroffene werden daher von Anderen als Überempfindlich, z.B. auf bestimmte Geräusche, Gerüche und Lichtverhältnisee sowie Berührungen, wahrgenommen.
3 Erstmaliges Auftreten
Autismus wird den Tiefgreifenden Entwicklungsstörungen zugerechnet und tritt bereits in der frühesten Kindheit auf. Bei Kindern mit schwerer ausgeprägtem Autismus und zugleich geringer Intelligenz können bereits im Alter von wenigen Monaten deutliche Auffälligkeiten im Verhalten festgestellt werden, während sich bei weniger stark ausgeprägtem Autismus und zugleich höherer Intelligenz Verhaltensauffälligkeiten oft ersmals im Vorschulalter zeigen, obwohl die Autismusspektrums-Störung ebenfalls schon im Alter von wenigen Monaten vorhanden gewesen sein kann.
4 Typische soziale Beeinträchtigungen
- Schwierigkeiten bis Unfähigkeit, Freundschaften mit Kindern gleichen Entwicklungsstandes aufzubauen
- Eingeschränkte bis keine Interaktion mittels Blickkontakt, Gesichtsausdruck und Körpersprache
- Schwaches bis fehlendes Einfühlungsvermögen
- Geringe oder keine soziale und emotionale Gegenseitigkeit
- Eingeschränkte Fähigkeit bis Unfähigkeit, soziale Signale und Regeln zu verstehen
- Schwierigkeiten bis Unfähigkeit, Gedanken und Ideen sprachlich auszudrücken, obgleich dies schriftlich gelingen kann
5 Typische sprachliche Schwierigkeiten
Bei weniger starkem Autismus, selbst bei höherer Intelligenz, sind zumeist Auffälligkeiten vorhanden, wie
- trotz flüssiger Sprache Schwierigkeiten mit Gesprächsführung
- Erzählweise mit der Neigung zu übertriebener Genauigkeit
- ungewöhnliche, oft eintönige Sprechweise
- Gesagtes wird zumeist übermäßig wörtlich genommen
Letzteres führt oft zu Missverständnissen. So enthält etwa die Frage "Wissen Sie, wie spät es ist?" die für jeden anderen verständliche Aufforderung, die Uhrzeit dann auch zu sagen. Wörtlich genommen ist aber "Ja" bereits eine richtige Antwort. Wenn eine Respektperson (z.B. Elternteil, Lehrer, Ausbilder oder Chef) feststellt, der Papierkorb sei voll, wird in ähnlicher Weise oft nicht die darin enthaltene Aufforderung verstanden, ihn zu leeren.
Bei stärkerem Autismus ist oft zu beobachten, dass angesprochene Betroffene ihnen gesagte Worte unmittelbar wiederholen, ohne sie in diesem Moment überhaupt verstanden zu haben.
6 Weitere Auffälligkeiten
Unabhängig vom Schweregrad besteht zumeist ein sehr ausgeprägtes Interessen an einem oder wenigen zumeist ungewöhlichen Spezialgebieten. Typisch sind auch Unbeholfenheit in der Bewegung und Probleme mit der Handschrift. Es besteht ein starkes Verlangen nach Routine, Ordnung und Ruhe, da sonst Probleme mit Organisation und Zeitmanagement entstehen. Insbesondere bei schwergradigerem Autismus ist oft zu beobachten, dass Betroffene ohne erkennbaren Zweck Körper, Arme, Beine oder den Kopf in immer wiederkehrender Weise bewegen.
7 Häufigkeit und Ursachen
Aussagen zur Häufigkeit des Vorkommens sind noch nicht gesichert. Forschungsergebnisse legen nahe, dass eine von ca. 250 Personen betroffen ist (0,4%). Als Ursache wird eine genetisch bedingte Beeinträchtigung bei der Entwicklung des Gehirns im Kindesalter angenommen. Psychosoziale Faktoren werden als Ursache ausgeschlossen.
8 Diagnostik
Die bisher aufgeführten Merkmale des Autismus werden bei der Diagnose von autistischen Störungen aktuell von fast allen Fachleuten als typische Symptome angesehen. Weniger schwere Symptome führen zur Asperger-Diagnose, bei schwereren wird Frühkindlicher Autismus diagnostiziert. In die Diagnose wird auch einbezogen, in welchem Lebensalter erstmals Auffälligkeiten zu beobachten waren. Fälle, die nicht in dieses Schema passen, werden dem Atypischen Autismus zugerechnet.
9 Arbeiten von Tony Attwood
Der in Australien lebende britische Psychologe, Klinikleiter und Autismusspezialist Tony Attwood bestätigt neben diversen anderen Autismusforschern die aktuellen Vorstellungen zum Autismus nur teilweise und sieht ein Spektrum autistischer Störungen mit individuell verschiedenem Schweregrad. Es geht ihm dabei um ein Verständnis für die besonderen Schwierigkeiten autistischer Menschen, aber auch um das Erkennen ihrer besonderen, nicht selten sogar außergewöhnlichen Fähigkeiten, die in den beiden nächsten Abschnitten zu finden sind. Er erkennt bei Betroffenen im Wesentlichen eine andere Art des Denkens, die seiner Meinung nach grundsätzlich nicht als krank anzusehen sei.
10 Spezielle intellektuelle Fähigkeiten
Attwood beobachtet bei den meisten Menschen mit einer Autismusspektrums-Störung ein starkes Verlangen nach Wissen, Wahrheit und Vollkommenheit. Sie setzen demzufolge andere Prioritäten, als andere Menschen. So sei es ihnen etwa wichtiger, ein Problem zu lösen, als Gefühle anderer Personen und die Vorstellungen von Gemeinschaften zu berücksichtigen. Auch würde ihnen Kreativität mehr als Kooperation bedeuten. Ferner sollen sie aufgrund ihrer übermäßigen Sensiblität für Details Fehler oft leichter erkennen können, während es ihnen jedoch häufig schwerfalle, das große Ganze zu erkennen.
11 Positive soziale Eigenschaften
Autistische Menschen, soweit dazu in der Lage, sind Attwoods Beobachtungen nach in ihren Äußerungen oft sehr direkt. Sie würden ehrlich und frei aus der Seele heraus sprechen. Dabei sagten sie, oft ohne Rücksicht auf damit gegebenenfalls verbundene Nachteile, ihre Meinung. Typisch sei auch ein ausgeprägter Sinn für soziale Gerechtigkeit. Die betroffenen Menschen würden zwar gern Beschäftigungen nachgehen, bei denen sie allein sind. Wenn es zu Freundschaften mit anderen Menschen kommt, würden sie diese aber mit Treue und Zuverlässigkeit pflegen. Auffällig sei auch ein Sinn für Humor. Dieser würde allerdings aufgrund ihrer Steuerungsprobleme von Gefühlsäußerungen oft nicht richtig verstanden.
12 Autismus als Behinderung
Zum Autismus zählende Störungen sind keine Krankheit, sondern gelten nach allgemeiner Auffassung als Behinderung. Es wird in Deutschland demzufolge nach entsprechender Antragstellung je nach Diagnose (Asperger-, Frühkindlicher oder Atypischer Autismus) in der Regel ein Grad der Behinderung (G.d.B.) von 50 bis 100 % zuerkannt. Erwachsene sehen sich aber oft vor dem Problem, dass es in Deutschland nur wenige Fachärtzte bzw. Kliniken gibt, die entsprechende Diagnosen stellen können oder dürfen, so dass in ihrer Region infolgedessen oftmals eine Möglichkeit dazu nicht vorhanden ist.
13 Prognose
Autismusspektrums-Störungen ändern sich nach Auffassung der meisten Autismus-Forscher in ihrer Intensität im Laufe des Lebens praktisch nicht, so dass eine Verschlimmerung nicht zu erwarten ist. Im Gegenteil gelingt es vielen Autisten durch Selbstreflektion und Trainieren sozialer Regeln sowie gegebenenfalls auch fremde Hilfestellungen, wie z.B. Sozialkompetenztraining und Psychotherapie, weitgehend normal und selbstbestimmt leben zu können. Bei der Berufsauswahl müssen nach Ansicht von Ärzten und Psychologen Überforderungen, z.B. durch Reizüberflutungen oder ständig wechselnde Arbeitszeiten, vermieden werden. Außerdem sollten sich besondere Fähigkeiten und Interessen in der beruflichen Tätigkeit wiederspiegeln. An der richtigen Stelle eingesetzt, können Menschen mit einer Autismusspektrums-Störung oft sogar mehr leisten, wie Menschen mit neurotypischer Persönlichkeit. Sie zeigen oft außergewöhnlich viel Ausdauer bei der Erledigung von Aufgaben und der Lösung von Problemen.
14 Autismus und psychische Krankheit
Eine dem Autismusspektrum zuzurechnende Störung an und für sich ist nach allgemeimer Auffassung von Experten keine psychische Krankheit. In Verbindung mit psychosozialen Faktoren kann sie aber das Auftreten psychischer Krankheiten begünstigen. Infolge der autistischen Störung oft auftretende Probleme bei der Partnersuche bzw. in einer Partnerschaft, insbesondere beim Zeigen und Entgegennehmen von Liebe und Zuneigung, sowie Frustrationen in Ausbildung und Beruf, haben oft schwere depressive Erkrankungen zur Folge. Überforderungen können außerdem manisch-psychotische Symptome nach sich ziehen, weshalb irrtümlicherweise eine Bipolare Störung (Manisch-Depressive Erkrankung) diagnostiziert werden kann. Häufige Missverständnisse infolge der eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit, z.B. mit Lehrern, Ausbildern, Nachbarn, Vorgesetzten, Mitschülern, Kollegen usw. können ein aktives in sich Kehren Betroffener zur Folge haben und in eine schizophrene Erkrankung münden. Häufig mit ablehnendem Verhalten der anderen konfrontiert, zeigt diese dann oft paranoide Tendenzen.
15 Literatur
- Tony Attwood: Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom, ISBN 978-3-8304-3392-7
- Ronald D. Laing: Die Politik der Familie, 1974 (englischsprachige Originalausgabe 1969), ISBN 13 9783462009736 / ISBN 3462009737 (antipsychiatrische Positionen insbesondere bezüglich Schizophrenie)
16 Weblinks
- Selbsttest auf Asperger-Syndrom - www.psychotherapiepraxis.at
- Asperger-Syndrom - www.autismus-nordbaden-pfalz.de
- Webseite von Tony Attwood: http://www.tonyattwood.com.au
- http://www.aspies.de
17 Andere Lexika
Bitte den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten! |
- ↑ DSM-5: Beschreibungstext und Kriterien zu Autismus-Spektrum-Störung (Schlüssel 299). 2015, ISBN 978-3-8017-2599-0, Kapitel zu Störungen der neuronalen und mentalen Entwicklung, S. 64 f.
- ↑ Clausen: Autismus-Spektrum-Störungen bei Erwachsenen. Psychiatrie Verlag GmbH, Köln 2016, ISBN 978-3-88414-629-3.
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