Études-Tableaux op. 33

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Sergei Rachmanninof um 1910 oder 1920 am Steinway
Die Etudes-tableaux op. 33 (fr. Bilder-Etüden) sind neun Klavieretüden des russischen Komponisten und Klaviervirtuosen Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow aus dem Jahr 1911.
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1 Entstehung

Rachmaninoff komponierte op. 33 zwischen dem 11. August bis 24. September 1911 [1] in seinem Landhaus für den Sommer, Ivanovka, nahe der Stadt Tambov. Uraufgeführt wurden zumindest Teile von op. 33 am 13. Dezember 1911 in Moskau von Rachmaninoff selber. [2] Bei der Erstveröffentlichung erschienen nur sechs Etüden. Die Nummern 3 bis 5 erschienen damals nicht. Nummer 4 wurde von Rachmaninoff später als op. 39/6 verwendet. Nummer 3 und 5 wurden 1947 aufgefunden und 1948 vom Russischen Staatsverlag herausgegeben. Seit 1969 wird op. 33 meist einschließlich der aufgefundenen Stücke 3 und 5 herausgegeben. In den Jahren 1916 und 1917 komponierte Rachmaninoff unter der Verzeichniszahl op. 39 neun weitere als Études-Tableaux benannte Etüden. Die verzwickte Entwicklungs- und Publikationsgeschichtegeschichte von op. 33 kann auch zu Verwirrungen führen, wenn z.B. manche Notenausgaben nur acht oder weniger und andere alle neun Etüden enthalten. So wird z.B. die vierte Etüde mitunter in op. 33 als Nr. 4 aber auch/oder in op. 39 als Nr. 6 geführt.

2 Zum Titel

Auf die vom Komponisten intendierte Verschmelzung der Konzertetüde mit einer Tondichtung für Klavier deutet der erstmalig von Rachmaninoff eingesetzte Titel Études-Tableaux (Bilder-Etüde bzw. Bildetüde) für Etüden hin. Diese Bezeichnung war vor Rachmanninofs op. 33 unbekannt. Ein Vorbild für einen den Ausdruck bezeichnenden Zusatz im Titel von Etüden könnte Franz Liszt mit seinen Etudes d’exécution transcendante gewesen sein. Einen ähnlichen Titel hatte schon Rachmanninoffs Suite op. 5 aus dem Jahr 1893 mit der Bezeichnung Fantasie Tableaux.

3 Musikgeschichtliche Stellung

Op. 33 gehört zur Gattung der Etüden bei denen es neben der Erstellung von Übungsmaterial für einzelne pianistisch-technische Probleme und der technischen und virtuos-effektvollen Komponente auch vermehrt um Probleme der musikalischen Darstellung bzw. des musikalischen Ausdrucks und um die Darstellung von Kompositionsprizipien geht. Ebenso wie die Etüden von Frederic Chopin (op. 10 und op. 25), Franz Liszt (Paganini-Etüden und Etudes d’exécution transcendante), Claude Debussy (Préludes pour piano) oder Alexander Scriabin stellen sie die phantasievollen und durchwegs spielenswerten Studien [3] außerdem Kunstwerke mit eigenen, rein künstlerischer Aussage jenseits des reinen Übungszwecks dar, die auch im Konzertsaal aufgeführt werden.

4 Zielgruppe

op. 33 richtet sich eher an sehr fortgeschrittene Klavierspieler bzw. professionelle Pianisten. Die meisten Hobby-Pianisten dagegen dürften sich an den technischen Anforderungen von op. 33 die Zähne ausbeißen. Erschwerend kommt hinzu dass Rachmanninoff in op. 33 wie auch anderen Klavierwerken anscheinend seine eigene, extrem große Spannweite der Hände für den Klaviersatz zugrunde gelegt hat. Klavierspielern mit kleineren Händen bleibt manchmal nichts anderes übrig als an einigen Stellen, wie z.B. im zweiten Teil der Etüde Nr. 3, eigene Lösungen wie z.B. das Arpeggieren einzusetzen. Besonders hohe Anforderungen nicht nur an die manuell-haptische sondern auch die musikalisch-gedankliche Unabhängigkeit der Ausdrucksfähigkeit des Pianisten stellt die Darstellung verschiedener und teilweise gegensätzlicher musikalischer Elemente/Abläufe in einer Hand (näher dargestellt im folgenden z.B. im Abschnitt "Nr. 1") dar. Die Etüden op. 39 sind dann technisch gesehen noch etwas anspruchsvoller.

5 Außermusikalische Bilder

Rachmanninof selber war kein Freund verbaler Charakterisierungen von Instrumentalmusik durch den Komponisten selber, und wollte der Phantasie des Hörers nicht vorgreifen. So meinte er u.a.:

"Ich halte nicht viel von der Offenbarung/Offenlegung der dem Enstehungsprozess eines Werkes zugrunde liegenden Bilder durch den Komponisten. Lasst den Zuhörer für sich selber das ausmalen, was das Werk in ihm am meisten auslöst/suggeriert." [4]

Also hatte Rachmanninof auf programmatische Hinweise oder Untertitel in op. 33 verzichtet. Als jedoch Sergei Kussewizki vorschlug, einige der Stücke dem italienischen Komponisten Ottorino Respighi zur Orchestrierung zu überlassen, erklärte Rachmaninow sich einverstanden und deutete Respighi brieflich einige der ihm zugrunde liegenden optischen Bilder an. Respighi vertonte vier Titel aus op. 39 und nur einen aus op. 33. Zu dem von Respighi vertonten op. 33, Nr. 7 schrieb Rachmanninof, dass dieses eine Jahrmarktszene darstelle. [5]

6 Die einzelnen Etüden

Die Etüden sind mit zwischen 30 und 70 Takten und einer, je nach Interpret natürlich abweichenden Aufführungsdauer von meist zwei bis vier Minuten relativ kurz gehalten. Am kürzesten ist die Etüde Nr.5 bzw. Nr. 6 mit 30 bzw. 56 Takten die beide ungefähr anderthalb Minuten dauern. Von der Taktanzahl am umfangreichsten ist die Etüde Nr. 1, während von der reinen Aufführungszeit die Etüde Nr. 3 mit circa vier Minuten am längsten dauert. Die einzelnen Titel enthalten meist zwei sich musikalisch voneinander abhebende Teile und lassen sich überwiegend nach dem Schema AB bzw. ABA gliedern. Häufig ist dieser Gliederung noch eine relativ frei gehaltene Coda angegliedert.

6.1 Nr. 1

Die erste, 74 Takte lange und mit Allegro ma non troppo überschriebene Etüde in f-Moll komponierte Rachmanninoff am 11. August 1911. In dem marschähnlichen Stück kontrastiert eine langezogene Melodie in der rechten Hand mit einem auf die linke und rechte Hand aufgeteilten Komplex aus absteigenden Oktavgriffen und bis zu vier- und fünfstimmigen Akkorden. Das Stück erfordert solide Fähigkeiten im schnellen Oktav- und Akkordspiel. Die gleichzeitige Darstellung der langezogenen Melodie im Legato und der rhythmisch gestalteten Akkordblöcke und Bässe der Begleitung mit der rechten Hand stellt eine besondere Herausforderung für den Pianisten dar. [6] Als zusätzliche Erschwerniss tritt in Takt 4 bis 8 und auch im weiteren Verlauf des Stückes ein kontrapunktisches, punktiertes Motiv in der linken Hand hinzu, welches auch musikalisch gestaltet werden muss. Die raschen Harmoniewechsel und der Wechsel der Taktart zwischen 2/4, 3/4, 4/4, 5/4 und 3/2 (zwischen Takt 43 und 49 wechselt das Metrum z.B. sogar taktweise) machen das ganze auch nicht leichter zu spielen. Ab Takt 33 wird der durchgehende Rhythmus kurz im Pianissimo unterbrochen. Die 19-taktige Coda ist dann ohne den Marschrhythmus im piano und pianissimo gehalten. Man kann in dem Stück Parallelen zu Frederic Chopins Etüde op. 25, Nr. 4 sehen.

6.2 Nr. 2

Die zweite Etüde in C-Dur umfasst 44 Takte und ist mit der Tempobezeichnung Allegro versehen. Rachmanninoff komponierte die Etüde, welche den schwebenden Charakter eines chopinschen Nocturne hat am 16. August 1911. Der Titel besteht aus einer langgezogenen melodischen Linie in der rechten Hand und einer Begleitung mittels gebrochener Dreiklänge in der linken Hand. Diese fast durchgehende Begleitung erfordert vom Spieler Durchhaltevermögen und ist auch wegen der erforderlichen, großen Spannweite der linken Hand nicht einfach zu bewältigen. Der Titel hat nach Max Harrison einen "modalen Charakter" und ähnele Scriabins Prelude op. 11, Nr.1. [7] In den ersten neun Takten wird ein mit Oktavsprung beginnendes Motiv Oktavsprung in der zweigestrichenen Oktave zweimal vorgestellt. In den folgenden Takte wechselt sich der Anfangsteil dieses Motivs mit einem neuen Motiv in der tieferen Lage (Kleine und eingestrichene Oktave) der rechten Hand taktweise ab. Ab Takt 22 wird das Sprungmotiv der Oberstimme im Oktavintervall (c2 - c3) intervallmäßig erweitert (c2 - es3, g2 - b3) und auch in höherer Tonregionen wie die drei- und schließlich fast die viergestrichene Oktave versetzt (vom c2 über das f2 und g2, c3 und schließlich dem Sprung c3 - c4). In diesem Abschnitt wird der dramatische Höhepunkt der Etüde erreicht. Danach wird der Titel wieder ruhiger und das Motiv kehrt in seine ursprüngliche Tonlage zurück. Die letzten Takte bestehen dann aus einer von beiden Händen dargestellten Begleitung bevor dass Stück in einem lang ausgehaltenen Triller über weitgriffigen, arpeggierten Akkorden endet.

6.3 Nr. 3

Die dritte, 44 Takte umfassende und mit der Bezeichnung Grave überschriebene Etüde in c-Moll komponierte Rachmanninoff zusammen mit der vierten und fünften Etüde am 18. August 1911. Sie ist in zwei Teile mit einer angehängten Coda gegliedert. Der erste, 17-taktige Teil hat einen an Kompositionen von Franz Liszt, aber auch an Klavierkonzerte und Sinfonien Rachmanninoffs selber erinnernden dramatisch-dämonischen Charakter. Rasante Läufe wechseln mit vollgriffigen Akkorden und Arpeggien, verhaltenem Spiel im pianissimo und plötzlichen Pausen sowie Registerwechseln. Dazu kommt eine teilweise apruppt wechselnde rhythmische Gestaltung und eine sehr variable Dynamik mit teilweise auch plötzlichen Wechseln zwischen den Extremen von ff und pp und etlichen crescendi und diminuendi/decrescendi. Es werden im weiteren Verlauf des ersten Abschnitts dann verstärkt auch erweiterte/alterierte Harmonien und mitunter auch modale Bildungen verwandt. Wie in einigen anderen Etüden auch sind manche Akkorde bzw. Figuren des ersten Abschnittes von Nr. 3 entgegen dem Notentext für den mit durchnittlichen Spannweiten der Hände ausgestatteten Spieler ohne Arpeggierung nicht mehr greifbar. Als Beispiel seien hier die eine Oktave und Quinte umfassenden Akkord c1 - g1 - c2 - g2 in den Takten 1, 2 und 4 bis 6, sowie der Griff h0 - g1 - h1 - g2 in Takt 12 genannt. Der zweite Abschnitt ist musikalisch sehr gegensätzlich gestaltet. Linke und rechte Hand bilden gemeinsam einen fließenden Teppich aus Akkordbrechungen in Sechzehntel-Notenwerten. Der Abschnitt ähnelt der Etüde Nr. 2. Wie in Nr. 1 steht der Interpret hier vor der schwierigen Aufgabe mit der rechten Hand eine durchgehende Legato-Begleitung und gleichzeitig eine langgezogene und aktzentuierte Melodie in der Oberstimme darzustellen. Ab Takt 31 ist die Melodielinie dann in chromatischem Aufsteig vom g zum c befindlich. Die linke Hand wechselt für zwei Takte zu Sextolen und Quintolen bevor dann die Oberstimme überwiegend chromatisch über d, des, c, b absteigt .

6.4 Nr. 4

Das 62 Takte umfassende in d-Moll stehende und mit der Tempobezeichnung Moderato überschrieben Stück erschien nicht in der ursprünglichen Ausgabe von op. 33. Rachmanninoff komponierte es am 18. August 1911. Bestimmend ist hier nach einer zweitaktigen Unisono-Einleitung in Quinten ein prägnantes, primär rhythmisches Motiv der rechten Hand in Terzen und Quinten sowie später in Sexten über der Akkordfolge d-Moll, A-Dur, F-Dur, A-Moll, B-Dur, Es-Dur, d-Moll und a-Moll. Die Begleitung ist teilweise ähnlich wie in Nr. 1 mittels eines Wechsels aus Oktavbässen und Akkorden gestaltet. Nur ist die Begleitung nicht wie in Nr. 1 alternierend auf beide Hände verteilt sondern allein der linken Hand übertragen.

7 Hörbeispiele

8 Andere Lexika

9 Einzelnachweise

  1. Anm.: Der Zeitraum bezieht sich ebenso wie die genannten Daten zur Entstehung der einzelnen Etüden im weiteren Verlauf des Artikels auf die von Rachmaninoff in den handschriftlichen Manuskripten der Werke angegebenen Datumsbezeichnungen. Wie lange Rachmaninoff eventuell vorher schon an den einzelnen Stücken arbeitete lässt sich daraus natürlich nicht ableiten.
  2. Max Harrison: Rachmaninoff - Life, Works, Recordings, Leicester University, 2006, S. 177
  3. Klaus Wolters: Handbuch der Klavierliteratur - Klaviermusik zu zwei Händen, Atlantis Musikbuch-Verlag, 5. Aufl., 1993, S. 493
  4. Freie Übersetzung des Pluspedia-Autors nach der englischen Originalaussage: "I do not believe in the artist disclosing too much of his images. Let them [listeners] paint for themselves what it most suggests."Nach David Dubal: The art of the piano, Summit Books, New York, 1989, S. 385; zitiert nach Nancy Bachus: Beyond the Romantic Spirit, Book & CD, S. 11, Online hier einsehbar
  5. Leider nur nach der unwissenschaftlichen und häufig Falschinformationen verbreitenden Online-Enzyklopädie Wikipedia in deren Artikel 17 Etudes-tableaux op. 33 & 39 (Rachmaninow).
  6. Albert Faurot: Concert piano repertoire - A manual of solo literature for artists and performers, Scarecrow Press, 1974, S. 238
  7. Max Harrison: Rachmaninoff - Life, Works, Recordings, Leicester University, 2006, S. 178

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