Pocken (Historisch)

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Pocken (auch Blattern, Menschenpocken, Variola), ist eine ansteckende schwere Konstitutionserkrankung, in deren Verlauf sich ein eigentümlicher Hautausschlag entwickelt.

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1 Geschichte

Die P. treten als Epidemien auf, ihre Entstehung wird in das 6. Jahrh., von andern sogar weit in die Anfänge der geschichtlichen Zeitrechnung verlegt. Erst vom 10. Jahrh. an hat die Seuche in wiederholten verheerenden Zügen Mitteleuropa heimgesucht; sie wurde im 16. Jahrh. nach Schweden, später auch in die neuentdeckten Länder Asiens, Amerikas und Afrikas verschleppt. Seitdem Ende vorigen Jahrhunderts durch Jenner die Schutzimpfung eingeführt ist, hat sich die Sterblichkeit ganz erstaunlich verringert, so daß eigentliche Völkerseuchen nicht mehr aufgetreten, auch wohl in Zukunft nicht mehr zu befürchten sind.

2 Die Übertragung

Die Übertragung geschieht nur durch Berührung (Kontagion) mit Lymphe aus Pockenpusteln. Diese enthält als Ansteckungsstoff Spaltpilze, welche durch ihr Wachstum die Krankheit hervorrufen. Diese Pilze sind wahrscheinlich in Bezug auf ihre Lebensenergie verschiedenartig, man unterscheidet eine mehr harmlose Spezies, welche leichte Formen (Variolois) hervorbringt, etwas heftiger wirkende Kuhpockenpilze (Vaccina) und schließlich eine bösartige Abart, welche die eigentlichen Menschenpocken (Variola) erzeugen. Die nahe Verwandtschaft der drei Krankheitserreger zeigt sich einmal darin, daß Ansteckung mit dem einen Gifte dieselben Erscheinungen einleiten kann, welche eigentlich dem andern zukommen (Variolois-Ansteckung kann z. B. Variola erzeugen), und zweitens darin, daß ein Organismus, welcher eine dieser Ansteckungskrankheiten durchgemacht hat, gegen erneute Berührung mit einem jeden derselben unempfänglich geworden ist.

3 Der Krankheitsverlauf

Anatomisch beginnt der Ausbruch der P. mit der Bildung roter Flecke und Knötchen, denen dann ein Bläschen mit anfangs klarem, dann eiterigem Inhalt folgt. Die Bläschen wandeln sich so allmählich in Pusteln um. Endlich zerreißen die Pusteln an ihrer Spitze, ihr Inhalt fließt aus, und es bilden sich an ihrer Stelle kleine offene Geschwüre, welche mit Zurücklassung netzförmiger, vertiefter Narben verheilen. Diese Veränderungen beobachtet man jedoch nur bei den schwerern Pockenfällen. Bei den leichtern Fällen kommt es entweder gar nicht oder nur in geringerm Grad zur Eiterbildung und zur nur oberflächlichen Zerstörung der Haut, und die zurückbleibende Narben sind unbedeutend und kaum wahrnehmbar. An andern P. kommt es gar nicht bis zur Eiterbildung, die Entzündung des Hautgewebes zerteilt sich wieder, es entsteht kein Substanzverlust, es bleiben also auch keine Narben zurück. Im letzteren Fall durchbricht der Inhalt der Pockenpusteln gewöhnlich nicht die Decke derselben, sondern vertrocknet zu dunkelbraunen runden Schorfen. Diese fallen ab und hinterlassen noch für einige Zeit rote, etwas hervorragende Flecke, die sich aber auch bald entfärben und abschwellen. Die einzelnen Hautpocken stehen bald in größerer Entfernung voneinander, bald stehen mehrere gesonderte Pockenpusteln auf einem gemeinsamen geröteten Hof, bald fließen mehrere Pusteln miteinander zusammen. Mischt sich der eiterige Inhalt der Pockenpusteln mit Blut, welches aus den freien Gefäßen des geröteten Mutterbodens austritt, so entstehen die gefürchteten schwarzen P.

In sehr seltenen Fällen tritt Brand der Haut zu den P., und die Bläschen füllen sich mit einem mißfarbigen jauchigen Inhalt (Variolae gangraenosae). Aber nicht bloß die äußere Haut, sondern auch die Schleimhaut werden der Sitz von Pockeneruptionen. Am häufigsten treten die P. auf der Bindehaut des Auges, der Schleimhaut des Mundes, des Schlund- und Kehlkopfs, der Luftröhre und ihrer größern Äste, der Genitalien und der Harnröhre aus. Bei Knaben kommen häufig derbe, durch die Haut durchzufühlende Entzündungsknoten in den Hoden vor, welche mit Schwund des erkrankten Drüsengewebes heilen.

In schweren Fällen der Pockenkrankheit stellt sich etwa am 9.-12. Tag nach erfolgter Ansteckung, während welcher Zeit gewöhnlich gar keine Symptome der Infektion vorhanden sind, noch vor Ausbruch der P. ein anhaltendes, abends sich steigerndes Fieber ein, welches etwa 3 Tage lang, meist mit steigender Heftigkeit, andauert. Der Beginn des Fiebers tritt oft mit Schüttelfrost, mit Erbrechen, ziehenden Schmerzen im Rücken, in den Schultern und Extremitäten, Muskelzuckungen, Aufschrecken aus dem Schlaf, Irrereden oder ungewöhnlicher Mattigkeit auf. Nun findet etwa am 4. Tag nach Beginn des Fiebers der Ausbruch der P. statt unter Augenschmerzen und reichlichem Thränenfluß, unter Brennen und Anschwellen der Haut, besonders am Kopf, unter Halsschmerzen, Schling- und Harnbeschwerden. Diese Symptome rühren teils von der Entzündung der äußern Haut, teils von der variolösen Affektion der verschiedenen Schleimhäute her. Der Ausbruch der P. über den Körper geschieht von oben nach unten. In 3 Tagen ist meist der Ausbruch vollendet, und das früher vorhandene Fieber hört ganz auf oder läßt doch bedeutend nach. Der Kranke fühlt sich, wenn die Pockeneruption nicht zu reichlich ist, verhältnismäßig wohl. Etwa am 6. Tag nach dem ersten Ausbruch der P. und am 9. Tag nach Eintreten der ersten Fiebererscheinungen entwickelt sich in den P. die Eiterung, welche in derselben örtlichen Aufeinanderfolge wie der Ausbruch der P. eintritt. Die Rötung und Schwellung der betreffenden Hautpartien und die Schmerzen daselbst nehmen beträchtlich zu. Das Fieber, welches gemäßigt oder selbst geschwunden war, steigert sich wieder oder stellt sich mit wiederholtem Frösteln von neuem ein (Eiterungsfieber) und wird für viele Pockenkranke dadurch gefährlich, daß die Körpertemperatur eine Höhe erreicht, bei welcher das Leben nicht fortbestehen kann. Hierzu kommen nicht selten Blutaustritte in den Pockenbläschen, zuweilen übermäßiges Nasenbluten, Bluthusten und Blutflüsse aus andern Organen, namentlich aus den Nieren in Form des Blutharnens. Die Gefahr ist zu dieser Zeit außerordentlich groß. Übersteht der Kranke das Fieber, so lassen allmählich die Beschwerden nach, die P. verschorfen, fallen ab, und nach 4-6 Wochen ist die Heilung vollendet.

Bei den leichtern Pockenfällen (Variolois) bieten die Symptome nur gradweise Verschiedenheit von denen der Variola dar. Das Fieber, welches dem Ausbruch der P. vorausgeht, ist weniger intensiv und von kürzerer Dauer. Der Pockenausbruch selbst ist schon nach 24-36 Stunden beendet, die Anzahl der P. ist geringer, sie stehen weniger dicht, die Umwandlung der Knötchen in Bläschen und Pusteln findet schneller statt als in schweren Fällen. Die Affektion der Schleimhaut ist eine weniger bedeutende. Das Fieber verliert sich mit der vollendeten Eruption gänzlich, und es tritt damit fast immer ein Wohlbefinden ein, welches nur wenig durch die Schleimhautaffektion gestört ist. Gewöhnlich tritt die Vertrocknung der Pusteln schon 5-6 Tage nach ihrem Ausbruch ein. Nach dem Abfall der Schorfe bleiben keine oder nur ganz unbedeutende Narben zurück.

4 Die Behandlung

Die Bekämpfung der P. gründet sich auf die oben erwähnte Erfahrung, daß dasselbe Individuum nur einmal befallen wird, selbst wenn es nur die mildern Formen des Ansteckungsgifts überwunden hat. Vgl. Impfung. Die Behandlung der ausgebrochenen P. kann nur eine symptomatische sein, da wir nicht im stande sind, den typischen Verlauf der Krankheit zu unterbrechen oder abzukürzen. Im Fieberstadium vor dem Ausbruch der P. paßt für den Kranken ein mäßig kühles Verhalten, eine Zimmertemperatur von 12-14° R., ein nicht zu schweres und zu warmes Bett, als Getränk kaltes Wasser oder Limonade, nicht aber warmer Thee; feste Speisen dürfen gar nicht gereicht werden. Bei vorhandener Stuhlverstopfung sind Klystiere von Wasser mit Essigzusatz anzuwenden. Während des Pockenausbruchs kann man Kaltwasserumschläge auf die Augen und auf die sehr gespannten und schmerzhaften Hautstellen auflegen. Erreicht das Eiterungsfieber eine beträchtliche Höhe, so empfiehlt sich am meisten die Darreichung großer Dosen von Chinin und die Anwendung mehrmals, oft stündlich wiederholte kühler Bäder, welche notorisch die Körpertemperatur stark herabsetzen. Ist das Fieber verschwunden, und sind die Pusteln im Austrocknen begriffen, so muß dem Patienten eine leichtverdauliche, aber nahrhafte Diät, selbst Wein, gewährt werden, denn die Kranken fühlen sich äußerst erschöpft. Die Schorfe dürfen nicht abgekratzt, höchstens durch feuchtwarme Umschläge abzulösen versucht werden. Kinder muß man in dieser Beziehung sorgfältig überwachen und sie besonders auch an dem unwillkürlichen Kratzen während des Schlafs verhindern.

5 Pocken der Haustiere

Die Pocken der Kühe (Variolae vaccinae) sind anatomisch von den P. der Menschen nicht verschieden. Sie treten besonders am Euter und auf der feinen Haut zwischen den Hinterschenkeln auf und werden auf empfänglichen Tieren durch das Kontagium der Menschenpocken erzeugt, welches aber im Organismus des Rindes eine Degeneration erleidet, da es, vom letztern auf den Menschen übertragen, nur eine spezifische Lokalaffektion hervorruft (vgl. Impfung). In Deutschland treten Kuhpocken selten auf. Mit ihrer Entwickelung, welche in 6-7 Tagen vollendet ist, entsteht eine Entzündung am Euter, von welchem einzelne Teile für die Milchsekretion verloren gehen können. Das Allgemeinbefinden leidet nicht wesentlich.

Zur Behandlung empfehlen sich warme Bähungen des Euters, öfteres Ausmelken, Baden der wunden Stellen und Bestreichen mit Fett. Bei Schafen erlischt nach einmaliger Durchseuchung die Empfänglichkeit für das Pockengift, und man hat deshalb die Schafe allgemein geimpft, übersah dabei aber, daß hier nicht eine modifizierte (wie beim Menschen), sondern die Lymphe aus natürlichen P. übertragen werden muß. Mithin wird durch Impfen das Kontagium der Schafpockenseuche künstlich konserviert, und die meisten Eruptionen der Seuche wurden durch Ansteckung von geimpften Schafen vermittelt. Etwa 6-10 Tage nach der Ansteckung zeigen die Tiere Mattigkeit, Appetitstörung, Rötung der Augenschleimhaut, aus kleinen roten Flecken am Kopf, Brust, Bauch entwickeln sich Knötchen und zuweilen kleine Bläschen, deren Inhalt nach 3-4 Tagen eiterig wird. Mit dem Abtrocknen der P. schwinden die Krankheitserscheinungen, und nach Ablauf der dritten Woche tritt Genesung ein. Vereinigen sich aber die Knötchen zu flachen Geschwülsten, u. entstehen größere Geschwürsflächen, so magern die Tiere ab, fressen fast gar nicht, zeigen Ausfluß aus Augen und Nase und sterben in der Regel.

Bei kalter, nasser Witterung und schlechten Stallungen treten brandige Zerstörungen der Haut ein (Aaspocken), und es entwickelt sich bösartiges Fieber, dem die Tiere fast stets erliegen. Den Schafpocken erliegen 20, selbst 50 Proz. der Tiere, die genesenden Tiere sind abgemagert, und ihre Wollmenge ist verringert. Die Durchseuchung einer Herde dauert mehrere Monate, wenn sie nicht durch Impfung beschleunigt wird. Man trennt die schwer erkrankten Tiere von den leicht erkrankten und den gesunden, sorgt für kühle, reine Luft und erfrischendes, nahrhaftes Futter und gibt den schwer kranken Tieren Körnerfutter. Bei Ausbruch der Schafpocken ist unverzügliche Impfung der ganzen Herde durch den beamteten Tierarzt vorgeschrieben, nur bei ungünstiger Witterung, oder wenn die gesunden Tiere sofort geschlachtet werden sollen, ist hiervon abzusehen. Die erkrankte Herde unterliegt der Gehöftsperre, doch gestattet das Gesetz Nutzung der Weiden und Abfuhr von Dünger, soweit hierbei die Gefahr der Weiterverbreitung des Ansteckungsstoffs vermieden werden kann. Auf Pferde sind die P. nicht verimpfbar, man hat aber die Aphthenkrankheit der Pferde (Dermatitis aphthosa, Stomatitis pustulosa) für P. ausgegeben und glaubt mit dem Exsudat der Mauke eine Schutzpocke bei Menschen erzeugen zu können (daher Schutzmauke). Ob Hunde und Schweine von P. befallen werden können, weiß man nicht. Die sogen. Hundepocken treten nach der Staupe auf, und das ausgebreitete Knötchen- und pustelförmige Exanthem, von welchem Schweine im Sommer befallen werden, ist der Gesundheit nicht wesentlich nachteilig.

6 Eine weitere Bedeutung

Pocken heißen auch krankhafte Erscheinungen bei manchen Pflanzen, besonders die Flecke an Kartoffelknollen, welche durch einen Pilz (Rhizoctonia, s. d.), und an Birnbaumblättern, welche durch eine Milbe (Phytoptus) erzeugt werden.

7 Quelle

8 Weblinks

 Commons: Pocken – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wiktionary: Pocken – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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