Inquisition (Historisch)

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Inquisition (lat., "Untersuchung", Inquisitio haereticae pravitatis, Ketzergericht, auch Sanctum Officium), das Glaubensgericht, welches die römische Hierarchie zur Aufsuchung und Vertilgung der Ketzer ins Leben gerufen hat. Schon unter den Kaisern Theodosius d. Gr. und Justinian waren Gerichtspersonen zur Aufsuchung derjenigen, welche den orthodoxen Glauben nicht teilten, z. B. der Manichäer, angestellt worden, und die Aufgefundenen pflegten alsdann mit kirchlichen, aber auch bürgerlichen Strafen belegt zu werden. Unter den Kirchenvätern vertrat insbesondere Augustin den Donatisten gegenüber mit sophistischen Gründen die gewaltsame Zurückführung der Ketzer in den Schoß der Kirche. Papst Lucius III. gab auf dem Konzil zu Verona 1184 nähere Instruktionen über die gegen die Ketzer zu ergreifenden Maßregeln, und Innocenz III. sandte, als die Waldenser und Albigenser in Südfrankreich fast zur herrschenden Partei wurden, besondere Legaten dahin, welche mit Hilfe der weltlichen Obrigkeit die härtesten Strafen verhängten. Das Laterankonzil 1215 machte die I. zunächst als bischöfliche Befugnis zu einem bleibenden Institut, und auf spätern Konzilen, namentlich dem zu Toulouse 1229, wurden die in dieser Hinsicht getroffenen Bestimmungen noch erweitert und verschärft. Wer einen Ketzer verschonte, sollte seines Gutes oder Amtes verlustig, jedes Haus, in welchem ein Ketzer gefunden wurde, niedergerissen werden. Später galt schon derjenige als verdächtig, welcher einem Ketzer Almosen spendete, mit ihm zufällig in einem und demselben Wirtshaus verweilte oder die Ehe mit einem ketzerischen Gatten fortsetzte. Die Inquisitoren gelangten zur Kenntnis eines Verbrechens durch die öffentliche Meinung, durch Denunziation oder durch Selbstangabe von seiten des Schuldigen. Die nicht auf die Ladung vor den Inquisitionsrichtern Erscheinenden oder Flüchtigen wurden ohne weiteres als Schuldige angesehen. Wer erschien, wurde eingekerkert. Ankläger und Zeugen wurden dem Angeklagten nicht genannt und ihre Namen nicht einmal in die Protokolle eingetragen. Freunde und Feinde, Schützer und Beschützte, Gläubige und Ungläubige wurden als Zeugen zugelassen; ja, nach den auf dem Konzil zu Narbonne 1235 gefaßten Beschlüssen konnten selbst Meineidige, Ehrlose, Ketzer und Verbrecher Zeugnis vor dem Inquisitionstribunal ablegen. War der Angeklagte nicht im stande, alle Zweifel der Inquisitoren an seiner Unschuld zu lösen, oder waren die Zeugenaussagen nicht hinreichend belastend, so wurde zur Tortur geschritten, die von Innocenz IV. 1252 eingeführt und den weltlichen Gerichten anheimgegeben, aber schon von Urban IV. gleichfalls der I. selbst übertragen war. Sämtliche von der I. zuerteilte Strafen zerfielen in kirchliche oder weltliche. Die kirchlichen waren: das Interdikt, der Bann oder die Exkommunikation, Wallfahrten, Bußübungen im Wohnort des Ketzers oder im Orte des Ketzergerichts bei freier Bewegung, wobei die Sträflinge ein Sanbenito (Saccus benedictus, Bußhemd) tragen, sich alle Sonntage vor dem Priester mit einem Bündel Ruten in der Kirche einfinden und, um sich geißeln zu lassen, die Schultern entblößen mußten, etc. Die weltlichen oder bürgerlichen Strafen bestanden vor allem in Gefängnisstrafe, oft auf zeitlebens. Die Gefängnisse waren kleine Behälter, die gewöhnlich nur an der Decke mit einer Öffnung versehen waren, so daß der Gefangene so gut wie lebendig eingemauert war, wie er denn auch immuratus genannt wurde. Zum Einmauern verurteilte das Konzil zu Béziers 1246 die Rückfälligen (relapsi), welche in späterer Zeit zum Feuertod verdammt wurden, die Flüchtlinge oder solche, welche sich auf die Vorladung des heiligen Tribunals nicht gestellt hatten. Ein solches Gefängnis nannte man ein Vade in pace. Die ganze Kost bestand meist in Brot und Wasser. Die Kosten der Gefangenschaft hatten die Verbrecher, falls sie Vermögen besaßen, selbst zu tragen; außerdem wurden dieselben von der Strafkasse bestritten, der Ortsbehörde aufgebürdet oder seit 1258 vom jeweiligen Grundherrn getragen. Die Fesselung in Ketten war eine erhöhte Strafe für eingemauerte Verbrecher. Auch wurde die Gefängnisstrafe oft in Galeeren- oder Strafarbeitshausstrafe verwandelt. Die öffentliche Zurschaustellung bestand darin, daß der Verbrecher, dem über seine gewöhnliche Kleidung auf Brust und Rücken eine rote Zunge herabhing und am Hals ein Zeichen mit Angabe seines Verbrechens befestigt war, an die Kirchenthür gestellt wurde. Der Staupbesen wurde am Tag des Glaubensaktes erteilt, indem der Verbrecher auf einem Esel durch die Straßen geführt und mit Ruten gepeitscht wurde. Der Verbrennung ging entweder zur Milderung die Erdrosselung oder zur Verschärfung der Strafe in Spanien eine Versengung mit leichtem Stroh voraus, was der Pöbel das "Bartmachen" nannte (Autodafee). Schon 1179 war ein Konzilbeschluß gefaßt worden, wonach Ketzern kein christliches Begräbnis gestattet werden durfte. Später wurden tote Körper wieder aus der Erde gegraben und verbrannt, sobald man in Erfahrung brachte, daß die Betreffenden bei Lebzeiten sich der Ketzerei schuldig gemacht.

Papst Gregor IX. hatte 1232 und 1233 die I. den Bischöfen entzogen und den Dominikanermönchen übertragen. Sie schlugen ihren Wohnsitz zuerst zu Toulouse auf, siedelten von dort nach Narbonne, Montpellier, Carcassonne, Albi und Cahors über und drangen endlich in das Innere des Landes bis nach Flandern hin vor. Aber trotzdem, daß die Bretagne sich ihrer erwehrte, und daß in Lyon und in Languedoc sich der Volkshaß gegen die I. mehr als einmal Luft machte, hielten sich die Ketzergerichte durch den Schutz, den ihnen seit Ludwig IX. die Könige von Frankreich angedeihen ließen. Ebendadurch aber wurden auch die Ketzertribunale von der Staatsregierung abhängig und sogar 1312 zu königlichen Gerichtshöfen gemacht. Aber schon 1234 brachen zu Narbonne, 1242 zu Avignon neue Volksaufstände aus, und bald darauf wurden zu Carcassonne der Tribunalpalast und das Dominikanerkloster vom Volk gestürmt und die Inquisitoren unter Mißhandlungen aus der Stadt gebracht, so daß zwei Jahre vergingen, ehe sie wieder wagten, zurückzukehren. Seitdem verlor die I. in Frankreich an Geltung. Erst zur Zeit der Reformation wohnte Franz I. wieder 1535 zu Paris mit seinem ganzen Hofstaat einem Autodafee bei. Unter Heinrich II. wurden weitere Versuche zur Wiederherstellung der I. gemacht, und Franz II. teilte 11. Nov. 1551 den Parlamenten das Amt der Glaubensrichter zu. Auf diese Weise entstand eine neue Art von Gerichten, welche das Volk chambres ardentes, d. h. brennende Kammern, nannte. So bestanden die Inquisitionsgerichte in Frankreich, bald mit größerer, bald mit geringerer Macht ausgestattet, aber immer von dem gesunden Sinn des Volkes bekämpft, noch bis 1772. In Italien wurde die I. schon 1235 eingeführt und dann besonders von Paul IV. (schon als Kardinal Caraffa 1542) dem Protestantismus gegenüber zu neuem Leben erweckt. Nur in der Republik Venedig wurde sie von der Staatsgewalt abhängig gemacht. Der Hauptgegenstand des blutigen Hasses der italienischen I. waren und blieben übrigens stets die Waldenser, die besonders, seitdem Ludwig XIV. das Edikt von Nantes aufgehoben hatte und Karl Emanuel dies nachahmte, zahllose Quälereien auszustehen hatten. Napoleon I. hob zwar 1808 die I. in Italien auf, doch ward sie 1814 von Pius VII. wiederhergestellt, und noch 1852 wurden von ihr die Eheleute Madiai wegen Übertritts zum Protestantismus zu den Galeeren verurteilt. Erst die Neugestaltung Italiens seit 1859 machte ihrem Wirken ein Ende. In Deutschland versuchte zuerst Konrad von Marburg die I. 1231-33 einzuführen. Er selbst kam als ein Opfer der Volkswut ums Leben. Schon loderten hier und da Scheiterhaufen, und gerade der selbst der Ketzerei beschuldigte Friedrich II. begünstigte, um sich gegen jeden Verdacht sicherzustellen, ihre Einführung. Aber erst seit den Zeiten Karls IV. gelang es, sie dem widerstrebenden Volksgeist aufzuzwingen. Besonders seit Papst Innocenz VIII. blühte sie; einer seiner Inquisitoren, Sprenger, schrieb den "Hexenhammer" (s. Hexe), und noch zur Zeit der Reformation führte der berüchtigte Hoogstraten (s. d.) von Köln den Titel Ketzerrichter. Dann aber verschwand sie infolge der Reformation, und auch in England war die I. nicht viel glücklicher. Zwar war schon in der letzten Zeit des 14. Jahrh. der Klerus gegen den Lollardismus und Wiclefismus nach inquisitorischer Methode eingeschritten, und unter der Regierung Heinrichs VIII. und der Königin Maria tauchte die I. noch einmal in größerm Umfang auf. Am schrecklichsten wütete die I. in Spanien. Hier wurde sie von Ferdinand dem Katholischen trotz alles Widerstrebens, namentlich des aragonischen Adels, eingeführt, angeblich "zur größern Ehre Gottes" und der Kirche; die Güter der Verurteilten fielen dem König anheim, und die Ketzerrichter wurden von letzterm ernannt. Nachdem 1480 auf dem Reichstag zu Toledo die Einführung einer Generalinquisition beschlossen worden, wurde 1481 das neue Gericht zu Sevilla eröffnet. Der erste königliche Generalinquisitor war Thomas de Torquemada, "ein Henker ohnegleichen". Mit demselben Schwung betrieben seine Nachfolger 200 Jahre lang das Geschäft. Die bewaffneten Volksaufstände, welche sich dem unsinnigen Greuel entgegenstellten, scheiterten an der königlichen Übermacht. Spanien wurde seitdem vorzugsweise das Land der Autodafees, da dort viele von denen, welche zu Ende des 15. Jahrh. zum Übertritt vom Judentum und Islam zum Christentum gezwungen worden, ihrem alten Glauben insgeheim treu geblieben waren und nun von der I. verfolgt wurden. Von Spanien aus wurde die I. auch nach den amerikanischen Provinzen übertragen. Ihre Einführung in die Niederlande, wo ihr unter Karl V. nach der geringsten Schätzung 50,000 Personen zum Opfer fielen, hatte den Abfall dieser Provinzen zur Folge. Den Scheiterhaufen bestiegen nach den 1834 zu Madrid veröffentlichten Aktenstücken 1481-1808 nicht weniger als 31,912 Personen; 291,456 waren mit andern schweren Strafen, worunter namentlich ewiges Gefängnis, Galeeren, Konfiskation der Güter und Infamie der ganzen Familie zu nennen sind, belegt worden. Aufgehoben wurde die I. in Spanien durch ein Dekret Napoleons I. vom 4. Dez. 1808. Zwar suchte Ferdinand VII. sie zu wiederholten Malen wieder einzuführen, aber seit 1834 ist sie definitiv in Spanien verschwunden. Auch Portugal erzitterte seit 1557 vor dem Tribunal der I., und von hier wurde sie sogar nach Ostindien verpflanzt. Als ihre Macht bereits durch den Minister Pombal gebrochen war, hob König Johann VI. sie auf.

1 Literatur

  • Llorente, Kritische Geschichte der spanischen I. (deutsch von Höck, Gmünd 1820-22, 4 Bde.)
  • de la Mothe-Largon, Histoire de l'inquisition en France (Par. 1829, 3 Bde.)
  • Herculano, Da origem e establecimento da inquisição em Portugal (Lissab. 1854-59, 3 Bde.)
  • Hoffmann, Geschichte der I. (Bonn 1877-78, 2 Bde.)
  • Wilmans in Sybels "Historischer Zeitschrift" 1879
  • Gams, Kirchengeschichte von Spanien, Bd. 3, Abteil. 2 (Regensb. 1879)
  • Molinier, L'inquisition dans le midi de la France au XIII. et au XIV. siècle (Par. 1880)

2 Quelle

3 Siehe auch

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