H63D-Syndrom

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Das H63D-Syndrom (auch: Oslo Syndrom) ist eine sehr seltene genetische Erkrankung, welche oft die Folge einer homozygoten Mutation des HFE-Mutation H63D ist. Diese Mutation kann zahlreiche Krankheitsbilder auslösen oder begünstigen, das H63D-Syndrom ist jedoch spezifisch für diese homozygote Variante. Typisch ist eine zu hohe Transferrinsättigung auf Grundlage eines relativen Mangels an Transferrin, wodurch freies Eisen vom Typ NTBI (Labiler Eisenpool) in bestimmte Gewebe (vor allem Parenchym und Hirn) bzw. andere Organe eindringt und dort schwerste Schädigungen auf zellulärer Ebene verursachen kann. Hinzu kommt bei vielen H63D-Syndrom-Patienten noch eine unspezifische Aktivierung des inerten Immunsystems, was neben den eisenbedingten Organschäden zu autoimmunen Reaktionen führt.[1][2][3][4][5][6][7][8]

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1 Symptome des H63D-Syndroms

Da es sich um eine Speicherkrankheit handelt, ist der Verlauf langsam, schleichend und chronisch. Meistens treten erste Symptome bereits in der Kindheit oder Jugend auf, sind jedoch so unspezifisch, dass diesen in der Regel zunächst ernsthaft nachgegangen wird. Oft sind Organe mit dem höchsten Risiko einer NTBI-Anreicherung (Hirn, Herz, Leber, Hoden, Haut) bereits strukturell schwer geschädigt, wenn die Diagnose aufgrund erheblicher Symptome gestellt wird.

2 Hirnschädigungen

Die Schädigung des Gehirns (Degeneration) durch NTBI im Rahmen des H63D-Syndroms entstehen durch oxidativen Stress innerhalb der betroffenen und in der Folge zum Zelltod (Vernarbung von Hirngewebe) mit stark gestörter Neurotransmitter-Aktivität führt. Zu diesen unheilbaren Prozessen gehören erhöhtes zelluläres Eisen, die Aktivität von Freien Radikalen, Störungen des Dopamin- und Glutamat-Gleichgewichts im Gehirn sowie abnormale Werte von Tau-Proteinen und Alpha-Synuclein, die beide zu Demenz, zum Morbus Parkinson oder zu ähnlichen Erkrankungen führen. Besonders anfällig sind die Substantia nigra und die Basalganglien mit allen ihren Funktionen.[9][10][11][12][13][14][15]

3 Eisenablagerung im Herz

Viele Patienten mit H63D-Syndrom leiden an Überleitungsstörungen, Kardiomyopathien, Herzrhythmusstörungen und insbesondere Störungen der Kalziumkanäle.[16][17]

4 Lebersymptome

Eine Fettleber (sogar bei Normalgewicht) sowie kryptische (unspezifische) Leberfunktionsstörungen und ein metabolisches Syndrom sind ebenfalls typisch für das H63D-Syndrom.[3][18][19]

5 Haut und sonstige Organe

Da sich NTBI-Eisen in Biopsaten nicht anfärben lässt, ist die Eisenablagerung in Haut, Leber, etc. histologisch nicht nachweisbar. Allerdings kommen teils mit bloßem Auge sichtbare Ablagerungen vor, ebenso Impetigo-artige Hautveränderungen, Blasenbildung, Juckreiz etc., dies selten auch in den Geweben des Auges. Bei Männern findet man bei einem H63D-Syndrom häufig leicht verkleinerte Hoden, teils mit degenerativen Veränderungen. Liegt bereits eine deutliche Schädigung der Substantia Nigra vor, erleiden H63D-Patienten auch Symptome, die denen der nicht-motorischen Zeichen der Parkinsonerkrankung gleichen. Unter anderem sind dies ein Verlust des Geruchssinns, eine Verlangsamung bzw. partielle Lähmung der Magen-Darm-Passage, Kataplexien, Narkolepsie, Demenz, etc. Auch Sinnesstörungen wie Schwerhörigkeit und Augenerkrankungen können bisweilen auftreten.

6 Immunsystem

Aus bisher völlig ungeklärten Gründen ist das inerte Immunsystem bei vielen H63D-Syndrom-Patienten überaktiv, im Sinne passagerer autoaggressiver Fehlfunktionen, die sich durch ein “buntes” Symptombild darstellen, hochakut auftreten, teils gefährlich sein können, und nach einer gewissen Zeit sich wieder zurückbilden. Es ist von einem Tipping-Point-Mechanismus auszugehen, der noch gänzlich unerforscht ist.

7 Diagnose und Behandlung des H63D-Syndroms

Nach dem derzeitigen Stand der Forschung sollten Personen mit einer homozygoten HFE H63D-Mutation auf syndromische Symptome untersucht werden, die das Gehirn, das Nervensystem, das Herz, die Leber und – in geringerem Maße – die Nierenfunktion, Hautkrankheiten, die Blutbildung und andere anfällige Organsysteme betreffen. Wegweisend ist ein zu niedriger Transferrinwert bei viel zu hoher Sättigung und niedrigem Ferritin.[20] Eine ursächliche Behandlung steht derzeit (Stand 2019) nicht zur Verfügung, da nicht an Proteine gebundenes freies Eisen (NTBI) durch einen Aderlass oder ähnliche Verfahren nicht aus den Zellen entfernt werden kann. So können im Krankheitsfall allenfalls einige der Symptome gelindert werden. Eine diätische Kontrolle der Eisenzufuhr sollte im Fall einer homozygoten H63D Mutation nur unter Aufsicht einer medizinischen Ernährungsberatung erfolgen, da eine Überladung des Körpers mit nicht-proteingebundenem Eisen (NTBI), etwa aufgrund einer Hypotransferrinämie, parallel zu einem Mangel an Ferritin bestehen kann.[21][22][23]

8 Heilungsrate

Das H63D-Syndrom ist Stand 2020 unheilbar. Die diversen Symptome müssen jeweils von erfahrenen Fachärzten so behandelt werden, dass ein Patient mit H63D-Syndrom nicht zu sehr leidet. Daneben ist eine ärztlich zu überwachende Verringerung der Eisenaufnahme anzustreben, um das Fortschreiten ggf. etwas zu verlangsamen. Zur Effektivität dieses Therapieansatzes existieren bislang keine Studien.

9 Weblinks

10 Literatur

  • Wint Nandar, James R. Connor: HFE Gene Variants Affect Iron in the Brain. The Journal of Nutrition, Volume 141, Issue 4, April 2011, 729S–739S.
  • P. Adams, P. Brissot, L. W. Powell: EASL International Consensus Conference on Haemochromatosis. Journal of Hepatology 2000;33:485–504.
  • K. Bridle, T. K. Cheung, T. Murphy, M. Walters, G. Anderson, D. G. Crawford, L. M. Fletcher: Hepcidin is down-regulated in alcoholic liver injury: implications for the pathogenesis of alcoholic liver disease. Alcohol Clin Exp Res 2006;30:106–112.

11 Einzelnachweise

  1. Castiella, Urreta, Zapata et al.: H63/H63D genotype and the H63D allele are associated in patients with hyperferritinemia to the development of metabolic syndrome. Eur J Intern Med. 2019 Nov 30. doi:10.1016/j.ejim.2019.11.021.
  2. Ellervik C, Tybjaerg-Hansen A, Appleyard M, Sillesen H, Boysen G, Nordestgaard BG. Hereditary hemochromatosis genotypes and risk of ischemic stroke. Neurology. 2007;68:1025–1031.
  3. 3,0 3,1 Raszeja-Wyszomirska J, Kurzawski G, Zawada I, Suchy J, Lubinski J, Milkiewicz P.: HFE gene mutations in patients with alcoholic liver disease. A prospective study from northwestern Poland. Pol Arch Med Wewn. 2010, 120(4):127–131; PMID 20424537.
  4. Valenti L, Fracanzani AL, Bugianesi E, Dongiovanni P, Galmozzi E, Vanni E, Canavesi E, Lattuada E, Roviaro G, Marches G, Fargion S.: HFE genotype, parenchymal iron accumulation, and liver fibrosis in patients with nonalcoholic fatty liver disease. Gastroenterology. 2010 Mar;138(3):905–912.
  5. Fujii H, Takagaki N, Yoh T, Morita A, Ohkawara T, Yamaguchi K, Minami M, Sawa Y, Okanoue T, Ohkawara Y, Itoh Y: Non-prescription supplement-induced hepatitis with hyperferritinemia and mutation (H63D) in the HFE gene. Hepatol Res. 2008 Mar;38(3):319–323.
  6. Mitchell RM, Lee SY, Simmons Z, Connor JR: HFE polymorphisms affect cellular glutamate regulation. Neurobiol Aging. 2009.
  7. Iron Disorders Institute nanograms: H63D - The Other Mutation, April 2010.
  8. Yiting Liu, Sang Y. Lee, James R. Connor, et al.: Mutant HFE H63D Protein Is Associated with Prolonged Endoplasmic Reticulum Stress and Increased Neuronal Vulnerability. J Biol Chem. 2011 Apr 15; 286(15): 13161–13170. doi:10.1074/jbc.M110.170944.
  9. Bartzokis G, Lu PH, Tishler TA, Peters DG, Kosenko A, Barrall KA, Finn JP, Villablanca P, Laub G, Altshuler LL, Geschwind DH, Mintz J, Neely E, Connor JR: Prevalent iron metabolism gene variants associated with increased brain ferritin iron in healthy older men. J Alzheimers Dis. 2010 Apr;20(1):333–341.
  10. Hall EC, Lee SY, Simmons Z, Neely EB, Nandar W, Connor JR: Prolylpeptidyl isomerase, Pin 1 phosphorylation is compromised in association with the expression of the HFE polymorphic allele, H63D. Biochim Biophys Acta. 2010 Apr;1802(4):389–395.
  11. Wint Nandar, James R. Connor: HFE Gene Variants Affect Iron in the Brain. The Journal of Nutrition, Volume 141, Issue 4, April 2011, 729S–739S, doi:10.3945/jn.110.130351.
  12. Guerreiro RJ, Bras JM, Santana I, Januario C, Santiago B, 120. Morgadinho AS, Ribeiro MH, Hardy J, Singleton A, et al.: Association of HFE common mutations with Parkinson’s disease, Alzheimer’s disease and mild cognitive impairment in a Portuguese cohort. BMC Neurol. 2006;6:24.
  13. Dekker MC, Giesbergen PC, Njajou OT, van Swieten JC, Hofman A, 127. Breteler MM, van Duijn CM. Mutations in the hemochromatosis gene (HFE), Parkinson’s disease and parkinsonism. Neurosci Lett. 2003;348:117–119.
  14. Borie C, Gasparini F, Verpillat P, Bonnet AM, Agid Y, Hetet G, Brice A, Durr A, Grandchamp B.: Association study between iron-related genes polymorphisms and Parkinson’s disease. J Neurol. 2002; 249: 801–804.
  15. Akbas N, Hochstrasser H, Deplazes J, Tomiuk J, Bauer P, Walter U, Behnke S, Riess O, Berg D.: Screening for mutations of the HFE gene in Parkinson’s disease patients with hyperechogenicity of the substantia nigra. Neurosci Lett. 2006;407:16–19.
  16. P. C. Adams, J. S. Pankow, J. C. Barton, R. T. Acton, C. Leiendecker-Foster, G. D. McLaren, M. Speechley, J. H. Eckfeldt: The hemochromatosis and iron overload screening study. Circ Cardiovasc Genet. 2009 Feb;2(1):34–37.
  17. M. Franchini: Hereditary iron overload. Update on pathophysiology, diagnosis and treatment. American Journal of Hematology. 2006.
  18. Jin F, Qu LS, Shen XZ: Association between C282Y and H63D mutations of the HFE gene with hepatocellular carcinoma in European populations: a meta-analysis. J Exp Clin Cancer Res. 2010 Mar 2;29:18.
  19. Machado MV, Ravasco P, Martins A, Almeida MR, Camilo ME, Cortez-Pinto H: Iron homeostasis and H63D mutations in alcoholics with and without liver disease. World J Gastroenterol. 2009 Jan 7;15(1):106–111.
  20. Steven M. LeVine, James R. Connor, Hyman M. Schipper: Redoxactive Metals in Neurological Disorders. New York Academy of Sciences, 2004.
  21. James F. Collins: Molecular, Genetic, Nutritional Aspects of Major and Trace Minerals. Academic Press, London 2017.
  22. Sareen S. Gropper, Jack L. Smith, Timothy P. Carr: Advanced Nutrition and Human Metabolism. Cengage Learning, 7th edition, Boston 2016.
  23. L. C. Pilling, J. Tamosauskaite, G. Jones et al.: Common conditions associated with hereditary haemochromatosis genetic variants: cohort study in UK Biobank. British Medical Journal|BMJ. 2019 Jan 16;364:k5222.
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12 Andere Lexika

Die deutsche Wikipedia kennt dieses Lemma (H63D-Syndrom) vermutlich nicht.


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