Ehenichtigkeitsverfahren

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Ein Ehenichtigkeitsverfahren ist ein Verfahren, in dem vom zuständigen Gericht der katholischen Kirche die kirchenrechtliche Nichtigkeit einer Ehe ausgesprochen wird. Es wird beim zuständigen Kirchengericht (hier Offizialat genannt) auf Antrag eröffnet. Die Grundlagen dazu finden sich im Codex Iuris Canonici (CIC), Buch IV, Titel VII.[1]

Eine Ehe ist nach kirchlichem Recht ungültig geschlossen, wenn bei der Eheschließung

  • ein Konsensmangel vorlag, das heißt etwa
    • einer der Partner sich bei der Eheschließung über wichtige Tatsachen oder Wesensmerkmale der Ehe im Irrtum befand (z.B. glaubte, die Ehe sei nach katholischem Verständnis nicht unauflöslich);
    • einer der Partner bei der Eheschließung wichtige Vorbehalte gegen die Ehe hatte (bspw. die Zeugung von Kindern von Anfang an und für immer ausschloss oder sich schon bei der Eheschließung vorbehielt, während der Ehe außereheliche Beziehungen zu führen oder sich nach gewisser Zeit scheiden zu lassen);
    • einer der Partner bei der Eheschließung gar nicht in der Lage war, die Tragweite der Handlung zu begreifen,
    • oder die Ehe nur zum Schein eingehen wollte;
    • oder wenn die Ehe durch äußeren Zwang zustande kam
    • oder ihr künftiger Fortbestand bei der Eheschließung an eine heimliche Bedingung geknüpft war (z. B. einen Erbfall).

In diesen Fällen ist kein Ehekonsens zustandegekommen, weil rechtlich gesprochen ein Erkenntnismangel und damit keine wirksame Willenserklärung der Beteiligten vorlag. Im Codex Iuris Canonici heißt es dazu: „Die Ehe kommt durch den Konsens der Partner zustande, der zwischen rechtlich dazu befähigten Personen in rechtmäßiger Weise kundgetan wird; der Konsens kann durch keine menschliche Macht ersetzt werden.“[2]

Zu den häufig diskutierten Probleme gehört in diesem Zusammenhang eine „seelische Eheunfähigkeit“ zum Zeitpunkt der Eheschließung,[3] die in der Praxis eine relativ große Rolle spielt, wenn (was häufig der Fall ist) andere Annullierungsgründe nicht greifen oder nicht zu beweisen sind.[4] Dies führt mitunter zu Kontroversen zwischen dem Kirchengericht und den nichtklagenden Beteiligten, die diese Feststellung als Zuschreibung betrachten und sich als „Schuldige“ diskriminiert fühlen.[5] Als „seelische Eheunfähigkeit“ werden in der Praxis oft eine psychische Erkrankung oder eine sogenannte Persönlichkeitsstörung (siehe Psychische Störung) genannt.

1 Statistik

Die weit überwiegende Zahl an Verfahren vor katholischen Kirchengerichten im Jahr 2015 in Deutschland (438 von insgesamt 523 Urteilen in erster Instanz, also etwa 84 Prozent)[6] betrafen Ehenichtigkeitsverfahren.

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2 Einzelnachweise

  1. CIC Buch 4 (Archivversion vom 10. Juni 2007)
  2. Can. 1057 — § 1
  3. Zur Rechtsgeschichte und rechtlichen Einordnung vgl. Klaus Lüdicke: Die Nichtigerklärung der Ehe. Materielles Recht. Münster 2010, S. 55–67. Zum Begriff, Anwendungsfeld und Verhältnis zum sogenannten „Eheführungsunvermögen“ vgl. Karin Gutiérrez-Lobos und Eva Trappl: Benachteiligung von Menschen mit psychischen Krankheiten im österreichischen Rechtssystem – Ein Beitrag zu Entstigmatisierung und Entdiskriminierung. (Abschnitt „Ehegesetze – Kirchenrecht“), Onlinepublikation der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Wien 2006, S. 161–165.
  4. Ehe: "Annullierung" (Abschnitt „Ehe-Unfähigkeit“), Informationen zum Ehenichtigkeitsverfahren des Bistums Trier; abgerufen am 4. Februar 2017.
  5. Peter Mühlbauer: Papst korrigiert Äußerung, dass die „große Mehrheit“ der kirchlichen Ehen ungültig ist In: Heise online, 23. Juni 2016; abgerufen am 4. Februar 2017.
  6. Praktische Probleme der neuen Ehenichtigkeitsprozesse abgerufen am 22. April 2019

3 Andere Lexika




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