Das Lied von der Glocke
"Das Lied von der Glocke" wurde von Friedrich Schiller (1759-1805) im Jahr 1799 geschaffen und zählt zum ehernen Bestand deutscher Gedichte.
Das Gedicht stellt auch die Auseinandersetzung mit den von Schiller befürworteten Zielen und den von ihm zugleich verabscheuten Exzessen der Französischen Revolution von 1789 dar. Es verbindet eine kundige Darstellung eines handwerklichen Glockengusses mit allgemeiner Anschauung und Kommentierung des Menschenlebens, seiner Möglichkeiten und Gefahren.
Inhaltsverzeichnis
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1 Illustrationen
Alle hier gezeigten Illustrationen stammen von Gyula Benczur (1844-1920).
Das Lied von der Glocke
Vivos vocos. Mortuos plango. Fulgura frango.[1]
- Fest gemauert in der Erden
- Steht die Form, aus Lehm gebrannt.
- Heute muß die Glocke werden!
- Frisch, Gesellen, seid zur Hand!
- Von der Stirne heiß
- Rinnen muß der Schweiß,
- Soll das Werk den Meister loben;
- Doch der Segen kommt von oben.
- Zum Werke, das wir ernst bereiten,
- Geziemt sich wohl ein ernstes Wort;
- Wenn gute Reden sie begleiten,
- Dann fließt die Arbeit munter fort.
- So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten,
- Was durch die schwache Kraft entspringt;
- Den schlechten Mann muß man verachten,
- Der nie bedacht, was er vollbringt.
- Das ist's ja, was den Menschen zieret,
- Und dazu ward ihm der Verstand,
- Daß er im innern Herzen spüret,
- Was er erschafft mit seiner Hand.
- Nehmet Holz vom Fichtenstamme,
- Doch recht trocken laßt es sein,
- Daß die eingepreßte Flamme
- Schlage zu dem Schwalch hinein!
- Kocht des Kupfers Brei,
- Schnell das Zinn herbei,
- Daß die zähe Glockenspeise
- Fließe nach der rechten Weise!
- Was in des Dammes tiefer Grube
- Die Hand mit Feuers Hilfe baut,
- Hoch auf des Turmes Glockenstube,
- Da wird es von uns zeugen laut.
- Noch dauern wird's in späten Tagen
- Und rühren vieler Menschen Ohr,
- Und wird mit dem Betrübten klagen
- Und stimmen zu der Andacht Chor.
- Was unten tief dem Erdensohne
- Das wechselnde Verhängnis bringt,
- Das schlägt an die metallne Krone,
- Die es erbaulich weiter klingt.
- Weiße Blasen seh' ich springen;
- Wohl! die Massen sind im Fluß.
- Laßt's mit Aschensalz durchdringen,
- Das befördert schnell den Guß.
- Auch vom Schaume rein
- Muß die Mischung sein,
- Daß vom reinlichen Metalle
- Rein und voll die Stimme schalle.
- Denn mit der Freude Feierklange
- Begrüßt sie das geliebte Kind
- Auf seines Lebens ersten Gange,
- Den es in Schlafes Arm beginnt;
- Ihm ruhen noch im Zeitenschooße
- Die schwarzen und die heitern Loose;
- Der Mutterliebe zarte Sorgen
- Bewachen seinen goldnen Morgen.-
- Die Jahre fliehen pfeilgeschwind.
- Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe,
- Er stürmt ins Leben wild hinaus,
- Durchmißt die Welt am Wanderstabe,
- Fremd kehrt er heim ins Vaterhaus.
- Und herrlich, in der Jugend Prangen,
- Wie ein Gebild aus Himmelshöhn,
- Mit züchtigen, verschämten Wangen
- Sieht er die Jungfrau vor sich stehn.
- Da faßt ein namenloses Sehnen
- Des Jünglings Herz, er irrt allein,
- Aus seinen Augen brechen Thränen,
- Er flieht der Brüder wilden Reih'n.
- Erröthend folgt er ihren Spuren
- Und ist von ihrem Gruß beglückt,
- Das Schönste sucht er auf den Fluren,
- Womit er seine Liebe schmückt.
- O zarte Sehnsucht, süßes Hoffen!
- Der ersten Liebe goldne Zeit!
- Das Auge sieht den Himmel offen,
- Es schwelgt das Herz in Seligkeit;
- O daß sie ewig grünen bliebe,
- Die schöne Zeit der jungen Liebe!
- Wie sich schon die Pfeifen bräunen!
- Dieses Stäbchen tauch' ich ein,
- Sehn wir's überglast erscheinen,
- Wird's zum Gusse zeitig sein.
- Jetzt, Gesellen, frisch!
- Prüft mir das Gemisch,
- Ob das Spröde mit dem Weichen
- Sich vereint zum guten Zeichen.
- Denn wo das Strenge mit dem Zarten,
- Wo Starkes sich mit Mildes paarten,
- Da gibt er einen guten Klang.
- Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
- Ob sich das Herz zum Herzen findet!
- Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang.
- Lieblich in der Bräute Locken
- Spielt der jungfräuliche Kranz,
- Wenn die hellen Kirchenglocken
- Laden zu des Festes Glanz.
- Ach! Des Lebens schönste Feier
- Endigt auch den Lebensmai,
- Mit dem Gürtel, mit dem Schleier
- Reißt der schöne Wahn entzwei.
- Die Leidenschaft flieht,
- Die Liebe muß bleiben;
- Die Blume verblüht,
- Die Frucht muß treiben.
- Der Mann muß hinaus
- Ins feindliche Leben,
- Muß wirken und streben
- Und pflanzen und schaffen,
- Erlisten, erraffen,
- Muß wetten und wagen,
- Das Glück zu erjagen.
- Da strömet herbei die unendliche Gabe,
- Es füllt sich der Speicher mit köstlicher Habe,
- Die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus.
- Und drinnen waltet
- Die züchtige Hausfrau,
- Die Mutter der Kinder,
- Und herrschet weise
- Im häuslichen Kreise,
- Und lehret die Mädchen
- Und wehret den Knaben,
- Und reget ohn' Ende
- Die fleißigen Hände,
- Und mehrt den Gewinn
- Mit ordnendem Sinn,
- Und füllet mit Schätzen die duftenden Laden,
- Und dreht um die schnurrende Spindel den Faden,
- Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein
- Die schimmernde Wolle, den schneeigten Lein,
- Und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer,
- Und ruhet nimmer.
- Und der Vater mit frohem Blick,
- Von des Hauses weitschauendem Giebel
- Überzählet sein blühend Glück,
- Siehet der Pfosten ragende Bäume
- Und der Scheunen gefüllte Räume
- Und die Speicher, vom Segen gebogen,
- Und des Kornes bewegte Wogen,
- Rühmt sich mit stolzem Mund:
- Fest, wie der Erde Grund,
- Gegen des Unglücks Macht
- Steht mir des Hauses Pracht!
- Doch mit des Geschickes Mächten
- Ist kein ew'ger Bund zu flechten,
- Und das Unglück schreitet schnell.
- Wohl! nun kann der Guß beginnen;
- Schön gezacket ist der Bruch,
- Doch; bevor wir's lassen rinnen,
- Betet einen frommen Spruch!
- Stoßt den Zapfen aus!
- Gott bewahr' das Haus!
- Rauchend in des Henkels Bogen
- Schießt's mit feuerbraunen Wogen.
- Wohlthätig ist des Feuers Macht,
- Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,
- Und was er bildet, was er schafft,
- Das dankt er dieser Himmelskraft,
- Doch furchtbar wird die Himmelskraft,
- Wenn sie der Fessel sich entrafft,
- Einhertritt auf der eignen Spur,
- Die freie Tochter der Natur.
- Wehe, wenn sie losgelassen,
- Wachsend ohne Widerstand,
- Durch die volkbelebten Gassen
- Wälzt den ungeheuren Brand!
- Denn die Elemente hassen
- Das Gebild der Menschenhand.
- Aus der Wolke
- Quillt der Segen,
- Strömt der Regen;
- Aus der Wolke, ohne Wahl,
- Zuckt der Strahl.
- Hört ihr's wimmern hoch vom Thurm!
- Das ist Sturm!
- Roth, wie Blut,
- Ist der Himmel;
- Das ist nicht des Tages Gluth;
- Welch Getümmel
- Straßen auf!
- Dampf wallt auf!
- Flackernd steigt die Feuersäule,
- Durch der Straßen lange Zeile
- Wächst es fort mit Windeseile;
- Kochend wie aus Ofens Rachen,
- Glühn die Lüfte, Balken krachen,
- Pfosten stürzen, Fenster klirren,
- Kinder jammern, Mütter irren,
- Thiere wimmern
- Unter Trümmern;
- Alles rennet, rettet, flüchtet,
- Taghell ist die Nacht gelichtet;
- Durch der Hände lange Kette
- Um die Wette
- Fliegt der Eimer; hoch im Bogen
- Spritzen Quellen Wasserwogen.
- Heulend kommt der Sturm geflogen,
- Der die Flamme brausend sucht,
- Prasselnd in die dürre Frucht
- Fällt sie, in des Speichers Räume,
- In der Sparren dürre Bäume,
- Und als wollte sie im Wehen
- Mit sich fort der Erde Wucht
- Reißen in gewalt'ger Flucht,
- Wächst in des Himmels Höhen
- Riesengroß!
- Hoffnungslos
- Weicht der Mensch der Götterstärke,
- Müßig sieht er seine Werke
- Und bewundernd untergehn.
- Leergebrannt
- Ist die Stätte,
- Wilder Stürme rauhes Bette.
- In den öden Fensterhöhlen
- Wohnt das Grauen,
- Und des Himmels Wolken schauen
- Hoch hinein.
- Einen Blick
- Nach dem Grabe
- Seiner Habe
- Sendet noch der Mensch zurück -
- Greift fröhlich dann zum Wanderstabe.
- Was Feuers Wut ihm auch geraubt,
- Ein süßer Trost ist ihm geblieben:
- Er zählt die Häupter seiner Lieben,
- Und sieh! Ihm fehlt kein theures Haupt.
- In die Erd' ist's aufgenommen,
- Glücklich ist die Form gefüllt;
- Wird's auch schön zu Tage kommen,
- Daß es Fleiß und Kunst vergilt?
- Wenn der Guß mißlang?
- Wenn die Form zersprang?
- Ach! Vielleicht, indem wir hoffen,
- Hat uns Unheil schon getroffen.
- Dem dunkeln Schoß der heil'gen Erde
- Vertrauen wir der Hände That,
- Vertraut der Sämann seine Saat
- Und hofft, daß sie entkeimen werde
- Zum Segen nach des Himmels Rath.
- Noch köstlicheren Samen bergen
- Wir trauernd in der Erde Schooß
- Und hoffen, daß er aus den Särgen
- Erblühen soll zu schönerm Loos.
- Von dem Dome,
- Schwer und bang,
- Tönt die Glocke
- Grabgesang.
- Ernst begleiten ihre Trauerschläge
- Einen Wandrer auf dem letzten Wege.
- Ach! die Gattin ist's, die theure,
- Ach! es ist die treue Mutter,
- Die der schwarze Fürst der Schatten
- Wegführt aus dem Arm des Gatten,
- Aus der zarten Kinderschaar,
- Die sie blühend ihm gebar,
- Die sie an der treuen Brust
- Wachsen sah mit Mutterlust -
- Ach! des Hauses zarte Bande
- Sind gelöst auf immerdar;
- Denn sie wohnt im Schattenlande,
- Die des Hauses Mutter war;
- Denn es fehlt ihr treues Walten,
- Ihre Sorge wacht nicht mehr;
- An verwaister Stätte schalten
- Wird die Fremde liebeleer.
- Bis die Glocke sich verkühlet,
- Laßt die strenge Arbeit ruhn.
- Wie im Laub der Vogel spielet,
- Mag sich jeder gütlich thun.
- Winkt der Sterne Licht,
- Ledig aller Pflicht
- Hört der Bursch die Vesper schlagen;
- Meister muß sich immer plagen.
- Munter fördert seine Schritte
- Fern im wilden Forst der Wandrer
- Nach der lieben Heimathhütte.
- Blökend ziehen heim die Schafe,
- Und der Rinder
- Breitgestirnte, glatte Schaaren
- Kommen brüllend,
- Die gewohnten Ställe füllend.
- Schwer herein
- Schwankt der Wagen
- Kornbeladen;
- Bunt vor Farben,
- Auf den Garben
- Liegt der Kranz,
- Und das junge Volk der Schnitter
- Fliegt zum Tanz.
- Markt und Straße werden stiller;
- Um des Lichts gesell'ge Flamme
- Sammeln sich die Hausbewohner,
- Und das Stadtthor schließt sich knarrend.
- Schwarz bedecket
- Sich die Erde;
- Doch den sichern Bürger schrecket
- Nicht die Nacht,
- Die den Bösen gräßlich wecket;
- Denn das Auge des Gesetzes wacht.
- Heil'ge Ordnung, segensreiche
- Himmelstochter, die das Gleiche
- Frei und leicht und freudig bindet,
- Die der Städte Bau gegründet,
- Die herein von den Gefilden
- Rief den ungesell'gen Wilden,
- Eintrat in der Menschen Hütten,
- Sie gewöhnt zu sanften Sitten,
- Und das theuerste der Bande
- Wob, den Trieb zum Vaterlande!
- Tausend fleiß'ge Hände regen,
- Helfen sich im muntern Bund,
- Und in feurigem Bewegen
- Werden alle Kräfte kund.
- Meister rührt sich und Geselle
- In der Freiheit heil'gem Schutz,
- Jeder freut sich seiner Stelle,
- Bietet dem Verächter Trutz.
- Arbeit ist des Bürgers Zierde,
- Segen ist der Mühe Preis;:
- Ehrt den König seine Würde,
- Ehret uns der Hände Fleiß.
- Holder Friede,
- Süße Eintracht,
- Weilet, weilet
- Freundlich über dieser Stadt!
- Möge nie der Tag erscheinen,
- Wo des rauhen Krieges Horden
- Dieses stille Thal durchtoben,
- Wo der Himmel,
- Den des Abends sanfte Röthe
- Lieblich malt,
- Von der Dörfer, von der Städte
- Wildem Brande schrecklich strahlt!
- Nun zerbrecht mir das Gebäude,
- Seine Absicht hat's erfüllt,
- Das sich Herz und Auge weide
- An dem wohlgelungnen Bild.
- Schwingt den Hammer, schwingt,
- Bis der Mantel springt!
- Wenn die Glock' soll auferstehen,
- Muß die Form in Stücke gehen.
- Der Meister kann die Form zerbrechen
- Mit weiser Hand, zur rechten Zeit;
- Doch wehe, wenn in Flammenbächen
- Das glüh'nde Erz sich selbst befreit!
- Blindwütend, mit des Donners Krachen,
- Zersprengt es das geborst'ne Haus,
- Und wie aus offnen Höllenrachen
- Speit es Verderben zündend aus.
- Wo rohe Kräfte sinnlos walten,
- Da kann sich kein Gebild gestalten;
- Wenn sich die Völker selbst befrein,
- Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn.
- Weh, wenn sich in dem Schooß der Städte
- Der Feuerzunder still gehäuft,
- Das Volk, zerreißend seine Kette,
- Zur Eigenhilfe schrecklich greift!
- Da zerret an der Glocke Strängen
- Der Aufruhr, daß sie heulend schallt
- Und, nur geweiht zu Friedensklängen,
- Die Losung anstimmt zur Gewalt.
- Freiheit und Gleichheit! Hört man schallen;
- Der ruhige Bürger greift zur Wehr,
- Die Straßen füllen sich, die Hallen,
- Und Würgerbanden ziehn umher.
- Da werden Weiber zu Hyänen
- Und treiben mit Entsetzen Scherz;
- Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen,
- Zerreißen sie des Feindes Herz.
- Nichts Heiliges ist mehr, es lösen
- Sich alle Bande frommer Scheu;
- Der Gute räumt den Platz dem Bösen,
- Und alle Laster walten frei.
- Gefährlich ist's, den Leu zu wecken,
- Verderblich ist des Tigers Zahn;
- Jedoch der schrecklichste der Schrecken,
- Das ist der Mensch in seinem Wahn.
- Weh denen, die dem Ewigblinden
- Des Lichtes Himmelsfackel leihn!
- Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zünden,
- Und äschert Städt' und Länder ein.
- Freude hat mir Gott gegeben!
- Sehet! Wie ein goldner Stern,
- Aus der Hülse, blank und eben,
- Schält sich der metallne Kern.
- Von dem Helm zum Kranz
- Spielt's wie Sonnenglanz.
- Auch des Wappens nette Schilder
- Loben den erfahrnen Bilder.
- Herein! Herein!
- Gesellen alle, schließt den Reihen,
- Daß wir die Glocke tausend weihen!
- Concordia soll ihr Name sein.
- Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine
- Versammle sie die liebende Gemeinde.
- Und dies sei fortan ihr Beruf,
- Wozu der Meister sie erschuf!
- Hoch überm niedern Erdenleben
- Soll sie im blauen Himmelszelt,
- Die Nachbarin des Donners, schweben
- Und grenzen an die Sternenwelt,
- Soll eine Stimme sein von oben,
- Wie der Gestirne helle Schaar,
- Die ihren Schöpfer wandelnd loben
- Und führen das bekränzte Jahr.
- Nur ewigen und ernsten Dingen
- Sei ihr metallner Mund geweiht,
- Und stündlich mit den schnellen Schwingen
- Berühr' im Fluge sie die Zeit.
- Dem Schicksal leihe sie die Zunge;
- Selbst herzlos, ohne Mitgefühl,
- Begleite sie mit ihrem Schwunge
- Des Lebens wechselvolles Spiel.
- Und wie der Klang im Ohr vergehet,
- Der mächtig tönend ihr entschallt,
- So lehre sie, daß nichts bestehet,
- Daß alles Irdische verhallt.
- Jetzo mit der Kraft des Stranges
- Wiegt die Glock' mir aus der Gruft,
- Daß sie in das Reich des Klanges
- Steige, in die Himmelsluft!
- Ziehet, ziehet, hebt!
- Sie bewegt sich, schwebt!
- Freude dieser Stadt bedeute,
- Friede sei ihr erst Geläute.
2 Parodien
Weit über 100 Parodien der Glocke lassen sich nachweisen. Die Worte Schillers (und ihre Bekanntheit) waren stets Parodievorlagen, weil sie als bekannt vorausgesetzt werden konnten.[2] Die Parodien des 19. Jahrhunderts zeigen nicht unbedingt kritische Einstellung gegenüber dem Original, sondern eher von Bewunderung. Die meisten Autoren, die das Lied nachahmten, stellten also durchaus nicht dessen Qualität in Frage, sondern bedienten sich dieses allseits bekannten Liedes für eigene Zwecke. Die meisten Parodien bewahrten und bewahren bei Austausch des Inhalts die formale Struktur des Schillerschen Gedichtes und entsprechen damit einem traditionellen, vom frühen 19. Jahrhundert vertretenen Parodiebegriff.[3] Die Parodie eröffnet in diesem Sinn, auch Gebrauchsgegenstände oder -abläufe einzubeziehen.
Wohltätig ist des Kaffees Macht
Wird mit Verstande er bedacht,
Der Heiterkeit und gutem Witz
Bereitet er im Herzen Sitz.
Im Schillerjahr 1905 nimmt ein „Secundus“ „[d]es deutschen Spießers Schillerfeier“ aufs Korn, indem er sich an Formulierungen aus dem Lied von der Glocke anlehnt:
Holt den Rock mir aus dem Schranke,
Wohlgebürstet muß er sein,
Denn ich geh zur Schillerfeier,
Und das Publikum ist fein.
Im Ersten Weltkrieg wurde das Gedicht für die Kriegspropaganda genutzt. So dichtete ein S. H. Cramer:
Fest gemauert in der Erden
Steht die Front in West und Ost,
Und zu Trümmern sieht man werden
Alles, wo der Sturm getost.
Bekannt ist eine komische Verkürzung, mit der das von Generationen in der Schule auswendig gelernte Gedicht auf vier Zeilen verdichtet wird. Dabei werden zugleich auch alle Regeln des Parodierens ignoriert.[3] Obwohl der anonyme Verfasser des auch Schiller für Eilige[2] genannten Textes Inhalte des Schiller-Textes durchaus beibehielt, ist es durch die gewählte äußere Form offenbar vermieden worden:
Loch in Erde,
Bronze rin.
Glocke fertig,
bim, bim, bim
In einer 1849 gedruckten österreichischen Glocke-Parodie Die Kanone wird die Auffassung vertreten, dass, wo die großen Worte versagen, Kanonen sprechen müssen:
Nehmet Holz vom Stamm der Eiche,
Grober Klotz will groben Keil,
Spart für fein’ren Guß das Weiche,
Uns’re Rüstung fordert Eil.
Wohlthätig ist des Mundes Macht,
Wenn sein Besitzer ihn bewacht,
Denn was er redet, was er spricht,
Oft ist’s was Kluges, oft auch nicht.
Original | Parodie |
---|---|
Ein süßer Trost ist ihm geblieben, |
Er zählt die Häupter seiner Lieben |
Der Schriftsteller Eduard Boas stellt seinem Lied vom Glockenklöppel aus dem Jahr 1866 Schlegels Kritik eines Küsters bezüglich des fehlenden Klöppels als Motto voran und reimt:
Meister! hab’ mich lang’ bezwungen,
Aber nun vernehmt mein Wort:
Eure Arbeit ist mißlungen,
Denn die hohe Glocke dort
Hänget starr entseelt,
Weil der Klang ihr fehlt.
Künftig seid nicht so vermessen!
Seht! der Klöpfel ist vergessen.
Der polnisch-deutsche Satiriker Alexander Moszkowski schrieb über Schillers Versäumnis, den Klöppel der Glocke zu erwähnen, ein Gedicht mit dem Titel Was Schiller vergessen hat (Das Lied vom Glockenklöppel):
Als er kam zu dieser Stelle: |
Denn was das Messer ohne Stiel ist, |
Alexander Moszkowski erlaubte sich noch einen weiteren Scherz mit der Glocke, indem er eine „entzweigegangene Glocke“ präsentierte, in der Schillers Verse als angebliches „Resultat eines Unglücks in der Druckerei, durch welches Zeilen, Worte und Buchstaben im Satz durcheinandergerathen sind“, in veränderter Reihenfolge erscheinen:
Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe,
Er stürmt ins Fremde liebeleer,
Durchmisst die Welt am Wanderstabe
Und zieht als Würgerband’ umher.
Und herrlich in der Jugend Prangen
Wie ein Gebild, den Leu zu wecken,
Sieht er sie steh’n mit zücht’gen Wangen,
Das ist der schrecklichste der Schrecken!
Da faßt ein namenloses Sehnen
Das Weib wird Hyäne!
Der Mann muß hinaus
Nach dem Grab seiner Habe,
Muß schaffen und pflanzen,
Mit Schnittern zu tanzen.
Der Komiker Heinz Erhardt schrieb einen kurzen Text zur Entstehung des Liedes von der Glocke, wonach Schiller in seinem Drang zum Schreiben die Unterstützung Goethes fand, welcher ihm mit seinem Gänsekiel aushalf. Nach zwei Stunden forderte Goethe sein Schreibutensil zurück („Denken Sie doch an all die lieben Schulkinderchen, die Ihre Glocke dermaleinst vielleicht werden auswendig lernen müssen!“) und verhinderte damit, dass Schiller auch noch den Klöppel beschreiben konnte.[4]
Auch aktuell lädt Schillers Glocke nach wie vor zu Parodien ein: Um 2015 wurde folgender Auszug in einem Internetportal gefunden.[5]
Original | Parodie |
---|---|
In die Erd ist’s aufgenommen, |
In das Blech ist’s aufgenommen, |
2.1 Oft zitierte Kurzfassung als Parodie
Fest gemauert in der Erden
Steht die Form, aus Lehm gebrannt.
Heute muß die Glocke werden,
Frisch, Gesellen, seid zur Hand.
Von der Stirne heiß
Rinnen muß der Schweiß,
Soll das Werk den Meister loben,
Doch der Segen kommt von oben.
Bim, Bam; Bim, Bam.
2.2 Die ultimative Kurzfassung von Joachim Stiller
Da steht die Form aus Ton gebrannt,
Bim, Bam; Bim, Bam.
Dramatische Werke
Die Räuber |
Semele |
Die Verschwörung des Fiesco zu Genua |
Kabale und Liebe |
Don Karlos |
Wallenstein
Maria Stuart |
Die Jungfrau von Orleans |
Die Braut von Messina |
Wilhelm Tell |
Demetrius
Lyrik
Hektorlied |
An die Freude |
Resignation |
Die Götter Griechenlandes |
Das verschleierte Bild zu Sais |
Xenien |
Der Taucher |
Die Kraniche des Ibykus |
Der Ring des Polykrates |
Die Bürgschaft |
Das Lied von der Glocke |
Philosophische, literatur- und theatertheoretische Schriften
Über die ästhetische Erziehung des Menschen |
Über naive und sentimentalische Dichtung |
Über das Erhabene
3 Einzelnachweise
- ↑ "Die Lebenden ruf ich, die Toten beklag ich, die Blitze brech ich."
- ↑ 2,0 2,1 Dieter Hildebrandt (Hrsg.): Loch in Erde, Bronze rin... – Schiller-Parodien oder Der Spottpreis der Erhabenheit. München: Sanssouci /Hanser, 2009, ISBN 3-8363-0163-6.
- ↑ 3,0 3,1 Nachwort, in: Christian Grawe (Hrsg.): Wer wagt es Knappersmann oder Ritt – Schiller-Parodien aus zwei Jahrhunderten. Stuttgart: J. E. Metzler Verlag 1990, ISBN 3-476-00684-0, S. 232–233.
- ↑ Heinz Erhardt: Die Entstehung der Glocke von Schiller oder Warum Schillers Glocke keinen Klöppel hat. In: Das große Heinz-Erhardt-Buch, Hannover 1970, ISBN 3-7716-1283-7, S. 18–21.
- ↑ Gefunden auf http://kamelopedia.mormo.org/index.php/Kuchen.
4 Andere Lexika
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