Benefiziarierstation Obernburg

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Die Lage der Station zum Kastell Obernburg.
Die bis 2007 ergrabene Obernburger Benefiziarierstation.

Die Benefiziarierstation Obernburg ist eine ehemalige römische Niederlassung der Benefiziarier im Bereich des Lagerdorf vor den Toren des Kastells Obernburg. Die zwischen 2000 und 2007 ergrabene Fundstätte befindet sich heute im Stadtgebiet von Obernburg am Main, einer Stadt des Landkreises Miltenberg im bayerischen Regierungsbezirk Unterfranken.

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1 Forschungsgeschichte

Mit den Ausgrabungen von 2000 bis 2007 gelang es erstmals, den Grundriss einer römischen Benefiziarierstation mit allen wesentlichen Teilbereichen, das heißt Amts- und Wohnräume sowie Weihebezirk, zu erforschen und dokumentieren.[1] Bereits im Mai 1954 waren im Zuge eines Tankstellenneubaus sieben Weihealtäre von römischen Straßenpolizisten (Benefiziariern) geborgen worden, die von den beiden provinzeigenen Legionen in Mogontiacum (Mainz) und Argentoratum (Straßburg) gestellt worden waren. Da diese Altäre zumeist nahe einer entsprechenden Benefiziarierstation errichtet wurden, hatten die Forscher von nun an eine ungefähre Vorstellung von der Lage dieses Dienstgebäudes. Die damaligen Suchschnitte blieben indes erfolglos. Nach einem Abriss der Tankstelle, sollte das Grundstück neu bebaut werden. Im Vorfeld dieser erneuten Bebauung nutzte die Archäologische Staatssammlung München gemeinsam mit dem bayerischen Landesdenkmalamt die Möglichkeit, das Gelände ab Juli 2000 umfangreich zu untersuchen. Dabei stieß man neben einem großen Weihebezirk auch auf das Amtsgebäude und konnte den südwestlichen, rückwärtigen Teil untersuchen. Eine Nachgrabung 2002 galt dem rückwärtigen nördlichen Bereich des Bauwerks. Die letzten archäologischen Arbeiten 2007 widmeten sich dem nördlichen Frontbereich der Station der unter einem unbebauten Grundstücksteil liegt. Dabei wurde auch die südwestliche römische Haupt- und Ausfallstraße nach Wörth angeschnitten. Die Befundsituation war erstaunlich gut, da die antike Dienststelle nahe dem Fuße des Stadtberges angelegt worden war und eine Erosionsrinne hier ihren Schüttungsbereich besaß. So hatte sich nach Aufgabe der Station sandiger Hanglehm in einer Mächtigkeit von 1,10 bis 2,50 Metern über dem antiken Horizont abgelagert. Die hervorragende Ausgangsbasis für die Grabungen wurde zunächst durch die Nichteinhaltung von Absprachen getrübt, da die Baggerarbeiten noch vor dem Eintreffen der Grabungsmannschaft unter Bernd Steidl aufgenommen worden waren. Dabei hatten die Verantwortlichen nicht nur eine Kernzone der antiken Weihestätte zerstört, sondern teils schwerste Beschädigungen an den Monumenten angerichtet. Die Archäologen konnten im letzten Moment die gerade laufende Verladung des Abrissschutts der Tankstelle verhindern, in dem sich zehn teilweise verzierte, halbtonnenschwere Altarsockel befanden. Zudem wurden noch ein vollständiger und ein gerade erst zerschlagener Weihealtar gerettet.

2 Baugeschichte

Die Station wurde nach Ausweis eines Münzfundes und dem ältesten datierbaren Weihestein kurz vor 144 n. Chr. – und nachweislich nach 140 n. Chr. – rund 100 Meter vom Südwesttor des Kastells entfernt an der von dort zum Nachbarkastell Wörth verlaufenden Straße errichtet. Damit befand sie sich innerhalb der Vicus-Zone. Wie die Nachforschungen ergaben, hatte es vor diesem Gebäude an gleicher Stelle bereits einen mindestens 45 × 30 Meter großen römischen Fachwerkbau gegeben, dessen Dimensionen während der bisherigen Grabungen nur teilweise erfasst werden konnten. 17 Öfen sowie Produktionsabfälle deuten einen ungewöhnlich großen buntmetallverarbeitenden Betrieb (Fabrica) an. Wahrscheinlich wurde er staatlich geführt.[2] Schallmayer mutmaßte, dass dieser Bau zu einem älteren Kastell gehören könnte,[3] während der Ausgräber Steidl an eine frei und exponiert, an der Hauptstraße liegende Produktionsanlage dachte. Ein kleinerer Bereich diese Fabrica brannte ab, der Rest wurde planmäßig niedergelegt, um den Bauplatz für das Amtsgebäude zu schaffen. Um das Jahr 200 wurde das Gebäude renoviert und umgestaltet.[4] Der jüngste datierbare Altar aus dem Weihebezirk der Station stammt vom 13. Januar 224, gestiftet durch den Benefiziarier Nertinius Festus, der von der in Straßburg liegenden 8. Legion „Augusta“ abgestellt worden war.[5] Zehn bis höchstens zwanzig Jahre später brannte die Dienststelle vollständig ab, teilweise wurden Altäre umgestürzt. Waffenfunde könnten vielleicht ein kriegerisches Ereignis andeuten.[6] Einzelne noch brauchbare Bauteile des Dienstgebäudes wurden nach der Zerstörung offenbar für eine Wiederverwendung entfernt.

3 Stationsgebäude

Im Gegensatz zu den im Vicus vorherrschenden Holzhäusern ist das Stationsgebäude ein rund 30 × 18 Meter großer, repräsentativer Steinbau. Er folgt mediterranem Bauschema, was in Kastellorten am Limes selten ist.[7] Der zuletzt mit großen Sandsteinplatten gepflasterte Innenhof (peristyl), mit umgebendem Säulengang, beherbergte in seiner Mitte einen Laufbrunnen, dessen quadratischer Trog aus verklammerten Sandsteinplatten bestand.[8] Die um den Hof befindlichen Wohn- und Arbeitsräume sind meist durch leichte Fachwerkwände begrenzt. Der mutmaßliche Wohnraum des Benefiziariers in der hinteren, südlichen Ecke des Gebäudes hat gemauerte Wände, die mit Malerei versehen waren. Der Mörtelfußboden (mit Sandsteinsplittern) des Raumes lag über einer Kanalheizung, die über eine Grube im Nachbarraum beschickt wurde. Nördlich des Wohnraumes wird das Speisezimmer (triclinium) vermutet, das durch den Verbindungsgang von Innenhof zu Weihebezirk von der Küche getrennt wird. Unter dem Küchen- und Wirtschaftsraum, der einen gemauerten Herd besaß, lag ein Vorratskeller, mit dem er über eine Treppe verbunden war. Im Raum östlich davon wird eine Schreibstube angenommen. Außer einer großen Herdstelle fand man in dem Bereich bronzene Zierbesätze soldatischer Ausrüstung und auch ein bronzenes Tintenfass. Weitere mit Herdstellen ausgestattete Zimmer werden als Wohnräume vermutet. Der Frontbereich der Benefiziarierstation kann nur aufgrund der Ausgrabung des nordöstlichen Ecks rekonstruiert werden, der größte Bereich wurde durch moderne Wohnbebauung vernichtet. Vor der steinernen Mauer befand sich eine Raumzeile mit Stampflehmboden, mutmaßlich mit Büros, die zur Straße hin durch eine Fachwerkwand begrenzt war. Im Abstand von etwa einem Meter davor wird eine Säulenreihe (Portikus) angenommen. Die Pflasterung der Straße wurde zuletzt im Bereich der Station bis zur Fachwerkwand erweitert. Zwischen Haus und Straße verlief ein Abwassergraben, dessen Deckelung im gepflasterten Bereich nur vermutet wird. Ein etwa 9 × 5 Meter großer Fachwerkanbau nördlich der Front besaß drei Räume mit insgesamt zwei Feuerstellen und lässt eine Nutzung als Wohnraum vermuten.[8][9]

4 Weihebezirk

Der zweimal erweiterte Weihebezirk lag, von der römischen Straße aus gesehen, hinter der Station. In ihm stellten die Benefiziarier zum Dank für die am Ort glücklich absolvierte halbjährige Dienstzeit einen Weihestein auf, der zumindest dem höchsten Staatsgott Jupiter, oftmals zusätzlich dessen Frau Juno beziehungsweise dem Schutzgeist des Ortes (genius loci), seltener auch anderen Göttern geweiht war. Während der Grabungen 2000 und 2002 sind mindestens 75 Aufstellungen von Weihealtären, teilweise nur durch das Postament, nachgewiesen worden. Immerhin 30 Altäre konnten vollständig oder in Fragmenten geborgen worden. Mit den Altfunden von 1954 sowie zwei Spolien aus der mittelalterlichen Stadtmauer von Obernburg und der Kirche im benachbarten Eisenbach sind nun 39 Benefiziarier-Weihungen zumindest teilweise erhalten geblieben. Die Forscher rechnen mit insgesamt rund 160 Steinen, die ursprünglich an der Benefiziarierstation standen. Die meisten, teils noch aufrecht aus der Lehmanschwemmung herausragend, wurden im Mittelalter als billiges Baumaterial zweckentfremdet. Davon zeugen auch entsprechende Spuren mit Spolien vom Grabungsgelände.
  1. Bernd Steidl: Die statio der beneficiarii consularis in Obernburg a. Main – Abschließende Ausgrabungen an der Gebäudefront. In: Das archäologische Jahr in Bayern 2007. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8062-2156-5, S. 9.
  2. Bernd Steidl: Die Station der beneficiarii consularis in Obernburg am Main. In: Germania 83. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2005, ISBN 3805334281. S. 89.
  3. Referenzfehler: Es ist ein ungültiger <ref>-Tag vorhanden: Für die Referenz namens Schallmayer69_2010 wurde kein Text angegeben.
  4. Bernd Steidl: Welterbe Limes: Roms Grenze am Main. Logo, Obernburg am Main 2008, ISBN 978-3-939462-06-4, S. 138.
  5. Belegstelle: Steindenkm 00032
  6. Bernd Steidl: Welterbe Limes: Roms Grenze am Main. Logo, Obernburg am Main 2008, ISBN 978-3-939462-06-4, S. 109–112.
  7. Bernd Steidl: Welterbe Limes: Roms Grenze am Main. Logo, Obernburg am Main 2008, ISBN 978-3-939462-06-4, S. 111.
  8. 8,0 8,1 Bernd Steidl: Welterbe Limes: Roms Grenze am Main. Logo, Obernburg am Main 2008, ISBN 978-3-939462-06-4, S. 111–112.
  9. Bernd Steidl: Die statio der beneficiarii consularis in Obernburg a. Main – Abschließende Ausgrabungen an der Gebäudefront. In: Das archäologische Jahr in Bayern 2007. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8062-2156-5. S. 84–86.

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