Story FLY - DER NEUE STOFF der Serie Galaktopol

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FLY - DER NEUE STOFF

Autor: Gerhard Kemme


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1 Überraschung zur Mittagszeit

Ein grüner Park befand sich unter der riesigen Glaskuppel von Ringstadt, einer großen Verwaltungsstadt auf dem Saturnmond Titan. Die gigantischen Verwaltungszentralen machten sich aus der Ferne mit ihren Neon-Reklamen bekannt. Über allem mit riesigen Buchstaben: „Galaktopol“, das Polizeihauptquartier einer gewachsenen Menschheit. Diese Bewohner des Weltraums besiedelten nunmehr tausend Planeten der Milchstraße und benötigten dort eine Instanz, welche fähig war Recht und Ordnung durchzusetzen. Nicht weit von der Grünanlage entfernt, befanden sich Büros und Lagerhallen von Titan-Cargo, einer Spedition mit Frachtzentren auf fast allen Planeten der Milchstraße. Wer nichts in der Mittagszeit zu tun hatte, konnte beobachten wie fern aus den Weiten des Universums Raumtransporter mit Bremsschub auf dem Weltraumflughafen einschwebten und landeten. Danach wurde die Ladung durch einen unterirdischen Tunnel zur Spedition Titan-Cargo transportiert. Einige hundert Meter entfernt befand sich das Krankenhaus, zu dem der Park mit seinen blühenden Tulpen gehörte, der seit einiger Zeit sogar von einer künstlichen Sonne erwärmt und beleuchtet wurde. Und die Bevölkerung von Ringstadt? Man sah Menschengruppen in ihrer Pause – vielleicht auch während eines allgemeinen Müßiggangs im Leben – über das gesamte Grün verteilt in Gruppen auf dem Rasen sitzen und liegen.

In der Nähe einiger Rohranlagen saß ein Mann in Jeans mit nachlässig zugeknöpftem knallbunten Hemd auf dessen Knien in trauter Eintracht eine jüngere Dame und der einzige Puma von Ringstadt schlummerten. Wer etwas Einblick in das Who is Who von Ringstadt hatte, konnte unschwer erkennen, dass es Peter Henninghaus war, der Zeit seines Lebens nichts anderes getan hatte, als bei der Behörde Galaktopol zu arbeiten. Im Laufe der Zeit hatte er dort auch Karriere gemacht und sich bis zum Rang eines Polizei-Obersts hochgearbeitet. Nun war einfach Pause und dies bedeutete, dass man in der Szene des Parks etwas herumhängen und rauchen konnte. Sein Anhängsel war momentan die Reporterin vom DAILY SATURN Silva Wittig, die eine neue Story brauchte, doch in den Pressenachrichten von Galaktopol nichts gefunden hatte. Der Puma mit dem Namen Einstein lungerte ständig im Park herum, jemand muss ihn bei einem interstellaren Raumflug übersehen haben, so dass er aus einem Container springen und in der Grünanlage ein neues Leben beginnen konnte. Puma Einstein spitzte die Ohren, denn ein leises Sirren erfüllte die Luft, man konnte erkennen, dass von Titan-Cargo Schwärme von Transport-Drohnen aufstiegen, die kleinere Pakete an Firmen und Privatpersonen auslieferten.

Eine solche Paket-Drohne mit vier Propellern verließ ihren Schwarm und fing an über der Parkanlage nach dem Adressaten zu suchen. Sie blieb über Henninghaus stehen und fragte mit piepsiger Stimme, ob er einen Herrn Speedy kennen würde, das Paket wäre für diesen bestimmt. Henninghaus sah sich um und erblickte Speedy, der noch in einem Rauschzustand war und mit geschlossenen Augen auf dem Rasen kauerte. "Ja, gib her, ich gebe es ihm", erklärte Henninghaus und die Drohne stellte ein Päckchen hin und schwirrte ab. Jetzt gab es doch noch Betrieb im Park, denn ein Taxi schwebte entlang der Magnet-Fahrbahn heran, während aus dem hinteren Fenster des Fahrzeugs ein maskuliner Typ winkte und etwas zu Henninghaus hinüber rief: "Alter, gib Kohle, einen Fuffi – kannst ihn dir von Speedy wiederholen!" Schweren Herzens wurde bezahlt und das Taxi schwebte von dannen.

Jetzt allerdings kam Bewegung in die Szene, man hätte doch ganz gern gewusst, was im Paket drin sei. Speedy war, nachdem ein anderer die lästigen Zahlungsformalitäten erledigt hatte, wieder obenauf und ratschte das Packpapier mit einem Fingernagel auf. Der Inhalt ließ Silva durch ihre spitz geformten Lippen pfeifen. Vier seltsam geformte Flaschen mit der Aufschrift FLY lagen ohne Begleitzettel in der Pappschachtel. Silva flüsterte Henninghaus ins Ohr: "Das ist ein Energietrunk der härtesten Sorte, damit kannst du fliegen, wirst allerdings auch unwiderruflich süchtig!" "Oh Gott, und das hab ich auch noch bezahlt!" Die Gang hatte lange genug gewartet, jetzt ging der Rausch ab und die Flaschen, welche wie Phiolen aus Goethes Faust geformt waren, wurden in einem Zuge geleert. Ein Wirbel ohne gleichen entstand, Speedy und seine Jungs kreiselten, ließen sich wuchtig fallen und schwebten dann nach Anlauf plötzlich rotierend in der Luft. Langsam stiegen sie immer höher bis der obere Rand der Glaskuppel erreicht war, dann mit geilem Sturzflug-Geräusch landeten sie wieder auf dem Rasen und ließen nur noch ein "Alte, mach das mal nach!" hören, bevor sie tief atmend auf vier Bänken liegend noch einmal den Genuss dieses Trips auskosteten. Ein VE (Verdeckter Ermittler) von Galaktopol, zu dessem Sektor die Grünanlage gehörte, machte das Zeichen "Bitte in der Zentrale melden." und die Reporterin und der Galaktopol-Offizier betraten die lichtdurchflutete Halle, die allerdings eher wie die Eingangshalle einer Universität aussah, da jüngere Beamte Plakate aufgehängt hatten und mit Zetteln in den Ablagefächer für neue Workshops warben.

2 Die Kyberaner kommen

Mit dem Gedankenstrahl "ON" schalteten Silva und Peter ihre Chips ein, welche vor einigen Monaten in ihre Schädel eingepflanzt worden waren, und wodurch eine zweite Denk-, Handlungs- und Informationsebene verfügbar war. Vor diesen inneren Augen leuchtete es rot, denn sie sollten sofort zum Vortrag und zu einer Besprechung ins Lagezentrum kommen. Der Saal war gefüllt und Henninghaus nickte einigen Vorgesetzten im Generalsrang zu, die zusammen mit Politikern und Wissenschaftlern Mineralwasser tranken. Selbst der Kommandeur einer Fernspäh-Hundertschaft von Galaktopol war anwesend, während der diensthabende Kommandeur des Lagezentrums den Vortrag mit einem Videofilm eröffnete. Zu sehen war der Nachthimmel am Rande der Galaxie Milchstraße. Plötzlich sah man von oben einen blinkenden Lichtpunkt kommen, der sich dem Rand der Galaxie näherte und nicht weit vom eigenen Sonnensystem verschwand. Ein anwesender Astronom erläuterte die Entstehung der Aufnahmen: Eine Beobachtungssonde am Rande der eigenen Galaxie Milchstraße habe mit ihrem Teleskop die Annäherung des blinkenden und hellen Objektes gefilmt, danach seien die Aufnahmen per Nachrichtenrakete mit Höchstgeschwindigkeit zu Galaktopol auf dem Saturnmond Titan transportiert worden. Es stellte sich die Frage, was das Ganze zu bedeuten hätte? Man beschloss, das Gesehene zu analysieren: Das Aufblinken schien heller als ein Raketenstrahl zu sein. Die Linie der blinkenden Punkte näherte sich mit extremer Geschwindigkeit. Die Versammlung kam erstmal zu dem Resultat, dass der Vorgang mit dem menschlichen Verstand kaum zu deuten wäre. Es wurde eine computergestützte Analyse angestrebt, um das komplexe Problem zu lösen. Einige Milliarden Rechenoperationen später konnten die Teilnehmer das Resultat auf der Leinwand sehen:

"Eine außergalaktische Gattung hochintelligenter Lebewesen nähert sich mit sehr hoher Geschwindigkeit einem Sektor der Milchstraße, in welchem sich auch das eigene Sonnensystem befindet und ist dort entweder auf einem Planeten gelandet oder hat den leuchtend blinkenden Antrieb ausgeschaltet. Bei dem Antrieb handelt es sich vermutlich um ein Impulstriebwerk, bei welchem nukleare Detonationen in Zeitabständen ausgelöst werden. Die Reise dieser außergalaktischen Wesen endet vermutlich im Sonnensystem KOI-351 und auf dem dort sonnenfernsten Planeten, der den Namen Kolibri hat. Dieser Planet ist von Menschen bewohnt, doch sind die Konflikte mit der Zentralverwaltung der Galaxie Milchstraße so groß, dass es beinahe zu einem Abbruch der Beziehungen gekommen wäre. Eine Reise dorthin und ein Aufenthalt auf Kolibri sind nur sehr eingeschränkt möglich."

Das waren die Fakten. Die Versammlung kam übereinstimmend zu der Entscheidung, dass eine Mission zum Sonnensystem KOI-351 entsandt werden sollte, die unter Leitung der für solche Einsätze ausgebildeten Fernspähern von Galaktopol durchgeführt werden sollte.

3 Bei den Kyberanern

Unendliche Weiten des Universums lagen zwischen dem Saturnmond Titan mit seiner Galaktopol-Zentrale in Ringstadt und der Ansammlung schwarzer Riesenkästen mit Kantenlängen von hundert Kilometern, die wie Bauklötze aussahen und sich wie Module für Versorgungsvorgänge miteinander verbinden konnten. Fast die Hälfte eines solchen Superraumschiffes bestand aus einem intelligenten Material, in welchem flink Datenverarbeitungsvorgänge ablaufen konnten. Herkömmliche Techniker der Gattung Mensch hätten als Hardware solcher Computer einfach Atome und sonstige Nukleonen ausgemacht. Zumindest lief in solchen Anlagen alles auf atomarer Ebene ab. Wie es von Festplatten oder elektronischen Speichern gewohnt ist, untergliederte sich solche Hardware in Partitionen, d.h. es gab eine Vielzahl von Sektoren oder Bereichen in einer solcher EDV des Raumschiffes. Ein menschlicher Betrachter wäre allerdings ziemlich überrascht gewesen, wenn er wahrgenommen hätte, dass jeder Bereich solcher Anlage eine Person darstellen würde, wobei sich alle "Personen" dieser Raumflotte dann als das Volk der Kyberaner bezeichneten. Da auf jedem Raumschiff in Länge, Breite und Höhe jeweils fünfundzwanzig Partitionen oder auch Bereiche lagen, war es möglich jede Person mit drei Buchstaben des Alphabets zu bezeichnen, so dass der erste Kyberanerer „AAA“ und der letzte „ZZZ“ hieß.

Bei KQH vibrierte ein leichtes Wecksignal und der Bootvorgang begann. Als Dingwelt materialisierte er sich eine gehobene Suite und bestellte eine frische Ausgabe des Journals DAILY KYBERA, welches ihm von einer gut gebauten Stewardess gereicht wurde. Die neuesten Meldungen waren weder gut noch schlecht, denn der Verkauf des Stoffes FLY auf den bewohnten Planeten und Monden der Galaxie Milchstraße war gut voran gekommen, doch die Abwehrkräfte der dort lebenden menschlichen Population hatten anscheinend etwas gemerkt und fingen mit lästigen Kontrollen an. Der Termin für die Aberntung der menschlichen, tierischen und pflanzlichen Biomasse sollte aber weiter beibehalten werden. Allerdings blieb die Bedingung, dass die Ernte erst nach Handlungsunfähigkeit der Abwehrkräfte beginnen sollte. Der Kommandant eines Versorgungsschiffes bemängelte im Interview, dass die Tanks bei ihrem Meldebestand angelangt wären und er doch vorschlagen würde, mit der Ernte nicht mehr länger zu zögern und sofort konsequent abzuernten. Erfreulich war die Entwicklung im Sonnensystem KOI-351, wo auf dem Planeten Kolibri der Stoff "FLY" hergestellt und an alle Planeten der Milchstraße versandt wurde. Dort gab es eine gute Kollaboration der Menschen mit den Kyberanern, so dass Hoffnung bestünde, dass es auch in anderen galaktischen Regionen so weiter gehen könnte. Allerdings sollte nunmehr ein weiterer Kontinent des Planeten Kolibri besetzt werden – dafür sollte ein neues Expeditionskorps zusammengestellt werden, für welches Freiwillige gesucht würden. Der Kyberaner KQH überlegte nunmehr, ob er sich an einem solchen Abenteuer beteiligen sollte. Nun gut, er konnte nicht endlos das bequeme Leben eines Cyberwesens führen und entschied, sich den Eroberern anzuschließen. Er schloss seine Kabine im Cyberspace ab und ging runter in die Maschinenhalle, wo der zentrale 3-D-Materiedrucker stand. Aus einer riesigen Zahl von Flüssigkeitsbehältern gespeist, ratterte dort eine Allzweckfabrik, die beliebige Maschinen und Dinge einfach Schicht für Schicht zu "drucken" vermochte. Im Moment lief eine Serie, bei der Panzer für das Expeditionskorps zum Sonnensystem KOI-351 gedruckt wurden. KQH fragte einen der Bediener, in welche Körper die Kyberaner schlüpfen sollten. Ein kurzer Blick in die Unterlagen der Arbeitsvorbereitung ergab, dass die Kyberaner als überdimensionale Hühner auf dem Planeten Kolibri landen sollten, da auch die bereits dort befindlichen Besatzungstruppen solche Materialisierungen gewählt hätten. Ein Panzer nach dem anderen rollte aus der Halle und wurde in ein Raumschiff für hohe Geschwindigkeiten verladen. Jetzt ging das los mit der Herstellung der riesigen künstlichen Hühner, die zuerst ziemlich starr nur mit ihrer Grundprogrammierung umhergingen, bis dann ein Kyberaner nach dem anderen sich als Datenstrom einklinkte und zu seinem Panzer lief. Das Gefühl nun wieder in einem Körper zu sein war spannend, gab es doch gleich Aufgaben zu erledigen und die Bedienungsanleitungen von Laserkanone und Kettenantrieb zu studieren. Die Raketen des Expeditionskorps entfernten sich schnell von der Raumflotte der Kyberaner.

4 Reise zum Sonnensystem KOI-351

Auch vom Saturnmond Titan startete eine Mission zum Planeten Kolibri des Sonnensystems KOI-351. Eine lange Reihe kleiner offener Wagen mit den Beamten der Fernspäh-Hundertschaft von Galaktopol verließ durch einen Tunnel den Kuppelbau von Ringstadt und erreichte so den Weltraumflughafen. Auf einem Wagen saßen Peter Henninghaus und Silva Wittig, die selber in Augenschein nehmen wollten, was dort auf dem Planeten Kolibri los war. Die Grundlage der Besiedelung der Galaxie Milchstraße durch die Menschen beruhte auf zwei Erfindungen: Einem Antrieb der wochenlange Beschleunigungen möglich machte, so dass das Sonnensystem KOI-351 mit nur zwei Auftankungen erreicht werden konnte. Die Auftankungen fanden bereits im Raum für hohe Geschwindigkeiten statt. Die so positionierten Tankraumschiffe blieben ständig auf solcher Geschwindigkeitsstufe. Die zweite Erfindung ermöglichte es, dass auch biologische Wesen wie Menschen und Tiere die Beschleunigungen aushielten. Der Passagierbereich der neuen Raumschiffe wurde durch Gravitations-Magnete hinterher gezogen. So fand die Geschwindigkeitszunahme für alle Körperteile und Einrichtungsgegenstände gleichzeitig statt. Die BON VOYAGE sollte ihre Passagiere zu dem unsicher gewordenen Planeten befördern. Die Reise lief entspannt und Henninghaus sowie der Führer der Hundertschaft, Kalle Kulander, verbrachten die Zeit damit, zu erklären, wie die Raumfahrttechnik mit Beschleunigung, Tankstopps und Gravitationskopplung der Fahrgastkabinen funktionierte. Silva machte sich Aufzeichnungen, um dies eventuell nach Rückkehr auch ihren Leser beizubringen. Aufgrund der hohen eigenen Geschwindigkeit seltsam verzerrt, kam dann die Sonne KOI-351 in Sichtweite und der Bremsvorgang wurde eingeleitet. Der Planet Kolibri war ziemlich groß und hatte eine Lufthülle, wie sie vom Planeten Erde bekannt war. Da es sich um eine geheime Aktion handeln sollte, entschied man sich für eine Landung mit Fallschirmen. Auf dem Rückflug sollten sie dann ohne Gepäck per Helikopter zur BON VOYAGE gebracht werden. Die Nacht war ziemlich düster als sie auf einem bereits abgeernteten Feld aufsetzten und sich bei den Transportfahrzeugen sammelten. Kalle Kulander navigierte per Landkarte und wies seine Leute an, truppweise am Waldrand einer Hügelkette Beobachtungsposten zu beziehen.

5 Beobachtungen und verdeckte Ermittlungen

Die Beobachtungsstände wurden noch in der Nacht mit einer kleinen Erdbearbeitungsmaschine ausgehoben und dann so getarnt, dass nur noch die Linsen der Ferngläser herausguckten. Die Sonne schob sich langsam über den Horizont und gab den Blick auf eine ferne Produktionsanlage frei, die aus einer Vielzahl von Behältnissen an der Oberfläche bestand, welche ständig von Lastkraftwagen mit irgendwelchen Produkten befüllt wurden. Von allen Richtungen beförderten solche LKWs Güter zur Fabrik und verschwanden dann wieder leer hinter dem Horizont. "Sag' mal Kalle, wird da FLY hergestellt oder was machen die da?" "Mich interessiert eigentlich mehr, wer dort tätig ist." "Sehen aus wie Menschen, wie du und ich – oder?" "Die Fahrer sind eindeutig Menschen." Ein Melder kam und brachte die Nachricht, dass zwischen den Behältnissen übergroße Hühner herumlaufen würden. Jetzt konnte auch Silva diese Figuren erkennen: Es gab da tatsächlich Hühner, die etwa zwei Meter groß waren und meistens in schnellem Lauf von einem Tunneleingang zum anderen liefen oder auch über kurze Entfernungen ihre Flügel benutzten und in niedriger Höhe umher flogen. "Es handelt sich um eine überwiegend unterirdische Produktionsanlage, welche anscheinend von Menschen bedient und beladen wird. Hin und wieder sind Hühner zu entdecken, die etwa zwei Meter groß sind und mit den Menschen zusammenarbeiten." Henninghaus überlegte: "Was würde passieren, wenn sich eine Gruppe von Galaktopol-Beamten in Zivil einfach unter die Bediener der Fabrikanlage mischte und einen Blick in den offenen Tunneleingang werfen würde?" "Wir werden es riskieren müssen." Glücklicherweise bedeckten Buschwerk und ein System von Gräben das Gelände zwischen dem Stützpunkt der Beobachter und der Fabrikanlage.

Henninghaus und Kalle Kulander machten sich auf den Weg und schlichen bis zum Ortsrand, schlenderten dann mit nassen Schuhen entlang einer Teerstraße auf den Eingang eines Tunnels zu. Einige Arbeiter gingen an ihnen vorbei und befahlen, dass die Straße geräumt werden müsste, weil Fahrzeuge kämen. Jetzt hörte man ein Rasseln und Dröhnen und es waren einige Panzer zu erkennen, aus denen jeweils zwei Hühner als Fahrer und Kommandant guckten. Henninghaus fotografierte heimlich aus dem Ärmel, während die Fahrzeuge auf einem Parkplatz abgestellt wurden, wo sonst die Trecker mit Anhängern und die Lastkraftwagen warteten, bis sie ihre Fracht in die Behältnisse abladen konnten, die durch Rohre mit den unterirdischen Produktionsanlagen verbunden waren. Die Hühner liefen herum und verzehrten ein unbekanntes Nahrungsmittel. Der kleine Trupp hatte nun die Einfahrt zu den unterirdischen Produktionshallen erreicht. Niemand sprach sie an, keiner fragte – auch die Arbeiter untereinander sprachen wenig. Wenn einige Wortfetzen zu vernehmen waren, dann wurde klar, dass in unterschiedlichen Dialekten die Einheitssprache Esperanto gesprochen wurde. Jemand fragte, ob sie neu wären. Als Henninghaus bejahte, wurden sie zu einer Arbeitsgruppe direkt an der Hauptmaschine eingeteilt. Per Fahrstuhl gelangten sie in eine kilometerweite Halle, in der eine riesige stinkende und lärmende Maschine mit Millionen von mechanischen Einzelteilen etwas produzierte. Die Zutaten zu dem neu entstehenden Werkstück kamen aus den zahlreichen Rohrleitungen, die oberirdisch anscheinend mit Rohstoffen gefüttert wurden. Erst langsam verstanden Kalle Kulander und Henninghaus den Sinn und Zweck der Produktionsanlage: Auf der einen Seite wurden Glasflaschen produziert – allerdings nicht per Glasbläserei aus einer erhitzten Substanz, sondern durch schichtenweises Auftragen von Glasschichten, so dass Ringe aus Glas übereinander gestapelt, die Flasche ergaben. Die andere Seite der Maschine braute eine Flüssigkeit, die dann automatisch in die Flaschen abgefüllt wurde, dann noch ein Etikett drauf und jeweils vier Flaschen wurden in einen Karton gepackt, der dann wiederum automatisch auf Paletten gepackt wurde, welche von Staplern schnell hintereinander weggefahren wurden. Der Schichtleiter sprach sie wieder an: "Nur die Aufkleber kontrollieren, das Haltbarkeitsdatum ist jeweils 25. März 3160 – alles verstanden?" So ging das stundenlang und Henninghaus hatte langsam jedes Gefühl verloren. Der Aufkleber kam bekannt vor, es prangte groß die Aufschrift "FLY – bis 25. März 3160 haltbar". Als Andenken und als Beleg für das Gesehene wanderte flink eine Flasche in die Hosentasche von Kalle Kulander. Diese Tat war gesehen worden und hatte gegen die Sitten verstoßen. Der Schichtleiter holte eines der Hühner, die vermutlich als Oberaufseher fungierten.

Jetzt war nur noch Flucht angesagt und der Galaktopol-Trupp erreichte unter Abgabe von Warnschüssen den Tunnelausgang, wo kleinere Elektrofahrzeuge von Galaktopol herangebraust kamen und sie aufnahmen. Das Gedröhn der kyberanischen Panzermotoren hallte beim Anlassen durch die ganze Ebene und die Kyberaner setzten zur Verfolgung an. Ein Sperrfeuer aus den Galaktopol-Stellungen ließ die Panzer nicht durch, doch einige Kyberaner stiegen aus und flogen mit wilden Kampfschreien auf die Beobachtungsstände des Galaktopol-Stützpunktes zu. Plötzlich hatten diese Vogelwesen zwei Beobachter aus ihrer Kuhle gezogen und schleiften sie über den Acker. Silva zögerte keine Sekunde und schoss die Vögel wie auf dem Schießstand beim Basistraining ab. Erstaunlich war, dass diese nicht wie biologische Wesen aus Fleisch und Blut ihr Leben beendeten, sondern dass ihnen die Flügel und andere Körperteile einfach herunterfielen, als wären diese hühnerähnlichen Figuren Puppen aus Kunststoff oder Metall. Es trat eine kurze Gefechtspause ein, da die Panzer der Kyberaner noch nicht nah genug heran waren, um mit ihren Kanonen wirken zu können. Und die Galaktopol-Hundertschaft wartete nur noch auf den Abtransport per Hubschrauber.

Es begann zu dämmern und die Hubschrauber landeten auf einer Lichtung, so dass die Mannschaft ohne die Geräte an Bord gehen konnte. An Bord der BON VOYAGE sahen sich Silva und Henninghaus an: "Und, was war das, was sollte das bedeuten?" Es wurde durchgesagt, dass der Raumkreuzer noch nicht ins heimatliche Sonnensystem nach Ringstadt auf dem Saturnmond Titan zurückkehren sollte, sondern dass ein weiterer Einsatz und Auftrag geplant sei.

6 Begegnung mit der Raumflotte der Kyberaner

Die BON VOYAGE befand sich noch im Sonnensystem KOI-351, als mehrere Tankraumschiffe zusammen mit dem Außenminister der galaktischen Zentralregierung und dessen Delegation eintrafen. Der Außenminister sah etwas fremdartig aus, denn sein Körper bestand aus Nanoteilchen, die zu beliebigen Formen zusammengesetzt werden konnten. Allerdings enthielt dieser Fließkörper eine mobile Rechen- und Sendeanlage, die mit einem menschlichen Gehirn neurologisch verkoppelt war. Henninghaus, Silva und andere, die das Abenteuer auf dem Planeten Kolibri mitgemacht hatten, waren bereits im Konferenzraum versammelt, als die Tür aufging und der Außenminister als meterlange Schlange hereinglitt und sich dann schnell als Krake neu konfigurierte. Jeder Arm zeigte ein Gesicht, welches jeden Teilnehmer persönlich freundlich lächelnd begrüßte. Mit einem Tentakel formte er einen freundlichen älteren Herrn und ließ diesen ans Rednerpult treten:

"Meine Damen und Herren, vielen Dank für ihren Einsatz auf dem besetzten Planeten Kolibri. Ihre Mission dort hat der galaktischen Regierung wertvolle Informationen gebracht, so dass nunmehr eine weitere Aktion starten kann. Wir haben es mit einer außergalaktischen Spezies zu tun, die in der Lage ist, mit Hilfe von dreidimensionalen Materiedruckern beliebige Produkte und Werkstücke herzustellen. Diese Leute können beliebige künstliche Figuren herstellen und dann mit ihrer Intelligenz und Persönlichkeit solche Roboterwesen steuern. So handelte es sich in der unterirdischen Anlage auf dem Planeten Kolibri um einen dieser dreidimensionalen Materiedrucker, der an einem Tag den Stoff FLY produziert und am nächsten Tag Automobile baut. Die heimische Basis dieser außergalaktischen Spezies befindet sich auf keinem Planeten, sondern besteht aus einer großen Anzahl riesiger Raumschiffe - dies ist nunmehr bekannt. Und nun zum Auftrag: Die BON VOYAGE wird in die Raumregion vorstoßen, wo sich die Raumflotte der Kyberaner befindet."

Nach einigen Tagen Beschleunigung und dann wieder Abbremsung war man da. Durch die Teleskope waren schwarze quaderförmige Kästen mit einer Länge von hundert Kilometern zu erkennen - eine schier unendliche Anzahl. Das Team des Außenministers hatte Erfahrung mit Verhandlungen zwischen gegnerischen Raumflotten im Weltraum. Man projizierte eine riesige Holografie in den Space und bildete dort den Konferenzraum der BON VOYAGE mit den Besatzungsmitgliedern, dem Außenminister und Peter Henninghaus ab. Dazu eine Begrüßungsschrift in Esperanto.

Es dauerte nicht lange, dann hatten auch die Kyberaner ein Hologramm in den Weltraum gehängt. Es war zu sehen, dass sie wie in der Garderobe eines Operettenhauses nach der richtigen Verkörperung und der dazugehörigen Bekleidung suchten. Ein Baum mit Matrosenanzug erschien unpassend, schnell wurde eine andere Figur gedruckt, bis nach einigem Hin und Her die Delegation der Kyberaner ihr Äußeres festgelegt hatte: Der zwischenzeitlich von seinem Abenteuer auf dem Planeten Kolibri zurückgekehrte KQH hatte sich eine synthetische Ratte ungefähr in der Größe eines Menschen ausdrucken lassen und ließ seine Intelligenz hineinströmen, ein anderer kam als Kleinwagen und der Kommandeur der Kyberaner kam als Mensch in Generalsuniform. Nach einigem Suchen hatten sie auch die Datei für Esperanto gefunden und eröffneten die Verhandlungen mit einer Begrüßung:

"Wir freuen uns, dass die Delegation der Menschen uns die Galaxie Milchstraße zur Ernte übergeben will. Unsere Raumflotte hat ein logistisches Problem, die Vorräte sind zur Neige gegangen und wir, die Kyberaner, sind nun gekommen, das zu ernten, was wir vor tausenden von Jahren gesät hatten. Wie ihr sicherlich bereits entdeckt habt, trennen wir Geist und Körper, man könnte auch von Software und Hardware sprechen – indem mit dreidimensionalen Materiedruckern beliebige Roboterwesen und sonstige materielle Dinge hergestellt werden können. Die Fabrikanlagen benötigen Grundstoffe, insbesondere biologische Substanzen."

Nun ergriff Henninghaus das Wort:
"Ihr wollt also von Planet zu Planet reisen und dort Menschen einsammeln, um sie dann in eure Maschinenanlagen zu schütten?"

KQH setzte ein gewinnendes Lächeln auf:
"Herr Henninghaus, wir hoffen, dass Sie Verständnis dafür haben, denn ursprünglich waren Menschen, Tiere und Pflanzen auf den Planeten ausgesetzt worden, damit sie sich vermehren und danach als Biomasse zur Verfügung stehen – wie gesagt, wir wollen nur abholen, was wir einst gesät hatten und bitten die entsprechenden Weisungen zu geben."

Damit waren die Menschen an Bord der BON VOYAGE nicht einverstanden: "Dazu gibt es ein klares Nein, wir werden niemanden ausliefern!"

Jetzt wurde KQH etwas böse, da er Widerspruch eigentlich nicht erwartet hatte: "Wir werden dann mit einer riesigen Armada von Flugzeugen und Panzern kommen und uns das nehmen, was uns gehört!"

So gingen die Verhandlungen hin und her – später ergriff der Außenminister das Wort: "Die Möglichkeit, alles sofort zu besetzen, hätten die Kyberaner doch gehabt und warum wolltet ihr zuerst alles mit eurem Giftstoff FLY unterwerfen? Ich will es sagen, weil dies für euch angenehmer ist als gegen die Menschen zu kämpfen."

Der als Automobil verkleidete Kyberaner verzog seine Stoßstangen zu einem süffisanten Grinsen: „Nun, ihr habt nicht völlig unrecht, doch unsere logistischen Probleme sind so drängend, dass wohl kein anderer Weg als der Kampf bleiben wird."

"Behaltet einfach das Sonnensystem KOI-351, erntet dort Kartoffeln und Rüben, produziert euer FLY und von allen anderen Planeten lasst einfach die Finger – ist das so okay?", meinte der Außenminister der Galaxie Milchstraße etwas lauter.

Die Figur in Generalsuniform, der Kommandeur der Kyberaner, dachte an die Anstrengungen einer Invasion und willigte in den Vorschlag ein: "Wir werden unseren Engpass in der Versorgung anderswo überbrücken und möchten jetzt gerne auf die Anwesenheit ihrer Raumflotte in dieser Gegend verzichten."

Endlich ging es zurück zum heimatlichen Sonnensystem mit Erde, Saturn und Ringstadt auf dem Saturnmond Titan.

7 In der Redaktion

Am Raumflughafen in Ringstadt wurden sie bereits von Monika Zarthold erwartet: „Bitte sofort zum DAILY SATURN kommen, in einigen Stunden ist Redaktionsschluss und der Artikel über die Invasion der Kyberaner soll noch rein. Im Verlag sammelten sich alle um Monikas Bildschirm, denn diesmal sollte es ein Leitartikel auf der Titelseite sein:

DIE MENSCHHEIT BALLERT ZURÜCK
hätten Eure Reporterinnen Silva und Monika gerne voller Stolz geschrieben, doch unsere Regierung hat leider anders entschieden. Als eklige Außerirdische, welche sich Kyberaner nennen, unsere Galaxie Milchstraße überfielen und Galaktopol sich ihnen im Sonnensystem KOI-351 heldenhaft entgegenwarf, da hat die Regierung windige Verhandlungen angestrengt und es gab nur ein laues Friedensabkommen. Eure Silva Wittig und Monika Zarthold, Ringstadt, den 25. Februar im Jahre der Galaxie 3160.

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