Zuckertoni
„Zuckertoni" hieß eigentlich Anton Kohlhaas. Er lebte vom 14. April 1904 bis 9. Juli 1972.
Als kleiner Junge fuhr er mit seiner Mutter, die mit ihrem Handkarren im Umland auf Kram-Märkte fuhr und dortstets nur Zuckerwaren verkaufte. Weil er die Mutter dorthin stets begleitete, nannte man ihn danach später zu seinem Namen Toni auch mit einem Spitzname „Zuckertoni".
Nach dem Tod der Mutter übernahm er deren Handkarren und sammelte fortan im ganzen Stadtgebiet von Mayen Altwaren jeglicher Art. Zu seinen Stammkunden zählen die Geschäfte, Schmieden, Gastwirtschaften und wohl auch viele Privatkunden in der ganzen Stadt. Wenn er seinen Wagen voll beladen durch die engen Straßen der Stadt zog verusachte er auch oft einen Verkehrsstau.
Oft durfte er dann seinen Handwagen hinter den Pferdewagen anhängen und die Fuhrleute brachten den Wagen hoch über die Kelberger Straße bis zum Altwarenhändler Eickoff, zur Lumpenstube.
Mit der meist geringen Entlohnung für das abgelieferte Papier-und Metallzeug zog er dann zur nächsten Gaststätte und erhielt meist von dem Wirt ein großes Glas Bier, das er mit viel Genuß sofort austrank.
Dieses Spiel wiederholte sich öfters, wenn der Zuckertoni mit seinem Wagen bei einem Wirt in der Stadt anhielt, brachte dieser ihm sofort ein Glas Bier schon auf die Straße,
damit der Zuckertoni sein Lokal nicht zu betreten brauchte, da er stets Gäste hatte, die an einem Gast wie Zuckertoni, unrasiert und mit alten und
schmutzigen Kleidern ausgestattet, sicher keine Freude gehabt hätten. Aber dem Zuckertoni hat das Glas Bier auf der Straße bestimmt gut geschmeckt.
Da nach dem Krieg die alte Wohnung der Mutter nicht mehr bewohnbar war und er selbst keine feste Bleibe hatte, sollte der Zuckertoni in ein Altenheim,
einmal in Bingen und später in Saffig untergebracht werden. Doch das Heimweh ließ ihn stets wieder ohne Erlaubnis nach Mayen zurückkehren.
So verstarb er bei einer Rückkehr hier am 9. Juli 1972. Er war zwar ein Außenseiter.
Aber die Stadt Mayen hat ihm auf dem hiesigen Friedhof am Eingang einen Grabstein errichtet, vor dem fast ständig eine Kerze brennt.[1]
Der Zuckertoni hieß mit bürgerlichem Namen Anton (Toni) Kohlhaas und gehörte nach dem Krieg zu Mayen wie der schiefe Turm der Klemenskirche. „Eines muss aber klargestellt werden, der Toni hat nie gebettelt, sondern für sein Geld oder die Getränke immer eine entsprechende Gegenleistung gebracht“, sagt Karl Blasweiler. Der Neunzigjährige kann sich noch gut an Toni Kohlhaas erinnern und berichtet über die oft beschwerliche Arbeit des Mannes, den man sich ohne seinen Handkarren kaum vorstellen konnte.
Papier und Eisen brachte Kohlhaas bis zur „Lompestuff”. Dorthin, wo heute die Firma Eickhoff ihren Sitz hat, ging der Weg des Toni Kohlhaas immer wieder mit seinem Karren, den er zumeist von Hand den Berg hinauf zog.
Natürlich war die zerzauste Erscheinung auch oft Zielscheibe für Streiche und manchmal sogar Boshaftigkeiten. Für die Kinder war es nach dem Krieg immer eine Herausforderung, am schwer be!adenen Wagen des Toni Kohlhaas den
Haltestift des Rades zu lockern und sich diebisch zu freuen, wenn sich das Rad verselbstständigte und Toni Kohlhaas laut fluchend seine Ladung wieder zusammen suchen musste.
Zeitweise besaß Kohlhaas auch ein Pferd, das ihm Witzbolde eines Tages in der altehrwürdigen Gaststätte bei „Gansers Schorsch" am Obertor schwarz-weiß anstrichen.
Als Zebrafand der angeheiterte Kohlhaas sein Pferd wieder, als er die Gaststätte verließ.
Aber auch ansonsten war er recht kreativ, wenn es darum ging, Geld oder Getränke zu erwerben.
Bel einem Sportfest des SV Rheinland Mayen Ende der vierziger Jahre war es die Hauptattraktion beimElfmeterschießen gegen den Torwart Toni „Zuckertoni“ Kohlhaas anzutreten.
Als Lohn für den Torwartdienst hatte Kohlhaas die Getränke frei. Nach Augenzeugenberichten war dieses Elfmeterschießen der absolute Höhepunkt des Festes und ständig belagert.
Einige ganz zielsichere Schützen machten es sich aber zum Spaß, den armen Toni mitsamt Ball in die Maschen zu dreschen. So gesehen hat sich Toni Kohlhaas auch hier seinen Lebensunterhalt hart verdient.
Heute lebt der kleine Mann noch immer in den Gedanken der Mayener Nachkriegsgeneration und in Redensarten wie „Dau saihst aus be de Zuckertoni“ weiter.
Außerdem hat das Foto des bekannten Mayener Originals in vielen Wohnungen und Gasthäusern der Stadt einen besonderen Ehrenplatz.
Einzelnachweise
- ↑ Werner Blasweiler: Mayens wohl bekanntestes Original. Mayen.
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