Israel (Historisches Dokument, Brockhaus 1894, 14. Auflage)

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Isrăel, Israelīten, Kinder Israel, Mann von Israel, nennt sich das Volk, das seine Nachbarn als Hebräer bezeichnet haben, und aus dem sich durch einen geschichtlichen Prozeß die Religionsgemeinde der Juden entwickelt hat. Es nennt sich so nach seinem mythischen Stammvater Jakob, der von Gott, nachdem er mit demselben bei der Rückkehr ins Heilige Land gerungen hatte, den Namen Israel empfangen haben soll. „Gotteskämpfer“ soll nach dem Mythus dieser Name bedeuten. Doch ist diese Etymologie nicht zuverlässig.

Die Geschichte des Volks Israel ist von allgemeiner Bedeutung, eben weil sich aus ihm das Judentum entwickelt hat und dieses die historische Voraussetzung des Christentums ist. Es sind drei Gedankenkreise, die sich in und mit dem Judentum gebildet haben und die specifische Voraussetzung für die Entstehung des Christentums bilden: der Glaube, daß nur ein Gott ist, der Himmel und Erde geschaffen hat und erhält, sich dem Volke Israel historisch offenbart hat und es als sein Erbe leitet; der Glaube, daß ein dem Wesen und Willen dieses Gottes entsprechendes sittliches Gesetz den Willen des Menschen absolut verpflichtet; der Glaube, daß dieser Gott auf Erden ein Reich stiften will, dessen Bürger diejenigen sein werden, die sich auf diesen Gott und seine Verheißungen verlassen und ihm dienen, indem sie dieses Gesetz erfüllen (Messianische Hoffnung). Im Judentum ist noch nicht erkannt, daß das Gesetz des höchsten Gottes ein rein sittliches ist, die Güter seines Reichs rein geistige und sittliche sind; im Gesetze Gottes nach jüd. Auffassung findet sich Ceremonielles und Rituelles von heidn. Herkunft und Bedeutung (s. Opfer und Beschneidung); die Güter des Messianischen Reichs sind naturhaft geartet (Besitz des Landes, Herrschaft über die Heiden u. s. w.). Das Messianische Reich ist als zukünftiges und irdisches gedacht. Nach Jesu Predigt ist es überweltlich, aber es ist angebrochen und ragt mit seinen geistigen Gütern in diese Welt hinein. Nach jüdischer Auffassung ist die Teilnahme am Reich an die Zugehörigkeit zum Volke Israel geknüpft, nach dem Christentum vermittelt sie das Bekenntnis zum Erlöser allem Volk (Apostelg. 10, 35). Jeder Mensch kann Bürger dieses Reichs werden und alle haben in ihm gleiche Bürgerrechte. So ist das Christentum eine durch das Erscheinen des Heilands, seine Predigt und die Stiftung der Jüngergemeinde vollbrachte Umbildung des Judentums, letzteres die direkte Vorbereitung auf das erstere. Im Heidentum haben sich zwar im einzelnen diesen jüdischen Gedanken verwandte Gedanken hier und dort gebildet, aber nur durch Zersetzung und Zerstörung des alten Götterglaubens, während im Judentum mit der religiösen Umbildung das Vertrauen zu dem persönlich gefaßten Volksgotte entsprechend gewachsen ist. Die heidnische Entwicklung vor Christus hat nur eine gewisse Empfänglichkeit für das Christentum geschaffen, sie ist nur eine indirekte Vorbereitung.

Die Umbildung des Volks Israel zum Judentum und damit die wichtigsten Fragen der ältesten Geschichte Israels zu verstehen, haben erst die neuern Untersuchungen über das Alte Testament, insonderheit über den Pentateuch gelehrt. Dies Problem war nämlich gegeben mit der Aufgabe, die Entstehung der Schriften des Alten Testaments zu begreifen, denn diese Schriften stellen, soweit sie aus der Zeit des alten Volks Israel stammen, den Niederschlag der geistigen Bewegungen dar, durch die aus diesem die Judenheit entstand.

1 Die vorgeschichtliche Zeit

In die Geschichte tritt das Volk Israel ein unter seinen Königen Saul und David. Über die frühere Zeit sind fast nur Sagen vorhanden. Nach diesen sind die ältesten Vorväter des Volks aus Haran und Mesopotamien nach Palästina gewandert und haben mit den Stammvätern der Aramäer in nahen Beziehungen gestanden. In Palästina wanderte Abraham ein, sein Sohn war Isaak, sein Enkel Jakob, der eigentliche Stammvater des Volks, der Vater der Zwölf, von dem sich die zwölf Stämme des Volks herleiten. Sowohl Isaak als Jakob nahmen Frauen aus Mesopotamien; Jakob wohnte vorübergehend dort, und dort wurden ihm seine Kinder bis auf Benjamin (1 Mose 35, 16-18) geboren. Jakobs Sohn Joseph wurde nach Jakobs Rückkehr nach Palästina nach Ägypten verkauft und gelangte hier zu hohen Ehren. Er veranlaßte als Minister Pharaos die Übersiedelung seines Vaters und seiner Brüder nach Ägypten, die dort im Lande Gosen wohnten. Ein neuer Pharao, "der nichts von Joseph wußte", bedrückte ihre Nachkommen und zwang sie zu harter Fronarbeit. Aus der ägypt. Knechtschaft befreite sie ein am ägypt. Hofe erzogener Volksgenosse, Moses (s. d.). Dieser mußte wegen einer Blutschuld flüchten, gelangte nach dem Sinai, wurde Schwiegersohn des dort wohnenden Priesters des Gottes vom Sinai und von diesem berufen, sein Volk zu befreien. Pharao wurde durch die Wunderthaten des nach Ägypten heimgekehrten Moses gezwungen, I. die Erlaubnis zur Feier eines Opferfestes in der Wüste zu geben. Nach I.s Abzuge bereute Pharao dies und setzte ihm mit seinem Heere nach. Aber Moses führte sein Volk auf wunderbare Weise durch das Schilfmeer, worin Pharao und sein Heer ertranken. Am Sinai offenbarte sich Jahwe I. und führte es zum Heiligen Lande. Nach einem mißglückten Versuche, von Kades-Barnea aus in den Süden des Westjordanlandes einzudringen, mußte das Volk in die Wüste zurückkehren. Es umzog das edomitische Gebiet und drang ein Menschenalter später in das Ostjordanland ein, eroberte die Reiche des Og von Basan und des Amoriterkönigs Sihon, die an Ruben, Gad und Halbmanasse verteilt wurden, und schickte sich zur Überschreitung des Jordan an. Vorher starb Moses und Josua trat an seine Stelle. Dieser eroberte nach Überschreitung des Jordan Jericho und Ai, schloß Bündnis mit Gibeon, schlug die dieses angreifenden Könige des Südens, ebenso die des Nordens und verteilte das Westjordanland an die Stämme. Auf Josua folgen die sog. Richter, von deren letztem, Samuel, Saul als erster König das Regiment übernahm.

Von diesen Sagen ist zweifellos unhistorisch die Erzählung von dem vorägyptischen Aufenthalte Israels in Palästina. Die Sagen von Abraham, Isaak, von Jakob und dessen Söhnen sind Sagen der alten Lokalheiligtümer, diese sowie die Heroen derselben sind vielleicht kanaanit. Ursprungs. Die Herleitung I.s von diesen bezweckt, diese Kultstätten zu ursprünglich israelitischen zu stempeln. Dazu ist die Vätersage in ihrer jetzigen Gestalt zweifellos jünger als Davids Zeit. Dagegen muß der Aufenthalt in Ägypten und die Befreiung durch Moses der Geschichte zugewiesen werden, da sonst der weitere Verlauf der Geschichte I.s schwer verständlich wäre. Nur darf man sich nicht vorstellen, daß das im spätern Sinne sog. Volk I. in Ägypten gewohnt habe, denn dieses ist erst durch Verschmelzung der über den Jordan eindringenden hebr. Stämme mit den Ureinwohnern entstanden. Es mögen einzelne Geschlechter der semit. Nomadenschicht, aus der die Grundlage I.s erwachsen ist, vorübergehend in Ägypten gehaust haben und dort in Knechtschaft geraten sein, während die Hauptmasse auf der Sinaihalbinsel verblieb und dort den Kult des Gottes vom Sinai, Jahwe, ganz oder teilweise angenommen hatte. Diese wird Moses im Namen und Auftrag des Gottes vom Sinai befreit haben. Das wird vom Standpunkte der täglichen Angelegenheiten Ägyptens ein ganz untergeordnetes Ereignis gewesen sein, weshalb auch keine einzige ägypt. Geschichte auch nur ein Wort von dem Aufenthalte und dem Auszuge der Israeliten erwähnt. Und doch war es ein Ereignis von welthistor. Bedeutung. ...

2 Quelle

  • Brockhaus' Konversationslexikon, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896, Seite 729-730

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