Erinnerung (Mörike)
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Erinnerung
An K. N.[1]
Eduard Mörike
- Jenes war zum letzten Male,
- Daß ich mit dir ging, o Klärchen!
- Ja, das war das letztemal,
- Daß wir uns wie Kinder freuten.
- Als wir eines Tages eilig
- Durch die breiten, sonnenhellen,
- Regnerischen Straßen, unter
- Einem Schirm geborgen, liefen;
- Beide heimlich eingeschlossen
- Wie in einem Feenstübchen,
- Endlich einmal Arm in Arme!
- Wenig wagten wir zu reden,
- Denn das Herz schlug zu gewaltig;
- Beide merkten wir es schweigend,
- Und ein jedes schob im stillen
- Des Gesichtes glüh'nde Röte
- Auf den Widerschein des Schirmes.
- Ach, ein Engel warst du da!
- Wie du auf den Boden immer
- Blicktest und die blonden Locken
- Um den hellen Nacken fielen!
- "Jetzt ist wohl ein Regenbogen
- Hinter uns am Himmel," sagt' ich,
- "Und die Wachtel dort im Fenster,
- Deucht mir, schlägt noch eins so froh!"
- Und im Weitergehen dacht' ich
- Unsrer ersten Jugendspiele,
- Dachte an dein heimatliches
- Dorf und seine tausend Freuden.
- - "Weißt du auch noch," frug ich dich,
- "Nachbar Büttnermeisters Höfchen,
- Wo die großen Kufen lagen,
- Drin wir sonntags nach Mittag uns
- Immer häuslich niederließen,
- Plauderten, Geschichten lasen,
- Während drüben in der Kirche
- Kinderlehre war - (ich höre
- Heute noch den Ton der Orgel
- Durch die Stille ringsumher):
- Sage, lesen wir nicht einmal
- Wieder wie zu jenen Zeiten
- - Just nicht in der Kufe, mein' ich -
- Den beliebten 'Robinson'?"
- Und du lächeltest und bogest
- Mit mir um die letzte Ecke.
- Und ich bat dich um ein Röschen,
- Das du an der Brust getragen,
- Und mit scheuen Augen schnelle
- Reichtest du mir's hin im Gehen:
- Zitternd hob ich's an die Lippen,
- Küßt' es brünstig zwei- und dreimal;
- Niemand konnte dessen spotten,
- Keine Seele hat's gesehen,
- Und du selber sahst es nicht.
- An dem fremden Haus, wohin
- Ich dich zu begleiten hatte,
- Standen wir nun, weißt, ich drückte
- Dir die Hand und -
- Dieses war zum letzten Male,
- Daß ich mit dir ging, o Klärchen!
- Ja, das war das letztemal,
- Daß wir uns wie Kinder freuten.
Einzelnachweise
- ↑ E. Mörike, Ausgewählte Dichtungen, Paul Franke Verlag Berlin (1925), 6-8
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