Kaiser- und Dynastenburg

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Am 4. November 1192 bahnte sich für die Herren von Höckelheim/Plesse ein bemerkenswerter Wechsel in ihren lehnsrechtlichen Beziehungen an. Ob diese Veränderungen noch die Brüder Bernhard I. und Gottschalk I. von Höckelheim/Plesse erlebten, ist ungewiss. Entscheidend ist aber, dass die Plesse offenbar wichtig für das Reisekönigtum Heinrich VI. war, denn er nahm die Burg („castrum Plesse“) zusammen mit dem Gut Eddigehausen („predium“) und dessen dortiger Kirche („cum capella“) und gab dem Bistum dafür 200 Mark, obendrein den Desenberg sowie alle Güter, die bisher der verstorbene Graf Siegfried IV. von Bomeneburg im Bistum Paderborn besaß. Durch diesen Tausch wurde die Plesse eine Kaiser- und Reichsburg („castrum Plesse nobis et imperio“), ohne dass überliefert ist, welche konkreten Pläne der Monarch mit dem Erwerb verfolgte. Durch jene Transaktion wurden die Herren von Höckelheim/Plesse kurzzeitig kaiserliche Vasallen und nannten sich fortan nur noch nach der Burg, denn schon am 31. Juli 1195 hob der Regent den mit Bischof Bernhard III. von Paderborn geschlossenen Tauschvertrag auf, so dass die ursprünglichen Rechtsverhältnisse wieder auflebten.

Gleichwohl löste der Burgentausch eine rege Bautätigkeit auf der Plesse aus, denn „der Große Turm, die Kapelle, die Ringmauer der Hauptburg, ein steinernes Wohnhaus und die Baukonzeption der heutigen Gesamtanlage sind der Zeit um 1200 zuzuordnen.“ . Geleistet wurde dies alles – auch die späteren Reparaturen an der Burg - von den umliegenden Dörfern im Rahmen von Hand- und Spanndiensten. Das bebaute Burgareal muss damals schon recht umfangreich gewesen sein, denn Bischof Bernhard II. von Paderborn vereinbarte mit Kaiser Heinrich VI. in der Tauschurkunde von 1192 ein Wohnrecht („mansio“) für sich und Unterkunft für seine berittene Begleitung. Zusammen mit den Herren von Plesse und ihrem Gesinde lebte auf der Burg selbstverständlich auch eine Mannschaft. Das waren immerhin vier oder fünf Ritter und einige Knappen. „Diese adelige Burgbesatzung mit Familien und Dienerschaft muss über adäquate Räumlichkeiten verfügt haben. Für die Pferde waren Stallungen und Speicher notwendig“. Dabei war die Wasserversorgung auf der Burg eher problematisch. „Eine Zisterne hat es auf der Burg wahrscheinlich nie gegeben“ und wasserführende Schichten kommen erst 100 m unterhalb der Hauptburg vor, so dass ein tiefer Brunnen gebaut werden musste. Spärlich, unhygienisch und damit durchaus zeitgemäß dürften die sanitären Verhältnisse auf der Plesse gewesen sein. Einen Friedhof außerhalb der Burgmauern gab es sicher nicht von ungefähr.

Die Herren von Plesse nutzten die Höhenburg spätestens seit dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts als Wohnsitz und Verwaltungszentrale, denn sie stellten dort Urkunden aus und nannten die Burg ihr Haus („domo nostra Plesse“). In anderen Urkunden gaben sie als Ausstellungsort nur „castro Plesse“ oder schlicht „Plesse“ an. Sofern Beurkundungen auf der Plesse stattfanden, geschah es in der Burgkapelle („in castro Plesse in capella ibidem“), beispielsweise bei einer notariellen Übertragung im Juni 1241, als die Herren von Plesse Äcker in Odagsen dem Kloster Amelungsborn überschrieben. Jene Burgkapelle aus dem späten 12 Jahrhundert ist die Vorgängerin der Kapelle von 1485, deren Mauerreste noch heute sichtbar sind. Die ältere und die jüngere Kapelle waren den Heiligen Petrus und Paulus geweiht, die im Hochstift Paderborn stets große Verehrung genossen. Als Zeuge in der Urkunde von 1241 tritt ein „Volcwinus capellanus de Plesse“ auf. Vermutlich konnte außer ihm niemand auf der Burg lesen und schreiben. Martin Last berichtet in diesem Zusammenhang, dass die Burgkapelle seit dem Jahr 1323 mehrfach Ablässe erhielt und im Jahr 1378 von der Mutterkirche des Vorwerks Eddigehausen abgetrennt wurde. Die Einkünfte des Kaplans legten die Herren von Plesse fest. „In der Kapelle – und das führt wieder zu ihrer Bedeutung für die Verwaltung zurück – wurde in mehreren hölzernen oder metallenen Kästen das Archiv aufbewahrt: Das Archivgewölbe, das von der Kapelle aus durch einen Einstieg im Boden zugänglich war … ist wahrscheinlich erst im 15. Jahrhundert entstanden.“

Eines der letzten großen Neubauvorhaben auf der Burg dürfte die Errichtung des Kleinen Turms gewesen sein. Noch im Jahr 1326 wird für die Burg nur ein Turm erwähnt und damit wird der Große Turm gemeint sein, denn der Kleine Turm ist ein Bauwerk des späten Mittelalters, so dass die Plesse - neben ihren anderen Funktionen - bis dahin auch noch militärischen Zwecken diente. Der Wandel im Machtkampf zwischen den Staufern, den Welfen und den Winzenburgern lässt sich im heutigen Südniedersachsen an keiner Burg besser ablesen als an der Plesse. Den Grafen von Winzenburg diente die Burg zur Kontrolle ihres Herrschaftsgebietes und Heinrich der Löwe hätte die Burg aus ähnlichen Gründen vermutlich selber gerne besessen. Die Kenntnis darum könnte den Abt des Klosters Abdinghof um 1160 veranlasst haben, die Vita Meinwerci zu schreiben um in ihr auf die Rechte des Bistums an der Plesse ausdrücklich hinzuweisen. Gleichwohl dürfte die Burg mit dem Vorwerk („predium“) Eddigehausen für das Hochstift eher ein peripheres, gefährdetes und nicht unbedingt „betriebsnotwendiges“ Vermögen gewesen sein, das man dem Kaiser unbedenklich hergeben konnte, als er im Tausch den näher gelegenen Desenberg und insbesondere alle Güter anbot, die Graf Siegfied IV. von Bomeneburg im Bistum Paderborn zuvor besaß. Eleganter konnte das Hochstift seinen Besitz und Einfluss im Nahbereich kaum konsolidieren. Für die Welfen blieb die Plesse nicht vorübergehend, sondern für lange Zeit ein Objekt der Begierde, denn sie war - nach dem Ausfall der Winzenburger (1152) - zu einer gewiss ärgerlichen Enklave im sonst von ihnen schon weithin beherrschten oberen Leinetal geworden. Das galt spätestens seit dem Jahr 1235, als Kaiser Friedrich II. das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg geschaffen hatte und die Welfen erneut in diese Region vorrückten und nach und nach den Einfluss der Landgrafen von Thüringen zurückdrängten.

Als mit Dietrich IV. im Jahr 1571 die Gottschalk-Linie der Herren von Plesse erlosch, nutzen die Landgrafen von Hessen aufgrund einer Lehnsauftragung aus dem Jahr 1447 die Burg noch für ein knappes Jahrhundert als befestigten Verwaltungssitz der Herrschaft Plesse weiter. Nachdem aber solche Burganlagen der Kriegstechnik des 17. Jahrhunderts nichts mehr entgegenzusetzen vermochten, wurde der hessische Verwaltungssitz von der Plesse abgezogen und die Burg dem Verfall preisgegeben, bis sie schließlich am 22. Dezember 1780 auf Befehl des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel unter staatlichen Denkmalschutz gestellt wurde. Nicht dass mit diesem Verwaltungsakt die imposante Ruine schon gerettet war, aber es war ein Signal, das vor allem von romantischen Zeichnern und Dichtern aufgenommen wurde, die sich von nun an mit ihren künstlerischen Mitteln und Möglichkeiten um die Burg Plesse kümmerten, auf sie als attraktiven Ausflugsort hinwiesen und mit ihren Arbeiten zugleich auf eine weit zurückliegenden Zeit adeliger Herrschaft und adeligen Lebens unserer mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte aufmerksam machten. Oder waren es gar die Künstler und Göttinger Studenten, die der landgräflichen Politik den entscheidenden Anstoß für die Unterschutzstellung der Burgruine gaben? Zum Nulltarif war das nicht zu haben, denn schon aus den Erbschaftsverhandlungen zwischen Dietrich IV. von Plesse und seinem Halbbruder Franz vom 14. Dezember 1543 ist bekannt, „… dass Plesse ein sere beschwerlich hus zcu erhalten ist …“ Denkmalschützer in aller Welt können in dieses zeitlos gültige Lied und Leid einstimmen.



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Erster Autor: Plessen angelegt am 05.09.2010 um 12:35,
Alle Autoren: Eingangskontrolle, Plessen


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